Zwischen rot und weiß: das Farbenspiel der Rebsorten

Die Farbskala: Beeren mit unterschiedlichem Anthocyangehalt an einer Traube (Foto: Pixabay)

Haben wir all die herrlichen Weißweine, wie die Riesling Beerenauslesen oder die großen Burgunder aus Chardonnay nur einer Laune der Natur zu verdanken? Die Wissenschaft hat längst erkannt, dass die weißen Rebsorten durch Mutationen des Erbgutes aus den roten Sorten entstanden sind. Dabei handelt es sich um Veränderungen der genetischen Informationen, die durch Umwelteinflüsse oder auch spontan bei der Zellteilung entstehen können.  Den Beginn der eigentlichen Weißweinkultur muss man in der Antike suchen. Während in den frühen Schriftdokumenten immer nur der Wein als solcher angesprochen wurde, erwähnte der Begründer der wissenschaftlichen Medizin, der griechische Arzt Hippokrates (ca.460 v. Chr. – 370 v. Chr.), erstmals explizit den Weißwein. In Rom erlangte der Weißwein schließlich eine gewisse Popularität, wie uns der römische Universalgelehrte und Weinbauexperte Plinius der Ältere (23-79) schriftlich hinterlassen hat. Diese Tatsache hat die Feldherren und ihre Soldaten jener Tage ermuntert in den eroberten Gebieten im Norden Europas auch weiße Rebsorten anzupflanzen. Der in ihrer Heimat so populäre Rotwein hatte es dort nämlich schwer, da mancherorts das raue Klima eine ausreichende Farbbildung in den Schalen verhinderte, der blasse Weißwein dagegen hatte dieses Problem ganz offensichtlich nicht. Die Anthocyane, wie die roten Farbstoffe genannt werden, sind, biochemisch gesehen, komplexe Polymerverbindungen, die sich in den Beerenschalen während der Traubenreife bei direkter Sonneneinstrahlung bilden. Sie gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen, sind also für die Rebe selbst nicht lebenswichtig, haben aber für den Menschen vermeintlich gesundheitsfördernde Wirkungen und werden in der Beerenschale durch licht- und temperaturabhängige Gene reguliert.

Im Mittelalter waren es insbesondere die Klöster die die Techniken der Weißweinvinifizierung und die entsprechenden Qualitätsstandards weitentwickelten. Eine Sternstunde der Weißweingeschichte war die Entwicklung der Flaschengärung und des daraus resultierenden Getränkes, des Champagner. Obwohl die Geschichte des Benediktinermönchs Dom Perignon (1638 – 1715) als Erfinder der „methode champenoise“, vermutlich in den Bereich der Legenden gehört, waren es dennoch Klosterbrüder, die maßgeblich an der Entwicklung des ersten, weißen Schaumweins beteiligt waren. Rotweine und Rosés aus roten Rebsorten und Weissweine aus weißen? So einfach ist das leider nicht. Jeder Weinfreund kennt den „Blanc de Noir“ was so viel wie „Weißer aus Schwarzen“ bedeutet und einen Weißwein aus dunklen Trauben beschreibt. Die französische Bezeichnung Blanc de Noir weist auf das Ursprungsland dieser Weinbereitungsart hin. Der Prototyp dieses Weins ist tatsächlich der Champagner, dessen Grundwein aus den roten Trauben Pinot Noir (Spätburgunder) und Pinot Meunier (Schwarzriesling) gekeltert wurde und vielfach auch heute noch wird. Dies kann man machen, da die roten Beeren dieser Rebsorten helles Fruchtfleisch besitzen. Soll der Saft aus roten Trauben weiß bleiben, dürfen keine Farbstoffe aus den Schalen in den Most gelangen, d. h., dass diese vor Beginn des Gärprozesses sorgfältig abgetrennt werden müssen. Auf Details bin ich an dieser Stelle bereits eingegangen. Ein typischer Blanc de Noir hat eine helle Farbe und kann, wie bei vielen Champagnern zu sehen, gelb-goldene Reflexe aufweisen, die durch sehr kleine Restmengen roten Farbstoffes verursacht sind. Werden die Schalen der roten Beeren etwas länger in dem ausgepressten Saft gelassen, also die „Maischestandzeit“ verlängert, treten mehr Farbstoffe aus den Schalen in den Most und es entsteht schließlich der klassische Roséwein.

Es gibt noch eine weitere Variante von roten Rebsorten, nämlich solche mit ebenfalls genetisch bedingtem, deutlich geringeren Farbstoffgehalt in den Schalen. Prototyp dieser ist der Grauburgunder (Pinot Gris). Ohne oder mit nur sehr kurzer Maischestandzeit werden aus dieser Sorte klassische Weißweine gekeltert mit etwas längerem Schalenkontakt bekommen sie allerdings einen zunehmenden rosa Farbton, sind aber keine klassischen Rosés und dürfen sich auch so nicht nennen, obwohl sie genauso aussehen. Diese Sortenvariante zeigt, dass so gut wie alle Konzentrationen von Anthozyanen in den Beerenschalen vorkommen können. Rote Sorten wie die Grenache (Garnacha) oder der Spätburgunder (Pinot Noir) sind von Natur aus Farbstoffarm und liegen im Anthocyangehalt  mit 70 bis 200 Milligramm/Kilogramm (mg/kg) Weintrauben im für Rotweine eher niedrigen Bereich. Aufgrund ihrer geringen Farbintensität eignen sie sich besonders gut zur Herstellung von Roséweinen. Die klassischen Rotweinsorten verfügen über 300 bis 700 mg/kg Anthocyane und sog. „Färbertrauben“ (z. b. Dornfelder oder Garnacha tintorera) dunkle Beeren mit rotem Fruchtfleisch, enthalten 1.000 bis 1.200 mg/kg dieser Farbstoffe. Da die Farbe eines Weins dem Kenner erlaubt gewisse Rückschlüsse auf seinen Ausbau und seine Qualität zu ziehen, verwundert es nicht, dass manche Kellereien die Farbe ihrer Produkte manipulieren. Dazu kann man die in der Europäischen Union als Lebensmittelzusatzstoffe zugelassenen Anthocyankonzentrate ganz legal benutzen. Die natürliche Farbintensität eines Rotweins ist umso größer, je reifer und dicker ihre Beerenschalen sind, d. h. je länger sie am Stock verbleiben konnten und je weniger Saft im Verhältnis zu ihrem Gesamtgewicht die Beere enthält. Wenn Duft, Geschmack und Farbe eines Weins nicht miteinander harmonieren, liegt der Verdacht auf eine Manipulation durch die Kellerei nahe und sollte beim Genießer die Alarmglocken schrillen lassen!

Bleiben Sie stets neugierig …und genußvoll durstig!

 

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