Der große spanische Maler des Barock, Bartolomé Esteban Murillo, wurde 1618 in Sevilla geboren. Anlässlich seines 400sten Geburtstages hat man in seiner Geburtsstadt in den Sälen der von ihm selbst mitgegründeten Akademie der Schönen Künste (Real Academia de Bellas Artes de Santa Isabel de Hungría) eine repräsentative Ausstellung seiner Werke gezeigt. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um die Darstellungen religiöser Sujets, die aber in zeitgenössische Alltagssituationen projiziert waren. Daher entpuppte sich die ganze Ausstellung als eine faszinierende Schau des barocken Lebens in der Stadt Sevilla, die zu Murillos Zeiten eines der führenden Handelszentren der iberischen Halbinsel war. Die engen Verbindungen der andalusischen Stadt zu den amerikanischen Kolonien sorgten damals dort für eine weltoffene und stimulierend kosmopolitische Atmosphäre.
Dass auch Luxus und Wohlstand Bestandteil dieser Gesellschaft waren, zeigte Murillos Bild „die Hochzeit zu Kana“ (Joh.2,1-12). Der Inhalt dieser Geschichte aus dem Neuen Testament ist schnell zusammengefasst: Auf dem Hochzeitsfest eines begüterten Paares geht auf dem Höhepunkt der Feier der Wein aus. Maria, die Mutter von Jesus, fordert ihren Sohn auf etwas dagegen zu unternehmen, nach anfänglicher Weigerung bittet Jesus schließlich sechs große Karaffen mit Wasser aufzufüllen. Als der Wirt den Inhalt probiert muss er erkennen, dass es ganz hervorragender Wein war, besser als alles was vorher angeboten wurde. Dieses „Weinwunder“ diente den Christenmenschen seit jeher als konkreter Hinweis auf die Gottgefälligkeit des Weingenusses.
Unter den Genrebildern Murillos nimmt die „Hochzeit“ eine Sonderstellung ein, denn sie zeigt mehr Menschen gleichzeitig auf der Leinwand als irgendein anderes Bild des Malers. Der gehobene soziale Status der Hochzeitsgäste ist nicht schwer zu erkennen, ebenso wie die Farbe des Inhaltes der Weingläser auf dem Tisch und des Weines in den Karaffen. Es handelt sich fraglos um strohfarbigen Weißwein. Die Form der Steingutbehälter, in denen er sich befindet ist übrigens auch heute noch sehr typisch für das Töpferhandwerk in der gesamten west-andalusischen Region.
In Spanien und ganz Südeuropa waren seit Beginn der Weinkultur infolge der Kolonisation durch die Phönizier rote Trauben vorherrschend, fast immer allerdings in sog. „gemischten Sätzen“, d.h. in einer Mischung mit weißen Trauben. Wegen der hohen Polyphenol-Konzentration in den Trauben durch die intensive Sonneneinstrahlung war die Farbe des Weins so gut wie immer tief rot, selbst bei hohen Anteilen weißer Sorten. Als Karl I. von Habsburg (= Kaiser Karl V. des Heiligen Römischen Reichs) 1516 König von Spanien wurde sprach er kein Wort spanisch, denn er war ja in den burgundischen Niederlanden geboren und aufgewachsen. 1522 siedelte er nach Spanien über, wo er sich seine europäische Machtbasis aufbaute. Dazu benötigte er Vertrauenspersonen, mit denen er in seiner eigenen Sprache kommunizieren konnte.
So kamen viele Beamte und Fachleute aller Art aus den Niederlanden nach Spanien und ließen sich dort nieder. Die Weinfreunde dieses „importierten“ Hofstaates waren gewohnt Weißwein vom Rhein oder aus Burgund zu trinken und wollten darauf auch in ihrer neuen Heimat nicht verzichten. So begannen die einheimischen Weinbauern sich in Spanien den weißen Reben zuzuwenden und sie nach den damaligen technischen Möglichkeiten zu vinifizieren. Damals wurde der Grundstein gelegt für die Jahrhunderte lange Dominanz der Weißweine in Spanien. König Carlos I, wie er sich in seinem Spanischen Reich nannte, hatte selbst keinerlei Interesse am Wein. Er war ein überzeugter Biertrinker und hat sich sogar in seinem letzten Wohnsitz, dem Hieronymiten-Kloster in Yuste (Extremadura), wo er sich nach der Abdankung bis zu seinem Tod 1558 aufhielt, eine Brauerei einrichten lassen.
Ich finde es immer wieder begeisternd wie sich Kunst und Geschichte ergänzen können. Gerade die Malerei, aber auch bis zu einem gewissen Grade die Musik, geben häufig ein sehr authentisches Bild von der Lebenswirklichkeit und den Emotionen einer Epoche. Zu versuchen dies nachzuempfinden kann eine neue Dimension auch beim Verständnis des heutigen Zeitgeistes erschließen. Obwohl Murillo seine Heimat in Sevilla nur sehr selten verlassen hat und er eher wenig Kontakt mit anderen kulturellen Strömungen hatte, werden seine Bilder universell verstanden.
Bleiben Sie stets neugierig… und durstig!