Weinetiketten: mehr drin als drauf!

Das Flaschenetikett ist die Visitenkarte des Weins.

Damit alles seine Ordnung hat und diese auch kontrolliert werden kann benötigt unsere Gesellschaft Verordnungen. Diese sind Reglungen, die durch jeweils zuständige Verwaltungen erlassen werden. Je komplexer und detaillierter die Durchführung/Kontrolle einer Verordnung vorgeschrieben wird, desto intensiver entwickelt sich eine Bürokratie darum. Da Bürokraten meist keine poetische Ader besitzen, geben sie dem Ergebnis ihrer Beschäftigung ziemlich holprige Namen bzw. Abkürzungen. So ist z. B. die „BürstPiAusbV“ die Verordnung über die Berufsausbildung zum Bürsten- und Pinselmacher. Selbstverständlich blieb auch der Wein nicht vom Verordnungs-Furor der Beamten in Berlin und Brüssel verschont. In der LMIV (Lebensmittelinformationsverordnung) und ihrer ergänzenden „Weinbezeichnungsdurchführungsverordnung“ von 2011 wurde u. a. festgeschrieben, dass Wein ein Lebensmittel sei und somit seine Etikettierung unter die beiden genannten Verordnungen falle, allerdings mit gewissen Einschränkungen.

Wenig überraschend ist, dass folgende Angaben auf Weinetiketten verpflichtend sind: (1) es muss erkenntlich sein, dass es sich beim Flascheninhalt um Wein handelt; (2) sog. „Verarbeitungshilfstoffe“, die Allergien oder andere Unverträglichkeiten auslösen (z.B. „Sulfite“ oder eiweißhaltige Schönungsmittel) müssen genannt werden. Übrigens, wenn der Gehalt an Gesamtschwefel im Wein unter 10 mg/l liegt kann auf seine Erwähnung als Allergen verzichtet werden. (3) Name und Anschrift der Firma, Herkunftsort und -land wie (4) der Alkoholgehalt in halben %vol. abgestuft (z.B. 13,0, 13,5, 14,0 %vol.) und die (5) Füllmenge der Flasche müssen erwähnt sein. (6) Schließlich muss noch die Los-Nummer angegeben werden, dies die Nummer der Verkaufseinheit, deren einzelne Flaschen alle unter gleichen Bedingungen produziert und abgefüllt wurden. Diese Nummer wird von der Kellerei festgelegt. Anders als bei sonstigen Lebensmitteln kann,vielfach kritisiert, beim Wein auf ein Verzeichnis der Zutaten (.z.B. Weintrauben, Hefe, Zucker etc.) sowie auf die sonst erforderliche Nährwertdeklaration (z.B.kcal von  Eiweiß, Kohlehydraten, Fett, etc.) und das Mindesthaltbarkeitsdatum verzichtet werden.

Neben dem oben Genannten dürfen noch folgende, freiwillige Angaben erscheinen, die aber – falls auf dem Etikett notiert -im Kellerbuch auch dokumentiert sein müssen: der Jahrgang, gibt an in welchem Jahr die Trauben gewachsen und gelesen wurden. Mindestens 85 % der verwendeten Trauben müssen aus dem erwähnten Jahrgang stammen. Bei den Rebsorten müssen bei sortenreinem Wein ebenfalls mindestens 85 % der angegebenen Sorte vorhanden sein. In anderen Worten, jeweils 15 % eines gegebenen Weines kann mit undeklarierten Sorten  und/oder älteren Jahrgängen verschnitten sein ohne, dass dies angegeben werden muss. Schließlich können noch die zugelassenen Süßabstufungen von „trocken“ bis „süß“ genannt werden (trocken < 9 g/l, halbtrocken < 18 g/l, lieblich < 45 g/l und süß > 45g/l Restzucker). Seit 2007 ist es auch erlaubt Speiseempfehlungen und Vorschläge für die Trinktemperatur sowie zu Lagerbedingungen und den expliziten Verzicht von Zusatzstoffen aufzuführen. Einzige Bedingung dafür ist, dass die Angaben plausibel und wahrheitsgetreu sind. Im Übrigen ist in der Europäischen Union jede Sprache des jeweiligen Weinweinproduzierenden Mitgliedslandes für den Inhalt der Etiketten zugelassen. Lediglich in Deutschland und einigen anderen Ländern muss die Beschreibung der Allergene (z.B. Sulfite) in der Landesssprache erfolgen. Weniger großzügig sind die Bürokraten bei der Festlegung und Kontrolle der Schriftgröße auf den Weinetiketten gewesen. Positionen und Buchstabengrößen sind für jede Angabe in einem engen Rahmen vorgeschrieben. „Honi soit qui mal y pense“. Dies ist ein gefundenes Fressen für Bürokraten!

Puristen und Bio-Freaks sollten an diesem Punkt vielleicht nicht weiterlesen, denn neben den oben bereits erwähnten Dingen gibt es noch eine halbe Hundertschaft von Zutaten zum Wein, die nicht deklariert werden müssen und über die selbst Winzer eher ungerne sprechen. Zugegeben, etliches davon ist, nachdem es seinen Job im entstehenden Wein gemacht hat analytisch nicht mehr nachweisbar und nach dem Motto „was nicht drin ist muss auch nicht draufstehen“ verschwindet es aus dem Bewusstseins aller Beteiligten. Zunächst sind da die Enzyme zu nennen.  Dies sind Eiweiß-Moleküle, die durch ihre Aktivität als Katalysatoren biochemischer Prozesse während verschiedener Schritte der Vinifikation wirken und dadurch die Steuerbarkeit der Weinbereitung verbessern.  Siehe auch die Beiträge: „Eine Alternative zur Bierhefe…“ und „Was ein Verschwindestoff im Wein alles bewirkt…“.

Ist die Säure im Wein zu niedrig, darf sie, ohne Deklarationspflicht,  zugesetzt werden. Meistens handelt es sich dabei um Substanzen, die schon unter natürlichen Bedingungen im Wein verkommen (Wie. z.B. die Weinsäure) und daher als gesundheitlich unbedenklich gelten und nicht angegeben werden müssen. Ähnlich sind die Verhältnisse beim Entsäuern, d.h. der Entfernung überschüssiger Säure durch Kaliumtartrat bzw. Kalziumkarbonat. Die Beimengung dieser Verbindungen bewirkt, dass die Säure gebunden wird und ausfällt und danach entfernt werden kann. Auch von dieser Prozedur erfährt der Konsument nichts auf dem Etikett.

Die fehlende Deklarationspflicht von Manipulationen um Zucker und Alkohol sowie um die ganze Thematik der  Schönung haben noch keine Erwähnung gefunden, veranlassen mich aber zu der persönlichen Bemerkung, dass ein Großteil der hier behandelten „Hilfsmittel“ und Zusätze im Grunde überflüssig sind. Sie verhindern oder beheben letztlich nur Fehler, die durch mangelnde Sorgfalt oder fachliche Inkompetnz im Rebgarten oder Keller passieren und durch entsprechendes Engagement der Mitarbeiter wahrscheinlich vermeidbar wären.

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