Mozart und meine „Freude“ am Champagner

Max Slevogt: Die Champagnerarie mit Francisco d´Andrade als Don Giovanni (Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Sylvester war für mich mal wieder Anlass eine Flasche Cava zu entkorken um auf das Neue Jahr 2021 anzustoßen. Früher einmal war ich ein großer Fan dieses Getränks und habe es sogar, wie in Katalonien so beliebt, als Essensbegleiter verehrt. Im Laufe der Jahre haben sich meine Geschmackssinne und deren Verknüpfungen im Gehirn vermutlich so verändert, dass mir Schaumweine nicht mehr viel zu sagen haben. Es ist nicht lange her, als ich auf einem Empfang ein Glas Champagner in die Hand gedrückt bekam und mich nach dem ersten Schluck verwundert fragte: was für ein langweiliges „Prickelwasser“ das denn sei? Um mich herum wurde dagegen ein Diskurs über Finesse, Perlage, Aroma, Cremigkeit, Frische und Harmonie initiiert, dem ich nur bedingt folgen konnte. Mein erster Gedanke dazu war: typisch Champagner, mehr Schein als Sein! Die begnadeten Marketingexperten zwischen Épernay und Reims haben um den auf Flaschen gezogenen Fehler eines Kellermeisters ein Image aufgebaut, dem Kaiser, Könige und Zaren sowie deren adeliges Fußvolk, in ganz Europa mit Begeisterung auf den Leim gegangen sind. Erfolg wird immer plagiiert und so haben clevere Unternehmer die Welt mit prickelndem Sekt, Cava, Spumante, Crémant und Ähnlichem beglückt, dabei haben sie nicht vergessen ihrem jeweiligen Getränk die magischen Kräfte des Vorbilds, nämlich ein Luxusgut zu ein, anzudichten, dessen Bedeutung für Feiern im großen oder kleinen Kreise nicht überschätzt werden kann. Überall erreichen Geburtstage, Jubiläen und der Jahreswechsel durch das Knallen der Korken erst ihren Höhepunkt. Der Schaumwein ist zum Gaumenfetisch einer hedonistischen Gesellschaft geworden! Karl Marx hat dies in seinem Buch „Das Kapital“, natürlich ohne direkten Bezug auf den Schaumwein, „Warenfetischismus“ genannt.

Bei der Beurteilung des Trinkvergnügens verschiedener Schaumweine muss es, wie bei jeder Verkostung, sehr subjektiv zugehen und daher ist das Folgende nur als persönliche Meinung und nicht als Empfehlung für irgendjemand anderen gedacht. Zu allererst muss ich klarstellen, dass ich eigentlich sehr  gerne Schaumwein trinke, allerdings nicht aus diesen „Flöten“, die im gefüllten Zustand beim zartesten Berühren die Tendenz zum Umfallen haben. Die Kohlensäure kann sich in der schmalen Öffnung dieser Gläser erheblich konzentrieren und beim Trinken die Nase gleichsam anästhesieren, d.h. betäuben und unempfindlich für Gerüche machen. Große, offene Kelche dagegen, sorgen für eine breite Verteilung des Gases. Es sind ja gerade die „bubbles“ (Bläschen) dieser gasförmigen, gelösten Kohlensäure,  die am Gaumen und auf der Zunge immer für Freude, Frohsinn und gute Laune sorgen! Aber – das ganz große Aber – aus schlechtem Wein können auch „bubbles“ keinen guten machen. Ich habe in mehreren Schaumweinproduziernden Regionen die Grundweine des späteren Getränks probiert – meist unter verzweifelten Versuchen der Produzenten dies zu verhindern – und muss sagen, dass ich selten etwas Scheußlicheres getrunken habe. Damals habe ich verstanden warum die „Versand-Dosage (Liqueur d´expédition)“ so wichtig ist um den Geruch und den Geschmack des „bubble“-Weins aufzupeppen. Im Gegensatz dazu ist mancher „Brut nature“ oder „Zero dosage“ so untrinkbar geblieben wie sein Grundwein, trotzdem werden diese Schäumer von manchen ihrer Liebhaber wie Götzen verehrt.

Ich bin versucht alle negativen Erkenntisse zu Schaumweinen über Bord zu werfen, wenn ich daran denke, dass eine der schönsten und schmissigsten Arien der gesamten Opernliteratur diesem Getränk gewidmet ist: Mozarts Champagnerarie aus „Don Giovanni“! Sie spiegelt die Ausgelassenheit und Lebensfreude der Hauptfigur wie auch die des Komponisten und man sieht geradezu die  „bubbles“ im Glase vor sich aufsteigen. Don Giovanni befiehlt hier seinem Diener Leporello, ein rauschendes Fest auszurichten und beschreibt dabei, mit der Kürze und der Intensität Mozartscher Tondichtung, das kommende Fest mit seinem erotischen Treiben. Das Libretto stammt von Lorenzo Da Ponte (1749 – 1838) dessen Text der „Champagnerarie“ im Original folgendermaßen beginnt “Fin ch’han dal vino / calda la testa / una gran festa / fa preparar!“ (übersetzt etwa: Damit ihnen vom Wein der Kopf heiß wird, lass ein großes Fest vorbereiten!). Welch große Überraschung, es ist überhaupt nicht vom Champagner die Rede sondern vom Wein! Vermutlich hat der erste Übersetzer Da Pontes, der diesen deutschen Text zu den Noten Mozarts zusammengeschustert hat: „Treibt der Champagner das Blut erst im Kreise, dann gibt’s ein Leben herrlich und hehr!“ den Mythos von der Champagnerarie begründet. Heute singt man die Arie in einer neueren Version („Jetzt, da der Wein ihre Köpfe in Taumel versetzt hat, geh und bereite ein herrliches Fest“). Champagner wurde zu Mozarts und Da Pontes Zeit reichlich konsumiert. Hätten die beiden ihren Don Giovanni ihn tatsächlich trinken lassen wollen, hätten sie es problemlos im Text tun können. Aber sie gaben dem Wein den Vorzug und machten diesem damit das schönste Kompliment! Der deutsche Maler Max Slevogt (1868 – 1932 ) hat auf  seinem berühmten Bild von 1902 dem Sänger Francisco d´Andrade (1859 – 1921),  der als Don Giovanni mit Grandezza ein Champagnerglas hochhält,  ein künstlerisches Denkmal gesetzt …und das Glas war eine Tulpe!

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