Wein und Schlaf

Nachteule. Ausschnitt aus einem Foto von Syaibatul Hamdi auf Pixabay

 

Schon in der Kindheit hätte ich gerne gewusst, was eigentlich während meines Schlafes mit mir passiert. War ich dann für eine Nacht tot? Der Schlaf blieb ein ganzes Leben lang ein Mysterium welches sich mir in seinem Wesen nie wirklich offenbarte. Ich habe schon sehr früh bemerkt, dass es unendlich viele Hilfsmittel für den Schlaf gab: Betten, Matratzen, Kissen, Decken, Plumeaus, Pyjamas, Schlafanzüge, Nachthemden Schlafmützen und Wecker. Das alles zeigte mir, dass offenbar sehr viele Menschen auch schliefen und sich, wie ich mich selbst, jeden Abend intensiv und individuell darauf vorbereiteten. Zwar gingen die Eltern anscheinend abends nie ins Bett, aber am Morgen lagen sie trotzdem darin, also schliefen sie irgendwie auch! Mittlerweile weiß ich sogar, dass es Schlafforscher gibt, die das Phänomen des Schlafes wissenschaftlich ergründen wollen. Von der Lüftung des großen Geheimnisses sind sie allerdings noch sehr, sehr weit entfernt – wie ich herausgefunden habe. Immerhin beschreiben kann man den Schlaf mit ihrer Hilfe mittlerweile sehr präzise: Die Forscher haben fünf Phasen identifiziert, die sich in ihrer Länge unterscheiden und den Schläfer mit unterschiedlicher Intensität durch die Nacht begleiten.

Die erste Phase (1) ist kurz, sie stellt ungefähr 5 % der gesamten Schlafdauer dar und beinhaltet ein langsames Erschlaffen der Muskeln. Die dann folgende zweite Phase (2) macht schon die Hälfte der Schlafdauer aus und geht mit der Verlangsamung der Atemfrequenz  und des Herzschlages sowie der Erniedrigung der Körpertemperatur einher. Die dritte Phase (3), der Übergang zum Tiefschlaf, dauert auch nur 5 % der Gesamtzeit und zeichnet sich durch das Nachlassen der Gehirnaktivität aus. Dann folgt die vierte Phase (4), der eigentliche Tiefschlaf, der zeitlich etwa 15 % der gesamten Schlafdauer ausmacht. In der letzten, der fünften Phase (5) beginnt die Hirnaktivität wieder, die Herzrate,  der Muskeltonus, Blutdruck und Puls steigen, dazu bewegen sich die Augäpfel bei geschlossenen Lidern schnell. Wir sind jetzt in der Traumphase, die 20- 25 % des jeweiligen Schlafgeschehens dauert. Spezifische Veränderungen im EEG (Elektroencephalogramm) deuten auf das Träumen. Man nennt diesen Schlafabschnitt auch den „REM-Schlaf“  (vom englischen Rapid Eye Movement). Das Ganze kompliziert sich weiter, weil eine Nacht in fünf verschiedene Schlafstadien eingeteilt werden kann, die sich in ihrem Phasenablauf ähneln, d.h. nach kurzem Aufwachen beginnt wieder die Phase 1, gefolgt von der Phase 2 u.s.w. Das alles kann sich in etwa 90-minütigen Abständen bis zu fünf Mal pro Nacht wiederholen.

Nach einer Untersuchung des Verlages „Stiftung Warentest“ werden etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung mehr oder weniger regelmäßig von Schlafstörungen heimgesucht. Nutznießer dieser Umstände sind die Apotheken, die weit über 200 Mio Euro im Jahr mit rezeptfreien Schlafmitteln, wie Tees, Naturheilmitteln, Diätetika und alternativen Medikamenten umsetzen. Weinfreunde weisen diese Art pharmakologischer Beeinflussung ihrer Schlafgewohnheiten meist weit von sich und behaupten, dass ihnen der abendliche Schlaftrunk die nötige „Bettschwere“ gäbe. Da ist auch etwas dran! Aber eben nur „etwas“, denn wie die Schlafforscher in ihren Schlaflaboratorien zeigen konnten, fördert eine kleine Menge Wein zwar die erste Phase, das Einschlafen, indem der Alkohol die Tätigkeit des Gehirns herabsetzt und den Tagesstress langsam vergessen macht. Das kostet aber seinen Preis, denn Alkohol wird nur langsam abgebaut: sein Blutspiegel sinkt um etwa 0,1 bis 0,2 Promille pro Stunde, d.h. in den übrigen Phasen (Phase 2 – 5) des Schlafes ist, je nach Ausgangswert, noch ausreichend Alkohol vorhanden um Störungen zu verursachen. Das geschieht sehr ausgiebig, so kann z. B. der Anteil der für einen erholsamen Schlaf wichtigen REM-Phase deutlich geringer werden. Ohne ins Detail zu gehen, möchte ich die heutigen Erkenntnisse der „Somnologie“ (Schlafmedizin) bezüglich der Alkoholwirkung auf den Schlaf folgendermaßen zusammenfassen (Unterschiede für die Form des konsumierten Alkohols, z.B. Bier, Wein oder Schnaps, sind bisher nicht nachgewiesen worden): Alkohol fördert das initiale Einschlafen führt aber, dosisabhängig zu teilweise schweren Durchschlafstörungen. Die gesamte Schlafzeit verkürzt sich und die Qualität des Schlafes verschlechtert sich. Der Schlaf wird unruhig, man wacht häufiger auf. Die diuretische (harnfördernde) Wirkung von Alkohol bewirkt zusätzlich einen vermehrten Drang auf die Toilette gehen zu müssen und der Flüssigkeitsverlust verursacht dann seinerseits den typischen Durst („Brand“) nach übermäßigem Alkoholgenuss. Daraus ergibt sich ganz zwangsläufig, dass die Bekämpfung von Schlafstörungen mit vermehrtem Konsum von Alkohol absolut abwegig ist.

Dauerhafter Schlafmangel hat teilweise erhebliche Konsequenzen auf die Gesundheit und anhaltende Schlafstörungen können ein Risikofaktor für Diabetes, Immunstörungen und psychiatrische Erkrankungen, wie Depressionen, sein. Auf die Frage wie hoch denn die täglich Schlafdosis sein müsse, gibt es so viele Antworten wie Menschen, die diese Frage stellen. Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass der Schlafbedarf, der im Mittel zwischen 7 und 8 Stunden beträgt und bei älteren Menschen deutlich weniger ist, genetisch bedingt und folglich bei jedem Menschen etwas anders ist. Die Mauren in al-Andalus feierten ihre Feste, bei denen der Wein entgegen dem islamischen Alkoholverbot, in großen Mengen floss, mit gutem Grund immer mittags – damit sie nächtens gut schlafen konnten – und viele Spanier machen es sonntags in dieser Tradition heute noch genauso!

Bleiben Sie stets neugierig… und durstig!

Empfehlen Sie uns weiter - würde uns freuen!

Diskussion geschlossen.