Wer kennt sie nicht, wenigstens beim Namen, die „Currywurst“? Ob Berlin, Wolfsburg oder der Ruhrpott ihr Geburtsort ist, ist eigentlich egal, denn sie wird heute von ihren Liebhabern als ubiquitär verfügbares „deutsches Nationalgericht“ angesehen. Eine zerschnittene Wurst mit Tomatenketchup und darüber gestreutem Currypulver soll tatsächlich eine Delikatesse sein? Vielleicht, denn die an sich langweilige Brüh- oder Bratwurst wird durch den Curry geschmacklich geadelt. Das magische, rostfarbene Pulver besteht aus einer Mischung von Safranwurzel (Kurkuma), Kreuzkümmel, Koriander, Pfeffer, Ingwer, Fenchel, Zimt oder Muskat und manchmal auch noch anderen orientalischen Gewürzen. Das Curry-Pulver aus dem Streuer an der Wurstbude ist allerdings nur ein Schatten der richtigen Currys aus der indischen Küche, und das obwohl diese auf dem Papier aus mehr oder weniger den gleichen Zutaten bestehen wie das Pulver der deutschen Gewürzfabrik.
Der enormen Größe des Subkontinents Indien ist die regionale Vielfalt der dortigen Landesküche geschuldet. Gemeinsam ist allen jedoch die immense Auswahl an verfügbaren Gewürzen. In unseren Breiten erleben wir meist die nordindische bzw. pakistanische Küche bei den sog. „Indern“ (indische Restaurants). Und es gibt sie mittlerweile in vielen Städten des Landes, leider nicht immer ganz authentisch, denn auf der gegenwärtigen Beliebtheitswelle des asiatischen Geschmacks wollen zu viele Gastronomen mitschwimmen. Ein voll meinem Geschmack entsprechendes Curry ist z.B. die Gewürzmischung „Masala“, die vornehmlich aus frischen Zwiebeln, frischem Ingwer, grünen Korianderblättern und Knoblauch sowie einer Vielzahl von Gewürzen besteht. Die Schärfe kann sich der Gast aussuchen, bzw. in einer subjektiven Skala von 1 bis 6 angeben. Was der Koch dann daraus macht ist ein bisschen wie ein Lotto-Spiel. Der Geschmack eines guten Curry ist am besten mit dem Wort „sukkulent“ beschrieben. Es sagt soviel wie „würzig-fleischig-saftig“. Die wunderbaren Gewürznoten steigen einem in die Nase und finden sich kurze Zeit später am Gaumen wieder. Dazu der Jasmin-Vanille-Duft des dünnkörnigen Basmati-Reis gibt beim Hinunterschlucken ein Gefühl der tiefen Befriedigung. Ein indisches Curry kann ein ganz großes Fest der Sinne sein!
Der einzige Schatten bei der Freude über das Essen ist das Getränk dazu. Wie kann man die intensiven, exotischen Geschmackserlebnisse solcher Gerichte noch toppen? Klassisch soll „Lassi“, ein dem türkischen Ayran ähnliches Joghurt-Getränk sein, welches häufig auch süß serviert wird. Ich lasse mir bei meinem Lieblings-Inder trotzdem gelegentlich die Weinkarte bringen, aber nichts von dem Angebot macht mich wirklich an und so bestelle ich das, was ich schon in den Zeiten meiner Londoner Curry-Erfahrungen immer getrunken habe: ein Bier! Die kühle Flüssigkeit mit Kohlensäure neutralisiert ein wenig die Schärfe und Intensität des Gerichtes, aber ansonsten bleibt sie eher neutral gegenüber meinem Gaumen! Ich stelle mir einen jungen, gekühlten Rotwein vor – beispielsweise einen „cosechero“ aus der Rioja – und denke mir, dass er zu einem milden Curry (z.B. einem „Korma“ oder „Bhuna“) ganz gut passen würde. Bei diesen Gedanken kommt mir sofort auch ein knackiger Weißwein in den Sinn, z.B. ein junger fruchtiger Verdejo oder Sauvignon Blanc. Tatsächlich probiert habe ich schon einmal einen aromatischen Gewürztraminer, dessen Aromafülle großartig mit der „Sukkulenz“ des etwas scharfen Curry harmonierte. Dagegen verblasst selbst ein guter Chardonnay so gut wie immer gegenüber der Geschmacksfülle der indischen Küche.
Der englische Weinguru Hugh Johnson, dem man sicher aufgrund seiner Herkunft viel Erfahrung mit Currys zutrauen kann, empfiehlt dazu eine süße Spätlese oder Auslese aus Deutschland. Diese Empfehlung, die auch weiße Süßweine anderer Provenienzen einschließt, findet man immer wieder in den unterschiedlichsten Internet-Foren zum Thema. Was mir persönlich wirklich ganz großen Spaß gemacht hat war einmal ein trockener Cava Brut zu einem „Madras“-Curry. Die Kohlensäure bewirkt am Gaumen, wie das Bier, eine gewisse Abschwächung der Schärfe. Die Frucht des Cava kann sich, wie bei den fruchtigen Weißweinen, mit den Gewürzen verweben und dadurch ggf. eine neue Geschmacksnote erzeugen. Wie würde wohl ein leicht süßlicher Cava (demi-sec) dazu passen? Für den seines gesellschaftlichen Status sehr bewussten Genießer könnte es selbstverständlich auch ein Champagner sein. Auch ein Amontillado- bzw. Oloroso-Sherry kann zum passenden Begleiter des Curry avancieren.
Zusammenfassend kann man vielleicht sagen, dass sich ein Blick auf die Weinkarte auch beim „Inder“ immer lohnt, aber sein wir ehrlich, jedes Zusammenführen von Wein und Curry ist ein Vabanque-Spiel: ob es klappt oder nicht weiß man immer erst hinterher. Wer keine Glücksspieler-Natur hat sollte sich da raushalten und tatsächlich lieber zum Bier greifen! Dabei ziehe ich persönlich zum Curry ein trübes, kühles Hefe-Weizen oder ein würziges IPA vor.
Bleiben Sie stets neugierig… und durstig!