Die kalte Gemüsesuppe namens „Gazpacho“ hat ihren Siegeszug durch die internationale kulinarische Welt längst hinter sich und ist heute ein fester Bestandteil der Gourmetküche sowie des heimischen Speiseplans der Bürger aller sozialen Schichten. Linguisten zerbrechen sich seit langem über den Ursprung des Wortes „Gazpacho“ den Kopf. Dass es lateinischer Herkunft sei wird von allen akzeptiert und während die einen den Begriff „gazophylacium“, was so viel wie Schatzkammer bzw. Kirchgenschatz bedeutet, bemühen, nehmen andere an „caspa“, die Schuppe, stünde Pate. Das würde auch, im Gegensatz zum „Kirchenschatz“, Sinn ergeben, denn man kann es auch mit Brotkrümel übersetzen, und diese sind natürlich wesentlicher Bestandteil eines Gazpacho. Noch heute findet man in Andalusien Familien die von der Suppe im Plural sprechen und sie „Gazpachos“ (die Brotkrümel) nennen.
Der klassische Gazpacho hat seine Jahrhunderte alten Wurzeln in der spanischen Armenküche. Die ersten, römischen Gazpachos auf iberischem Boden enthielten, außer Gurken, vermutlich kein anderes Gemüse sondern bestanden aus Brotresten, Wasser, Öl, die mit Essig sowie Zwiebeln und Knoblauch, und gelegentlich auch mit Mandeln, verfeinert wurden. Die heutigen Zutaten Tomaten und Paprika kamen erst mit den Eroberern aus Südamerika im 16. Jahrhundert nach Spanien und wurden rasch zu Bestandteilen des neuzeitlichen Gazpacho. Demgegenüber gab es die Gurke bereits im Römischen Reich, wo man sie aus Indien kommend zuerst in Griechenland und dann im gesamten lateinischen Mittelmeerraum heimisch gemacht hatte. Bis zur Ankunft der Tomaten und Paprika aus den Kolonien waren die Gurken das häufigste Gemüse auf der Iberischen Halbinsel.
Andalusien, das einstige Armenhaus Spaniens, gilt als die Ursprungsregion des Gazpacho. In den Häfen von Sevilla oder Cádiz trafen auch die ersten Tomaten und Paprika aus der Neuen Welt ein und wurden schnell in die beliebte kalte Suppe integriert. Auch das gemeinsame Pürieren aller Inhaltsstoffe des Gazpacho war eine andalusische Erfindung, durch die sich die Geschmäcker der einzelnen Komponenten harmonisch verbinden ließen. Man hatte damals spezielle, manuell betriebene Püriergeräte für die Küche konstruiert (span: Pasapuré), heute wird dies von elektrischen Mixern bzw. Quirls erledigt. Meine Lieblingsvariante des Gazpacho ist im Grunde sehr einfach:
1 kg reife, in Viertel geschnittene Tomaten, 1 große, grüne Paprika, 1 geschälte und in Fragmente geschnittene, mittelgroße Gurke, 3 Scheiben in große Würfel geschnittenes Weißbrot, 1 gevierteilte Zwiebel, 2 geschälte Knoblauchzehen, 8 Esslöffel kaltgepresstes Olivenöl, 4 Esslöffel Sherry-Essig und einen gestrichenen Teelöffel Meersalz werden in einem entsprechenden Behälter mit einem Pürierstab homogenisiert und anschließend durch ein Küchensieb gepresst. In diesem Stadium gebe ich dann noch eine Messerspitze scharfes Chili-Pulver hinzu. Die gekühlte Suppe mit in feinem Olivenöl ausgebratenen Croutons belegen und mit gemahlenem Kreuzkümmel bestreuen. Buen provecho!
Wie ich sie gerade beschrieben habe, habe ich sie schon vielfach selbst gemacht und damit auch Gäste begeistert. Ich halte nicht sehr viel von den unendlichen Gazpacho-Variationen, die die Gastronomen landauf und landab erfinden. Anstatt der von mir bevorzugten, und vermutlich auch authentischeren, Croutons kann man in kleinste Würfel geschnittene Tomaten, Paprika, Gurken und Zwiebeln als Garnierung (span.: „guarnición“) verwenden. In der letzten Zeit hat man in der gehobenen Gastronomie begonnen den klassischen Salat als Essensbegleiter mit allerhand Früchten wie z.B. Erdbeeren, Mango, Melone oder Wassermelone zu dekorieren, bzw. zu vermengen. In ähnlicher Weise kann man selbstverständlich auch einen Gazpacho „aufpeppeln“, wenn man das Gefühl hat, dass er dessen tatsächlich bedarf. In diesem Zusammenhang muss die zunehmend populärer werdende, dickflüssige Gazpacho-Variante aus Córdoba, namens „Salmorejo cordobés“ noch erwähnt werden. Dabei handelt es sich um eine wie oben beschriebene Gazpacho mit einem höheren Brotanteil und Einlagen wie Schinken und Ei.
Für den Magen noch substantieller ist der sog. Gazpacho Manchego, aus der Region La Mancha, der eigentlich nichts mit dem andalusischen Gazpacho zu tun hat. Er ist ein sehr herzhaftes Bauern-Gericht in dem Wild des Landes wie Hase, Kaninchen, Rebhühner und Tauben Verwendung findet, das hat mit Armenküche natürlich auch nichts mehr zu tun!. Das Besondere dabei sind die „tortas cenceñas“, die als Brotersatz speziell für den Gazpacho manchego gebacken werden und in ganz Spanien sonst nicht zu finden sind. Sie ähneln den ungesäuerten Broten, den Mazzen der Juden, und lassen den sephardischen Ursprung dieses Gerichtes erahnen.
Unter den vielen Verwandten des Gazpacho andaluz ist allen voran der „Ajo Blanco“ (Weißer Knoblauch) zu erwähnen. Er ist eine kalte Suppe aus Mandelmilch mit frischem Knoblauch, Brot, Essig, Öl und Salz. Für Liebhaber des würzig-scharfen Lauches ist er geschmacklich das Non-Plus-Ultra. Leider wird aus Rücksicht auf die vielen Knoblauch-Empfindlichen manchmal mit dieser Zutat sehr gespart, so daß der „Ajo blanco“ (gelegentlich auch Gazpacho blanco genannt) mehr eine Mandelsuppe ist. Es wäre sicher nicht übertrieben zu behaupten, die Gazpacho andaluz sei zum Synonym der mediterranen Küche geworden. Gerade im Sommer, wenn die Zutaten vollreif sind, ist er außerordentlich erfrischend und bekömmlich. Gazpacho ist relativ leicht zuzubereiten und belastet das häusliche Budget nur sehr überschaubar.
Bleiben Sie stets neugierig …und genußvoll durstig!