Angelsächsische Hispanophilie: Richard Ford

Titelseite des 2. Bandes von Richard Fords Spanien-Buch

Zu den interessantesten und kompetentesten  Reisebüchern der Weltliteratur gehört sicher das Buch über Spanien des Engländers Richard Ford (1796–1858) mit dem sperrigen Titel „Hand-Book for Travellers in Spain, and Readers at Home“ und dem Untertitel „Describing the Country and Cities, the Natives and their Manners; the Antiquities, Religion, Legends, Fine Arts, Literature, Sports and Gastronomy: with Notices on Spanish History“. Das war eine Mammutaufgabe, die sich der Autor da gestellt – und, nebenbei bemerkt, großartig gelöst – hatte. Ford entstammte einer großbürgerlichen Familie, der Vater war als Abgeordneter im Britischen Parlament und lebte zusammen mit Richards Mutter, einer begabten Malerin, im Londoner Nobelviertel Chelsea. Ford begab sich 34-jährig 1830, zunächst per Schiff und dann per Kutsche, auf die damals beschwerliche Reise nach Spanien, wo er sich zusammen mit seiner Frau, genau drei Jahre lang aufhielt. Den Herbst und Winter verbrachte er in Sevilla und die Sommer im kühleren Granada. Von seinem jeweiligen Standort unternahm er Reisen, meist auf dem Pferdesattel, durch das Land. Die Napoleonischen Kriege auf der Iberischen Halbinsel, in denen auch britische Soldaten unter dem Herzog von Wellington gekämpft hatten, waren erst 16 Jahre her und die Fords stießen bei ihren Reisen häufig auf deren Auswirkungen auf Land und Leute. Nachdem er bereits kleinere Fragmente seiner Reiseeindrücke publiziert hatte, begann er 1840 mit der Niederschrift des aus drei Bänden bestehenden Buches. Es erfuhr im Laufe der folgenden Jahre immer wieder Textveränderungen: meist ein Verzicht auf landes- und religionskritische Bemerkungen (Ford war ein Protestant auf der Reise durch ein katholisches Land!). Ein englischer Schriftstellerkollege und Zeitgenosse schrieb später begeistert über Fords Reisebeschreibung: „Spanien lebt in seinem Buch, eingehüllt in seine besonderen und unnachahmlichen Farben“ (Earl of Carnarvon, 1848).

Eine Zeichnung von Richard Ford: Casa Sanchez in Granada

Richard Ford war nicht nur ein talentierter Reiseschriftsteller sondern auch ein guter Zeichner. Die meisten der sehr authentischen  Illustrationen seiner Bücher stammen vom eigenen Zeichenstift. Unter seinen Freunden in England und auch in Spanien fanden sich viele Literaten und berühmte Künstler seiner Zeit. Mit einem von  ihnen, dem 5 Jahre älteren José Gutiérrez de la Vega y Bocanegra, verbrachte er Teile seiner Sommer am Meer in Cádiz. Gutiérrez de la Vega war später ein  gut verdiendender  Maler im Umfeld des Madrider Königshof, wo er auch Königin Isabel II. von Spanien portraitierte. Richard Ford war  nicht nur sehr belesen und gebildet sondern auch ein fanatischer Kunstsammler. In Sevilla hat er Bilder von Murillo, Zurbaran und Alonso Cano gekauft, die er dann später in London wieder versteigern ließ. Freundschaft verband ihn auch mit dem schottischen Maler David Roberts (1796 – 1864), der sich ebenso für Spanien begeistert hatte und zur gleichen Zeit wie Ford dort war, ohne, dass die beiden sich zu der Zeit getroffen hatten. Roberts hat hinreißend romantische Stadtansichten von den Orten seiner Spanienreise, u.a. auch von der maurischen Architektur Granadas, gemalt. Die Spanien-Reise stand für die Ehe von Richard Ford unter keinem guten Stern: nach ihrer Rückkehr ins Vereinigte Königreich ließen sich die Beiden scheiden und Richard zog nach Exeter, der Hauptstadt der Grafschaft Devon. Dort ließ er sich in einem Vorort ein Sommerhaus im maurischen Stil bauen, wo er in nostalgischer Erinnerung an die glücklichen Tage in Granada bis zu seinem Tod die verregneten, englischen Sommer verbrachte.

In einem Buchladen auf dem Londoner Picadilly habe ich die drei Bände von Richard Fords Spanien-Buch vor vielen Jahren endeckt. Es war die dreibändige Neuauflage (1508 Seiten) der ersten Ausgabe mit den beigefügten Reproduktionen der alten Landkarten. Die Ausgabe der Centaur Press Ltd., London, stammte aus dem Jahr 1966. Zur Zeit meines Kaufs der Bücher waren es vor allem die Beschreibungen im Zusammenhang mit spanischem Wein, die mich aus historischen Gründen besonders interessierten. Ich wurde tatsächlich reich belohnt.   Beispielsweise erfuhr ich, dass der Manzanilla-Sherry, dem des heutigen vom Aussehen und vom Geschmack her sehr ähnlich gewesen sein muss, allerdings vermutlich  etwas mehr Alkohol enthielt, denn er wurde  gerne mit Eiswasser und gelegentlich auch mit Agrest verdünnt (dieser Longdrink war „…an excellent companion to  the cigar“). Den Valdepeñas beschreibt er als in gewissem Sinne dem Burgunder vergleichbar, der in großen Tonamphoren (Tinajas) und von innen geteerten Ledersäcken ausgebaut wird. Sein Geschmack sei „agreeable to Spaniards, and to no one else”. In Málaga hatten es ihm neben dem “mountain wine” insbesondere die Rosinen angetan. Seit der Zeit der Phönizier gehören die „Muscatels“ aus der Provinz Málaga laut Ford zu den besten der Welt. Es finden sich noch unendlich viele Hinweise auf die spanische Gastrosophie jener Tage, sie auch nur teilweise zu erwähnen würde den Rahmen des Beitrags sprengen.

Die Liebe zu Spanien und die Verehrung seiner Kultur durch  Richard Ford ist Ausdruck der  Hispanophilie  einer ganzen Generation angelsächsischer Literaten und sein „Handbuch für Reisende in Spanien“ ist auch noch heute eine außerordentlich amüsante und flüssig geschriebene Reisebschreibung mit erheblichem Informationswert, in der sich auch immer wieder eine deftige Prise britischen Humors entdecken lässt. Aus ihr stammt übrigens auch die berühmte Behauptung, dass aus Sicht der meisten Europäer Afrika hinter den Pyrenäen beginnt.

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