Wenn die europäische Wetterkarte für kurze Momente auf dem abendlichen Bildschirm des Fernsehapparates erscheint, sieht man fast immer eine dunkle Wolkenanhäufung über dem äußersten Nordwestzipfel Spaniens. Dort liegt Galicien, jener grüne Landstrich wo der Regen tatsächlich einen wesentlichen Teil des alltäglichen Lebens darstellt. In dieser Region war ich kürzlich im Januar für eine ganze Woche und habe gelernt das besondere Klima dieses Landes zu lieben. Es ist, selbst im Winter, feucht und warm. Die Palmen am Wegesrand sowie Zitronen- und Orangenbäume zeigen es an. Die spektakulären Aussichten auf die sog. „Rias“, tiefe Buchten, wie Einschnitte in das Land, gehören zum landschaftlich schönsten, was ich kenne. Nicht zu vergessen, die vielen Meeresfrüchte, die sich da im Wasser tummeln und auf ihren Fang sowie auf ihre Zubereitung warten. Die Fischerei ist noch immer ein wichtiger ökonomischer Faktor für den ganzen Landstrich.
Galicien ist ein sehr altes Land mit einer langen Vergangenheit, der man auf Schritt und Tritt begegnet. Das Material aus dem die großartigen Klöster, Kirchen, Adelspaläste und Wegkreuze an den Straßenrändern gebaut wurden ist der immer und überall moosbewachsene Granit. An beinahe allen Wegen des Landes finden sich die steinernen „cruceiros“ (Wegkreuze). Sie wurden vor vielen hundert Jahren errichtet an Orten an denen ein Wunder stattgefunden bzw. sich nachts Hexen getroffen haben oder grauenvolle Verbrechen verübt worden sind. In jedem Falle sind es irgendwie magische Orte, an denen sich Menschen gerne treffen.
Aus dem gleichen Granit wie die Kreuze sind auch die „parras“, die Pergolas an denen der galicische Wein, weit über dem feuchten Boden in der kühlen Meeresbrise wächst. Was die Weinmacher in den letzten Jahren aus ihren weißen Rebsorten Albarino, Godello und Treixadura hervorgebracht haben grenzt an ein kleines Wunder: vorbei sind die Zeiten wo Bananen-dominierte Frucht ein eindimensionales, exotisches Geschmackserlebnis vorgaukelte, jetzt haben die Weine Finesse und Struktur sowie eine Vielfalt von Nuancen, die die Geschmacksnerven erregen (z. B. dieser). Einige von ihnen sind im Barrique gereift und haben diese verführerische Cremigkeit und komplexe Süße, wie man sie von den großen Burgundern kennt (z.B. dieser). Diese neuen Galicier gehören ohne jede Frage wieder zu Spaniens Weißweinelite.
Mitten im Land, ein paar Kilometer von Orense entfernt, an den Ufern des rio Sil erstreckt sich das Weinbaugebiet der Ribera Sacra. Hier wird Weinbau an den Steillagen des Flusses betrieben, der an die Mosel erinnert. So malerisch wie bei Traben-Trarbach die Mosel ist der Sil an den Ribera Sacra. Dort ist auch eines der wenigen ernst zu nehmenden Rotwein-Anbaugebiete Galiciens. Die Traube der Ribera Sacra ist die Mencía. Ich habe einige der jungen, nicht barriqueausgebauten Weine probiert und war von ihrer Aromatik vollauf begeistert. Diese Weine sind großartige Begleiter der galicischen Käse, wie der sahnigen „Tetilla“ oder dem rauchigen „San Simon“.
Mein Fazit dieser Reise ist: Galicien ist eine der interessantesten Regionen Spaniens. Großartige, z.T. sogar sehr innovative Küche, phantastische Weine, immens viel Kultur, atemberaubende Landschaften und liebenswerte, aufgeschlossene Bewohner, die mit Recht stolz auf ihr schönes, regenreiches Land sind. Wie man mit Regen in der Landwirtschaft umgehen kann zeigen nicht nur die Pergolas beim Weinbau, sondern auch die vielen „hórreos“, kleine, gut durchlüftete und teilweise hunderte von Jahre alte Getreidespeicher durch die der Wind weht und die Nässe vertreibt.