Wie „uncool“ ist Bier?

Bierreklame aus den 50iger Jahren des 20. Jhrs.

Am stahlblauen Himmel über der Wüste sieht ein verlorener, schwitzender Spaziergänger die Fata Morgana eines frostigen Bierglases und ein nebenstehender Text verkündet dass „Durst erst durch Bier schön“ würde. Heute ein Klassiker, war diese Reklame in den 50iger Jahren eine höchst suggestive Verführung zum Biergenuss und hat sicher dazu beigetragen, dass im Laufe der Jahre Deutschland zum europäischen Bierkonsumenten Nummer 1 wurde. Die Deutschen trinken 8 Milliarden Liter Bier pro Jahr und sind damit im Vergleich mit anderen Ländern absolute Spitzenreiter, gefolgt von Großbritannien mit 4,2, Polen mit 4,1 und Spanien mit 3,8 Milliarden Litern, alkoholfreies Bier ist in dieser Statistik nicht enthalten. Global betrachtet sind die bevölkerungsreichen Länder China (381 Milliarden), die USA (215 Milliarden) und Brasilien mit 141 Milliarden Litern die größten Bierbrauer. Deutschland steht auf Platz 5 der weltgrößten Braunationen. Das „Pils“ ist mit 3,5 Milliarden Litern pro Jahr der Liebling unter den Biersorten, gefolgt von Export und Weizen. Für den Staat ist das Brauereiwesen eine lukrative Angelegenheit: von den 19 Milliarden, die die Bierkonsumenten für ihr Trinkvergnügen jährlich ausgeben, bleiben fast 700 Millionen Euro als Biersteuer im Staatssäckel.  Genug der Statistik! Es ist sicher bereits deutlich geworden, welche wirtschaftliche Bedeutung dem Bier in unserem Land zukommt. Dies alles im Kopf wurde ich durch einen „Spiegel“-Beitrag mit dem Titel „Warum die Deutschen die Lust auf Bier verlieren“ (DER SPIEGEL 39/2022) regelrecht aufgeschreckt.

Tatsächlich sprechen die Zahlen eine sehr deutliche Sprache. Ein objektives Maß für die Popularität von Bier ist der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch in Litern. Mit 84 Litern steht Deutschland im europäischen Vergleich damit hinter seinen Nachbarn Tschechien und Österreich an dritter Stelle. Das klingt zunächst einmal viel, aber betrachtet man einen größeren Zeitraum, z. B. den Verlauf  über die letzten 10 Jahre (von 2012 bis 2021) erkennt man, dass der Konsum von 101 bis 84 l pro Kopf und Jahr gesunken ist (Statistisches Bundesamt – Destatis, 2022). Das ist immerhin eine Verminderung von beinahe 20 %! In den letzten beiden Jahren spielte natürlich die Corona-Krise eine nicht unerhebliche Rolle für das Nachlassen des Interesses an Bier. Die vielen Monate der  Schließung der Restaurants, Cafés und Bars sowie der Wegfall von Veranstaltungen wie z. B. dem Oktoberfest oder Stadionbesuchen zu Fußballspielen waren wohl die konkreten Gründe für den Rückgang des Konsums während der Pandemie. 2021 kam noch die Unterbrechung der weltweiten Lieferketten dazu, die zu einer Verknappung der Materialien mit entsprechender Verteuerung sowohl der Rohstoffe als auch der gefertigten Endprodukte, wie Hopfen, Flaschen und Kronkorken führte. Erhöhung der Arbeitskosten und Inflation beschleunigten die Krise.

Es gibt aber gegenwärtig noch krisenunabhängige Langzeitfaktoren die dem Bierkonsum entgegenstehen und einer davon ist sicher das zunehmende Bewusstsein über die gesundheitlichen Risiken des Alkohols. Ich habe mich an dieser Stelle bereits mehrfach zu diesem Thema ausgelassen (z.B. hier, hier und hier) und brauche daher die Argumnente für und wider den Alkohol an dieser Stelle nicht zu wiederholen. „Bier ist out“ schrieben die beiden Autoren Simon Book und Kristina Gnirke im erwähnten „Spiegel“-Artikel. Die Bierbranche habe mit der gesellschaftlichen bzw. demographischen Entwicklung nicht Schritt gehalten. Die stetig zunehmende Gruppe der älteren Biertrinker konsumiere naturgemäß weniger während die Jugend Bier eher als „gelb, billig und nass“ – in ihrer Sprache eben einfach nur „uncool“ –  empände. Der moderne „lifestyle“ tendiert zu Longdrinks auf der Basis von Wodka oder Gin bzw. sog. Energy-Drinks. Letztere werden auch „Power-Drinks“ genannt und manche davon befriedigen obendrein auch Moslems und zeitgeistbewusste Veganer; nach islamischen Ernährungsrichtlinien werden sie gelegentlich sogar als „halal“ (arab.: „erlaubt“/“zulässig“ ) eingestuft.

Scheinbar entgegen jede ökonomische Logik erhöht sich, trotz abnehmender Umsätze der ganzen Branche, Jahr für Jahr die Anzahl der Brauereien in Deutschland. In den vergangenen 10 Jahren ist ihre Zahl von 1300   auf heute über 1.500 gestiegen. Während die etablierten Brauereien wegen des geringeren Konsums der Bürger mit ihren Überkapazitäten kämpfen, erhoffen sich viele junge Unternehmer mit der Gründung von Mikro-Brauereien und Start-Ups sowie mit neuen Bierkreationen von der zunehmenden Popularität der sog. Craft Biere zu profitieren. Weg von den immer gleichen, uniformen und von vielen als langweilig empfundenen Standardbieren der großen Brauereien hin zu neuen, lokalen Schöpfungen ist die Devise, die beim jungen Bierfreund und in der Gastronomie gleichermaßen gut ankommen. Dieser Trend zu geschmacklich neuen Biervariationen verändert offensichtlich langsam und nachhaltig den Getränkemarkt. Der gesamte internationale Bauerei-Mainstreram muss bei dieser Entwicklung irgentwie dabei sein wenn seine Mitglieder langfristig eine Überlebenschance haben wollen.

Bleiben Sie stets neugierig …und genussvoll durstig!

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