Tortas de Aceite – eine Gaumen-Verführung aus Andalusien

6er-Packung von Tortas de Aceite Ines Rosales

Als ich Ende der 60-iger-Jahre zusammen mit meinem Freund „Ecki“ meine allererste Reise auf die Iberische Halbinsel unternahm, herrschten dort noch faschistische Diktatoren, was uns beide aber damals nur sehr wenig kümmerte. Was in der Erinnerung an diese Reise blieb, war die pittoreske Armut des Landes. Da wir kein Spanisch und so gut wie kein Spanier Deutsch oder Englisch sprachen, blieb unser Kontakt mit der Bevölkerung auf deren Beobachtung  vom Straßenrand beschränkt. Viel Geld hatten wir nicht und daher mussten wir auch an unserer Ernährung Abstriche machen. Ich hatte damals in Spanien die wunderbaren Dosen der Marke „Palacio de Oriente“ mit weißem „Bonito“, einer besonderen Thunfischart, – im Englischen „scipjack-tuna“ genannt – entdeckt und zu meinem täglichen Mahl erkoren. Daneben konnte man in kleineren „Comestibles“-Läden gelegentlich in glänzendes, fettabweisendes Papier verpackte „Tortas de Aceite“ der Ines Rosales kaufen, die den Kohlehydratanteil meiner Reisenahrung und gleichzeitig einen großartigen Nachtisch darstellten. So sind wir mit dem  roten Baedecker „Spanien“ vier Wochen in einem Fiat-„Topolino“ auf miserablen, Schlaglöcher übersähten, Straßen von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten durch das Land geholpert.

Die nachfolgenden Zeilen sind eine Huldigung an das erwähnte Gebäck, welches fraglos immer noch zu meinen ganz großen süßen Favoriten zählt. Dabei ist schon mehr als ein Jahrhundert vergangen seit die junge Ines Rosales 1910 auf ihrer „plancha“, dem typisch spanischen Brateisen, im andalusischen Dorf Castilleja de la Cuesta, vor den Toren Sevillas, die ersten „Tortas de Aceite“ aus zart mit Anis gewürztem Mürbeteig, gebacken hat. Dass daraus eine internationale Erfolgsgeschichte werden sollte, ahnte sie natürlich nicht. Als ich Bekanntschaft mit den „Tortas“ machte bekam man sie in meiner Erinnerung noch einzeln zu kaufen. Heute kommen sie in ralativ stabilen Packungen zu jeweils sechs Stück preisgünstig auf den Markt. Eine sehr aktive Vertriebsorganisation sorgt dafür, dass selbst in entlegenen Winkeln Europas niemand zu seiner Tasse Kaffee auf eine „Torta“ aus Andalusien verzichten muss. Trotzdem kann der Anblick dieser Delikatesse den Eindruck einer komplett handwerklichen Herstellung des Produktes erwecken, was mir bei den offensichtlich riesigen, hergestellten Mengen mehr als unwahrscheinlich erscheint. Der Prozess der Produktion der „Tortas“ ist im Internet fotographisch festgehalten und suggeriert, im Gegensatz zu meiner Vermutung, tatsächlich ein Stück weit Handarbeit, von ziemlich vielen weiblichen Mitarbeiterinnen durchgeführt. Schon beim Auspacken der „Torta“erreicht ein zarter Anisduft die Geruchsnerven und erinnert an die Wiesen der Sierras Andalusiens, auf denen die Anispflanze “matalahúga” ihren Duft verströmt. Der an manchen der braungebackenen Stellen auf der Oberfläche des runden Fladens, mit einem Durchmesser von ca. 12 cm, leicht kandierte Zucker glitzert verheißungsvoll. Der Geschmack wird vom Anis dominiert und ist nur sehr verhalten süß. Die Tortas enthalten Mehl. Meersalz, Anissamen, spanisches Jungfern-Olivenöl (Virgen extra), Hefe, Zucker und geschlagenes Eiweiß. Der sorgfältig zusammengestellte Teig wird in hauchdünne, runde Fladen gerollt und diese dann für ein paar Minuten im Ofen golden gebacken. Das Ergebnis sind das beliebte knusperige und knackige, sehr zerbrechliche Süßgebäck namens „Torta de Aceite de Ines Rosales“ (Öl-Kuchen der Ines Rosales). Im Mund zerfällt die gebackene Materie sehr schnell in ein geheimnisvolles Nichts.

Mittlerweile haben die „Tortas de Aceite“ der Ines Rosales Zuwachs bekommen. Der Erfolg des Originalrezeptes hat die Hersteller dazu bewogen, neben dem klassischen, leicht süßen Anisgeschmack, noch andere Geschmäcker zu produzieren. So ersetzen in einer Sorte Stücke von Orangenschalen den ursprünglichen Anis, andere, salzige Sorten enthalten dafür Meersalz und Sesam oder Thymian und Rosmarin.  Mir persönlich sind die Originale bei Weitem die liebsten, aber dies ist sicher Geschmacksache! Geschmack und Struktur der klassischen Tortas machen sie nicht nur zum Kaffee oder als Süßspeise begehrenswert, sondern auch zu Blauschimmelkäsen. Kann es etwas Schöneres geben als einen Stilton mit einem Glas Portwein und einer Torta de Aceite? Alternativ tut es zur Torta auch ein Roquefort mit einer Scheibe frischer Birne!

Bleiben Sie stets neugierig …und durstig!

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