Die Rioja: Wein am Jakobsweg

Wegweiser am Camino de Santiago in der Rioja (Pixabay)

Weintourismus in der Rioja ist auch eine Pilgerreise zur Kultur dieser Region. Die önologische Geschichte der Rioja wurde von den großen Ereignissen der „Reconquista“, der Wiedereroberung des maurischen  Spaniens durch die nördlichen christliches Königreiche, maßgebend beeinflusst. Im Jahre 1076 wurde das Gebiet der heutigen Rioja von König Alfons VI von Kastilien besetzt. Damit begann ein neues Kapitel in der Geschichte der Rioja: die Region gewann nach vielen Jahrhunderten der relativen Isolation wieder Anschluss an die Außenwelt. Bewirkt hatte dies maßgeblich die in ganz Europa im 9. Jahrhundert erwachende Verehrung des Heiligen Jakobus des Älteren, des „Santiago“, wie ihn die Spanier nannten.  Geführt von Lichterscheinungen hatten fromme Männer auf dem „campus stellae“ (lat.: das Sternenfeld, davon abgeleitet span: Compostela), am äußersten Ende der kantabrischen Küste, das Grab des Apostels Jakobus gefunden. An diesem Ort wurde „Santiago de Compostela“ gegründet. Der Inhalt der Jakobus-Legende wurde im Laufe der Jahre weiter ausgeschmückt. Man wusste von unerhörten Wundern zu berichten und eine ständig wachsende Zahl von Menschen kamen aus allen Teilen Nordeuropas in den Nordwesten Spaniens. Entlang des „Jakobsweges“ (Camino de Santiago), pilgerten Tausende und Abertausende und als Erkennungszeichen trugen sie die berühmte „Jakobsmuschel“ am Gewand. Dieser Jakobsweg hieß im Spanischen auch „La Calzada“ (die Pflasterstrasse); er führte quer durch die Rioja an Logroño und Nájera vorbei, nach Burgos.

Der später wegen seiner fürsorglichen Taten für die Pilger heiliggesprochene Dominikus „von der Straße“ (Santo Domingo de la Calzada), der der Namensgeber der heute gleichnamigen Stadt am Oberlauf des Rio Oja wurde, ließ Brücken über die Najerilla und Oja bauen, kümmerte sich um die Befestigung des Jakobsweges in diesem Bereich und errichtete schließlich ein Hospital für die Pilger. Dieses existiert noch heute als „Parador Nacional“, einem unter staatlicher Regie geführten Hotel in Santo Domingo de la Calzada.

Mit Santo Domingo ist eine erbauliche Geschichte verbunden, der sich kein Besucher des Städtchens entziehen kann. In der Kathedrale entdeckt man, gegenüber dem prächtigen Grabmal des Heiligen eine Kuriosität: einen kunstvoll verzierten Hühnerkäfig, in dem für gewöhnlich sogar ein von frommen Bauern gestifteter Hahn und eine Henne sitzen, die aus voller Brust krähen und gackern. Die dazu gehörende Legende berichtet von einer Familie, Vater, Mutter und Sohn aus dem Rheinischen, die auf ihrer Pilgerreise in der Herberge Station machte. Die Tochter des Wirtes verliebte sich augenblicklich in den jungen Mann, der all ihren Annäherungsversuchen tapfer Widerstand leistete. Aus Ärger darüber packte die liebestolle Wirtstochter ihm heimlich einen silbernen Becher in seinen Pilgersack und als er das Haus am nächsten Morgen wieder verließ wurden alsbald Häscher ausgesandt um den vermeintlichen Dieb zu stellen. Nach kurzem Prozess sollte er für seine Tat gehängt werden. Santo Domingo, dem ja die Unschuld und Keuschheit des Burschen bekannt war, hielt ihm die Hände unter die Füße. Als die Eltern sahen, dass ihr Sohn am Galgen noch lebte baten sie den Richter ihn abschneiden und mitnehmen zu dürfen. Der Rechtshüter aber hatte sich gerade zu Tisch begeben und war im Begriffe ein mittelalterlich opulentes Mahl in Form eines gebratenen Hahnes und einer Henne zu verzehren. Mürrisch entgegnete er: „Euer Sohn ist so mausetot wie diese Hähnchen hier“. Im gleichen Augenblick wuchsen den beiden gebratenen Tieren Flügel und sie flatterten davon. Man kann sich vorstellen, dass der Richter den Gehenkten sofort freigab.

Diese Geschichte ist im Zusammenhang mit der Weinkultur der Rioja aufschlussreich, denn sie zeigt, dass auf  jenem „Jakobsweg“ Menschen aus allen Teilen Europas durch das Ebro-Tal wanderten, mit denen auch Händler und Emigranten kamen. Insbesondere aus dem nördlichen Nachbarland Frankreich siedelten sie sich entlang des Jakobsweges, der gelegentlich sogar „camino francés“ (französicher Weg) genannt wurde, an und noch heute kann man in Logroño, der Hauptstadt der Region im „Barrio de Francos“ (dem Franzosenviertel) einige Häuser aus jener Zeit bewundern. Mit ihnen ist auch erstmals französische Weinkultur in die Rioja gekommen. Einer der Ausgangsorte des „Jakobsweges“ lag ja in Saint Emilion und ein anderer im Rhône-Tal. Die Benediktiner aus dem burgundischen Cluny, deren Weinverstand auch damals schon sprichwörtlich war, haben sich entlang des Jakobsweges niedergelassen und ein ganzes Netz von Kirchen, Spitälern und Herbergen für die Pilger nach Santiago de Compostela errichtet. Auch andere kirchliche Orden, allen voran die Zisterzienser, sind in die wieder christlich gewordenen Gebiete der Rioja vorgedrungen und bauten dort ihre Klöster. Meist haben sie abgeschiedene Orte, irgendwo in den nördlichen oder südlichen Anhöhen des Ebro-Tals gesucht.

Der Wein spielt bekanntlich eine wichtige Rolle beim Ritual der Kirche, daher ist es nicht verwunderlich, dass die erwähnten Klöster begannen Weinbau zu betreiben. Zunächst war das Ziel Messwein für den eigenen Bedarf herzustellen, aber schon bald wurden daraus kleine, klostereigene Winzerbetriebe, die ihre Weine auch verkauften. Einige Klöster, wie z.B. San Millán de la Cogolla („Escorial der Rioja“ ) haben sich ganz besonders verdient um den Aufbau der Weinkultur in der Rioja gemacht.

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