In diesem Essay werde ich drei Dinge zusammenbringen, zwischen denen das kollektive Bewusstsein bislang keine Verbindung angenommen hat. Ich werde über Käse, Wein und den gefürchteten „Morbus Alzheimer“ schreiben. Vergesslichkeit, Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit sind die ersten Hinweise auf eine beginnende Erkrankung, unter der bereits 1,2 Millionen Bürger in unserem Land, mit zunehmender Tendenz, leiden. Kein Wunder, dass viele Menschen große Angst davor haben, zumal das Alter den absolut größten Risikofaktor darstellt und wir, als gesamte Bevölkerung, bekanntlich immer älter werden. Die Konsequenz aus dem Gesagten ist die Suche nach Möglichkeiten die Entstehung des Morbus Alzheimer zu unterbinden bzw. zu verzögern. Seit langem ist bekannt, dass soziale und medizinische sowie ernährungsphysiologische Faktoren bei seiner Entwicklung eine Rolle spielen. Genetische Ursachen kann man in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht völlig ausschließen. Unter den diätetischen Faktoren wird u. a. auch dem gemäßigten Alkoholkonsum eine prophylaktische Wirkung bei der Entwicklung verschiedener Formen der Demenz, einschließlich des M. Alzheimer, zugeschrieben, wobei der Wein eine besonders positive Rolle zu spielen scheint.
Würde man eine Erhebung unter Weinfreunden machen und nach der persönlichen Bevorzugung bestimmter Nahrungsmittel zum Weingenuss fragen, bin ich mir ziemlich sicher, dass Käse einen ganz hohen Rang einnehmen und gleichzeitig eine heftige Diskussion auslösen würde. Die Frage nämlich welcher Käse zu welchem Wein passt führt, wo immer sie gestellt wird, zu einem Diskurs von epischer Breite. Die Ergebnisse dieser intellektuellen Beschäftigung sind häufig banal einfach: Käse und Wein aus der gleichen Region sollen angeblich meist gut miteinander harmonieren und der Geschmack des Käses sollte den des Weins auf keinen Fall übertönen. Punkt. Denn darum geht es hier gar nicht, sondern ausschließlich um die Frage ob der Konsum von Käse und Wein möglicherweise einen additiven Effekt auf die Demenz-Entwicklung hat.
Kürzlich hat tatsächlich eine Studie aus den U.S.A. unter der Leitung der University of Iowa, dieses Thema aufgegriffen und den Effekt der gemeinsamen Aufnahme von Käse und Wein auf das Entstehen von Alzheimer untersucht (1). Dabei hat man sich einer bestehenden Datenbank aus dem Vereinigten Königreich („UK Biobank“) bedient. Darin sind die medizinischen und genetischen Daten von über 500 Tausend freiwilligen Teilnehmern gespeichert, auf die entsprechend qualifizierte Forscher weltweit Zugriff haben. Sinn und Zweck der Studie aus dem amerikanischen Bundesstaat Iowa mit 1.787 ausgewählten Individuen der UK Biobank war, herauszufinden wie sich die geistige Entwicklung unter verschiedenen ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten bei Gruppen mit hohem und niedrigem Alzheimer-Risiko, verhält. Die Angaben zur jeweiligen Diät der Probanden stammten von diesen selbst und wurden durch regelmäßige Fragebogen-Aktionen über die Zeit erhoben und verfolgt. Die Ergebnisse der Studie waren zunächst überraschend: der tägliche Konsum von Käse alleine war mit einer statistisch signifikanten Verbesserung der sog. „fluiden Intelligenz“ verbunden, d. h. der Fähigkeit logischen Denkens und Problemlösungen zu finden, zwei Parameter; die sich beim M. Alzheimer mit der Zeit konstant verschlechtern. Ähnliche Befunde konnten beim Konsum von Alkohol erhoben werden, und zwar unabhängig vom Typ des getrunkenen Alkohols. Täglich konsumierter Rotwein zeigte eine deutliche Tendenz die Ergebnisse noch weiter zu verbessern. Als bedeutsamer Nebenaspekt der Studie ist vielleicht festzuhalten, dass der Konsum von Salz , insbesondere in der Hochrisikogruppe, schlecht für die Fluide Intelligenz der Probanden war. Die Autoren bringen die Ergebnisse ihrer Studie auf den hedonistischen Punkt: Der moderate Genuss von Käse mit Rotwein könnte eine effektive Maßnahme sein die Demenz-Entwicklung , besonders in Risikogruppen, zu verlangsamen!
Wenn man bei Studien der oben beschriebenen Art Kausalitäten ableiten will, muss man sich unbedingt mit sog. „confounding factors“ (verzerrende Faktoren) beschäftigen. Im vorliegenden Fall könnte es ja sein, dass Käseliebhaber einen anderen Lebensstil pflegen und dadurch ganz andere Gegebenheiten, neben dem gerade untersuchten Käse, eine Rolle spielen. Sind Käseesser vielleicht intelligenter, lesen mehr und haben ein breiteres Interessenspektrum, oder fahren, der Umwelt zu Liebe, mehr Fahrrad? Die gleichen Fragen kann man sich für Rotweintrinker stellen und je nach der Menge solch verzerrender Faktoren ist die Aussage der Studie vielleicht falsch, weil die wirkliche Kausalität der gemessenen Parameter in einem ganz anderen Bereich liegt. Ich möchte nicht die für uns Weinfreunde so erfreulichen Studienergebnisse in Frage stellen, denn für den Rotwein ist der nachgewiesene prophylaktische Effekt auf die Demenz längst nachgewiesen und bestätigt damit die Validität der Studie. Über die gesundheitlichen Aspekte des Käsekonsums ist leider wenig bekannt. Das übliche Sammelsurium von Inhaltsstoffen wie Kalzium, Mineralien, Proteine, Vitamin B-12 und fettlösliche Vitamine (A,D,E, und K) wird als Ursache für die vermeintlich gesundheitsfördernden Eigenschaften des Käses ins Feld geführt. Damit lässt sich die prophylaktische Wirkung des Käses bei Morbus Alzheimer aber nicht zufriedenstellend erklären. Weitere Untersuchungen müssten jetzt den molekularen Wirkmechanismus des Käsekonsums auf die Demenz untersuchen.
(1)Klinedinst, B. S., Le S. T., Larsen B. et al.: Genetic Factors of Alzheimer´s Disease Modulate How Diet is Associated with Long-Term Cognitive Trajectories: A UK Biobank Study, Journal of Alzheimer´s Disease, vol. 78, no. 3, pp. 1245-1257, 2020
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Eine Doppelblindstudie mit Käse in einem Studienarm stelle ich mir schwierig vor! Daher wird ein Sponsor nur schwer zu finden sein
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