Praktisch unverzichtbar: die Bentonit-Schönung des Weins

Für die Wein-Schönung gebrauchsfertiges Bentonit. Foto: Bernhard Schandelmaier, 2013

Die steigende Popularität des Veganismus in unserer Gesellschaft erfordert mittlerweile, sowohl in der Gastronomie als auch in Privathaushalten, immer häufiger die Verfügbarkeit von „veganen Weinen“. Der Frage nach Inhalt und Relevanz veganer Ernährung bin ich in einem früheren blog nachgegangen. Tierische Produkte werden im Verlauf der Vinifikation so gut wie ausschließlich während der Schönung des Weins eingesetzt, wobei in großem Maßstab vorwiegend Hühnereiweiß oder Gelatine zur Anwendung kamen. Nicht tierischen Ursprungs ist das Bentonit, ein sog. Tonmineral mit der Fähigkeit zur Quellung, d.h. zur temporären und reversiblen Wasseraufnahme. Sein Name leitet sich von dem ursprünglichen Fundort, dem Fort Benton im US-amerikanischen Staat Wyoming, ab. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland und anderen Ländern der Erde Bentonit-Abbau. Das Mineral ist vulkanischen Ursprungs und besteht hauptsächlich aus Aluminiumsilikaten, das sind verschiedene Salze der Kieselsäure. Bentonit ist ein zu 100 % natürliches und naturbelassenes Produkt. Nach der EU-Verordnung 606 von 2009, in der „zugelassene önologische Verfahren und Behandlungen“ beschrieben werden, ist die Verwendung von Bentonit als Stoff zur Klärung und Eiweißstabilisierung genehmigt.

Die Wirkung des Bentonits beruht auf seinem Quellvermögen, welches die Fähigkeit ausmacht positiv geladene Kolloide, das sind feine Suspensionen von Feststoffen (z. B. Eiweiß oder auch sog. Polysaccharide, d.h. Vielfachzucker), zu binden. Bentonit weist ein mikroporöses Gerüst auf, d.h. eine Struktur mit Hohlräumen, vergleichbar einem mineralischen Schwamm. Durch die zahlreichen Poren und Kanäle verfügt die Substanz über eine enorm große innere Oberfläche und kann Moleküle adsorbieren, die einen kleineren Durchmesser besitzen als die Porenöffnungen. Diese nach der Aufnahme dann schwereren Teilchen sinken in der Flüssigkeit auf den Boden und können durch Abstich entfernt werden. Damit ist das Prinzip der Bentonit-Schönung bereits beschrieben! Es gibt hochquellfähige (z. B. das Natriumbentonit) und niederquellfähige Bentonite (z. B. Calciumbentonit). Durch die Anwendung von Mischbentoniten (Na-Ca-Bentonite) für die Schönung können die Vor- und Nachteile der jeweiligen Bentonittypen ausgeglichen werden.

In welchem Stadium des Ausbaus von Wein, soll oder kann mit Bentonit „geschönt“ werden? Es bieten sich drei Zeitpunkte an: (1) die Schönung des Mostes vor der Gärung, (2) die Schönung des Jungweins und (3) die Schönung des Weins vor der Flaschenfüllung. Zu jedem der genannten Zeitpunkte kann das Ergebnis der Bentonit-Behandlung für die Sensorik des Weins ein anderes sein. Bei der Mostschönung eliminiert man, neben den genannten Kolloiden, auch Aminosäuren und Gerbstoffe. Aminosäuren sind als Bausteine von Proteinen wichtige Nährstoffe auch für die Gärhefen und sogar Geschmacksträger im späteren Wein, da sie den Geschmack von Reife vermitteln. Bei etwas älteren Weinen würde die Bentonit-Schönung einen regelrechten Stress verursachen, von dem der Wein sich meist nicht mehr erholen kann. Er wirkt dann im Duft und Geschmack „ausgelaugt und kraftlos“. Ganz junge Weine vertragen die Schönung wesentlich besser: neben den Trubstoffen können sogar sensorische Fehler beseitigt werden. Bei Rotweinen werden auch biogene Amine (z.B. Histamin!) an das Bentonit adsorbiert. Aus dem Obigen leitet sich die Empfehlung fast aller Weinmacher ab, die Bentonit-Schönung, wenn sie überhaupt gewünscht wird, im Stadium des Jungweins durchzuführen.

Die Schönung als Methode im Weinausbau ist schon seit dem Altertum bekannt. Die ersten Versuche zur Klärung junger Weine wurden mit einer Art Filtrationstechnik begonnen, wobei der Wein durch Leinentücher oder Jutesäcke gegossen wurde. Die Römer benutzten als erste auch Eiweiß zur Schönung. Im Mittelalter kamen dann Hausenblase (die getrocknete Schwimmblase des Hausen = Beluga-Störs, heute aus Artenschutzgründen obsolet!) und Milch (eiweißhaltig!) dazu. Kaiser Karl der Große (747 oder 748 – 814), dem der Rebbau und das Weinmachen in seinem Frankenlande sehr am Herzen lagen, erstellte die ersten Regularien zur Weinherstellung, in der sich auch Anweisungen zum Weinschönen befanden. Die Endeckung des Bentonits geht auf die Zeit um 1890 zurück. Wie alles beim Weinmachen ist auch die Schönung, ob durch Bentonit oder ein anderes Mittel, eine Sache der Erfahrung. Es kann Etliches schief gehen: bei zu viel Schönung verliert der Wein Farbe und Gerbstoffe, Frische und Aromatik und wird belanglos, bei zu wenig ist er weder mikrobiologisch stabil noch  optisch einigermaßen klar und kann im Geschmack stumpf wirken.

Abschließend möchte ich noch einen völlig anderen Aspekt des Bentonits erwähnen, nämlich seine Anwendung als „Heilerde“ und ihren Gebrauch in der Humanmedizin. Alleine die Tatsache der sehr breiten medizinischen Anwendung lässt den naheliegenden Schluss zu, dass Bentonit im Prozess der Vinifikation toxikologisch unbedenklich ist, zumal es ja auch letztendlich wieder aus dem Wein entfernt wird. Das zu Steinmehl gemahlene Pulver wird in der Heilkunde oral als Aufschwemmung angewandt. Direkt nach der Anwendung soll es Schwermetalle und Schadstoffe im Darm binden und damit ihren Übertritt ins Blut verhindern. Außerdem wird eine ausgeprägte Schutzwirkung auf die Darmschleimhaut angenommen. Es gibt noch eine Vielzahl anderer Indikationen, bei denen die Heilerde als wirksam beschrieben wurde. Diese große Menge an Wirksamkeiten im Zusammenhang mit den geringen Nebenwirkungen und wenigen, publizierten klinischen Studien, geben zu der Vermutung Anlass, dass es sich bei Bentonit in der Medizin eher um ein esoterisches Heilmittel als um ein echtes Arzneimittel handelt.

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