Nach Schätzungen der Weltgesundheits-Organisation (WHO) wird es im Jahr 2030 in Europa 66,5 Mio. Diabetiker geben. Allein in Deutschland sind es es gegenwärtig schon ca 4 Millionen. Maßnahmen, die zur Verminderung der gefürchteten Komplikationen dieser Krankheit führen sind daher von hoher gesundheitspolitischer Relevanz. Vor kurzem bin ich im Internet auf eine klinische Studie von J.I. Blomster und Mitarbeitern gestoßen, deren Ergebnisse mich wegen ihrer klaren Aussagen überrascht haben. Es ging um die Frage welchen Einfluss Alkohol-Trinkgewohnheiten auf die häufigsten Herz-/Kreislaufkomplikationen während des Verlaufs von Diabetes des Typs 2 haben. Bekannt ist ja aus vielen vorangegangenen Studien, dass Herz- und Kreislauferkrankungen ganz allgemein durch mäßigen Alkoholkonsum günstig beeinflusst werden.
In die vorliegende, internationale Studie wurde die fast unglaubliche Zahl von 11.140 Patienten aufgenommen. Die Studienteilnehmer stammten aus Europa, Asien, Nordamerika und der Pazifikregion. Sie wurden in drei Gruppen aufgeteilt: (1) nicht Alkohol trinkende Abstinenzler, (2) Moderate Alkoholkonsumenten (bis 21 Gläser pro Woche bei Männern und 14 Gläsern bei Frauen) und (3) Schwerere Alkoholkonsumenten (deutlich über dem Limit moderater Trinker). Die sehr sorgfältige statistische Analyse ergab, dass der moderate Konsum alkoholischer Getränke auch bei Diabetikern vor Herz-Kreislaufkomplikationen signifikant zu schützen scheint, wenn man die Patienten mit den Patientenî ohne Alkoholkonsum vergleicht. Bei den „schweren Trinkern“ erhöhte sich das Risiko erwartungsgemäß wieder und zwar dosisabhängig.
Der interssanteste Aspekt der Studie war für mich natürlich die hervorragende Rolle des Weins innerhalb der gesamten Gruppe von Alkoholika: Weintrinker hatten gegenüber Konsumenten von Bier oder Schnaps in dieser Studie das absolut geringste Risiko für Herz-/Kreislauf-Episoden aller Art. Dies ist im Grunde natürlich auch keine ganz neue Erkenntnis. Die Wirkung von Polyphenolen, insbesondere von Resveratrol auf den Zuckerstoffwechsel und die Insulin-Resistenz ist seit kurzem bekannt (Chiva-Blanch G, Urpi-Sarda M, Ros E, Valderas-Martinez P, Rosa Casas R, Arranz S, Guillén M, Lamuela-Raventós RM, Llorach R, Andres-Lacueva C, Estruch R. Effects of red wine polyphenols and alcohol on glucose metabolism and the lipid profile: A randomized clinical trial. Clinical Nutrition 2013;32:200-206) und dürfte hier eine erhebliche Rolle gespielt haben.
Mir scheint, dass die Relevanz der Aussage der oben berichteten Studie gar nicht überbewertet werden kann. Noch immer ist es unter Ärzten und Gesundheitspolitikern aller Couleur eine weit verbreitete Meinung, dass sich Diabetiker vom Wein fernhalten sollten. Als Argument wird u.a. immer wieder der angeblich hohe Kohlehydratgehalt des Getränks angeführt. Das ist, auch nach Meinung der „American Diabetes Association“ (Amerikanische Diabetes-Gesellschaft), blanker Unsinn. Der protektive Effekt des Weins auf die schlimmsten und häufig tötlichen Komplikationen der Erkrankung sollte durch moderaten Weingenuß allen Diabetikern zugänglich gemacht und entsprechend propagiert werden. Auf die Dosierung des Weins muss allerdings immer wieder mit Nachdruck hingewiesen werden („Die Dosis macht das Gift“)! Zugegeben, es ginge zu weit sich Wein auf Rezept von der Krankenkasse bezahlen zu lassen!