Der Aperitif: Abführmittel oder Appetitanreger?

Wilder Mittelmeer-Anis: ein Kraut für beliebte Aperitifs im Süden Europas

Wilder Fenchel (Foeniculum vulgare) ein Kraut für beliebte Aperitifs im Süden Europas (z.B. Pastis, Ouzo etc.)

Ein Blick ins Ethymologische Wörterbuch offenbart, dass der Begriff Aperitif, den wir alle für die Bezeichnung eines appetitanregenden, alkoholischen Getränks kennen, aus der Medizin kommt. Das Substantiv wurde aus dem lateinischen „aperire“ (= öffnen) gebildet. Ursprünglich bezog sich das Öffnen allerdings auf einen anderen Körperteil: es bedeutete so viel wie „abführen“, ein Aperitif war demnach ein Medikament aus der Gruppe der Laxantien (Abführmittel). Erst im 19. Jahrhundert veränderte sich die Bedeutung im heutigen Sinne und aus dem Darmöffner wurde der berühmte „Magenöffner“.

Die Literatur über das Zusammenspiel von Wein und Speisen hat in den letzten Jahren geradezu inflationäre Dimensionen angenommen. Es scheint, als müsse sich jeder Sommelier oder Sternekoch in schriftlicher Form mit seinem Beruf auseinandersetzen und mit entsprechenden Beiträgen das deutsche Publikum beglücken – und die Verlage wissen wohl, dass dahinter auch ein gutes Geschäft steht. Eher selten findet man bei den Gastro-Gurus Vernünftiges über das Getränk, mit welchem der Appetit auf all die wort- und bilderreichen Köstlichkeiten erzeugt werden soll, den Aperitif. Wer dieses Schlagwort „googelt“ bekommt unzählige Tipps was er seinen Gästen als Appetitanreger vorsetzen kann. Die Skala reicht von einem Gin-Tonic, Cocktails wie Mojito oder Caipirinha über Campari, Ricard, Wermut und anderen Würzweinen bis hin zu der lapidaren Feststellung, dass ein Sherry diese Aufgabe eigentlich auch gut erfüllen kann (diese Thematik habe ich bereits mehrfach aufgegriffen und werde es ganz sicher noch öfter tun!).

Völlig unabhängig vom von mir persönlich heißgeliebten Sherry aus Jerez de la Frontera oder Montilla-Moriles (darf sich eigentlich nicht Sherry nennen) sind meine Favoriten vor einem guten Mahl der Champagner Brut & Co. (schließt alle Weine mit Flaschengärung ein) oder ein frischer, säurereicher und trockener Weißwein. Sie sind weit mehr als nur ein Öffner des Magens, sie können Vorboten des kommenden Essens sein, sinnlich, erotisch und verführerisch. Ich finde es gelegentlich als störend wenn der Gastgeber oder die Gastgeberin zu viel Gewicht auf jene unsäglichen amuse geules legen, die die Vorfreude und Erwartung mit brachialer Gewalt lähmen können. Immerhin ist der Aperitif das einzige Getränk während der Mahlzeit, das sich nicht nach einem anderen vorgegebenen Geschmack richten muss – und das sollte man zelebrieren dürfen! Hier kann sich der Gastgeber sensorisch austoben und Weine oder andere Getränke servieren, für die sonst keinen Platz im Menü zu finden ist. Phantasie ist gefragt.

 

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