Von uns Menschen wissen wir nur zu genau, dass die Bedeutung des Trinkens und auch des Essens weit über die Bereitstellung von Nährstoffen für den täglichen Kalorienbedarf hinaus geht. Essen und Trinken sind wesentliche Bestandteile der Lebensfreude und des Genusses. Beinahe so alt wie die Menschheit selbst ist die Erkenntnis, das zucker- oder stärkehaltige Flüssigkeiten bei warmer Temperatur vergären können und danach noch höheren Lustgewinn erzeugen. Bei exzessivem Genuss alkoholischer Getränke entstehen Rauschzustände, die die Konsumenten „angeheitert, torkelnd und kommunikativ“ erscheinen lassen. Wir glauben vielfach, dass diese Alkohol-bedingten Rauschzustände etwas sehr spezifisch Menschliches seien und, dass komplette Nüchternheit nur bei Tieren vorkommen würde.
Dass dies mitnichten so ist zeigen zwei willkürlich ausgewählte Beispiele:
Manche Vögel lieben den Traubenmost – sowohl in seinem fruchtigen Original, wie in seinem vergorenen Zustand. So sehr, dass Schwärme von Vögeln im Herbst die Trauben ganzer Weinberge gierig in ihren Schnäbeln verschwinden und die Weinbauern ohne Ernte dastehen lassen. Als Ergebnis von Gärprozessen finden sich Spuren von Alkohol praktisch immer bereits in den reifen Trauben und zeigen damit den Vögeln an, dass die Beeren zum Verzehr geeignet sind. Sie benötigen in ihrer Nase das biologische „o.k.” des vergorenen Mostes um sich dem Genuss hingeben zu können. Als Beispiel kann der „Vogel des Jahres 2018“ in Neuseeland, die Maori-Taube, dienen. Sie hängt nach dem Genuss gärender Weinbeeren berauscht an den Bäumen. Wir müssen also annehmen, dass auch Vögel durchaus eine Beziehung zum Wein entwickelt haben.
Ein weiteres Beispiel aus der Zoologie sind die afrikanischen Elefanten, die nach dem Genuss reifer Früchte vom Marula-Baum (auch Elefanten-Baum genannt) ein regelrechtes Dionysos-Fest feiern: sie trompeten lautstark, hüpfen in die Luft und streiten sich häufig, was in richtige Kämpfe ausarten kann. Elefanten scheinen in Bezug auf ihre Vorliebe für Alkohol ganz besondere Tiere zu sein. Es wurde sogar von Attacken auf Destillerien in kleinen indischen Städten durch die Elephanten berichtet. Regional kursieren auch glaubwürdige Geschichten von betrunkenen Affen und Ziegen. Wir sehen also, dass der Alkoholrausch nichts spezifisch Humanes ist, sondern in der biologischen Evolution schon sehr früh angelegt worden sein muss. Ist die Fähigkeit zum Alkoholkonsum möglicherweise ein Selektionsmerkmal in der Evolution des Menschen? Selbst wenn die Menschen vielleicht öfter benebelt waren, könnten sie auf Grund der gesundheitsfördernden Effekte nach dem Konsum niederer Alkoholmengen, länger leben und sich wegen höherer sexueller Appetenz auch mit größerem Erfolg fortpflanzen. Die vererbte Existenz eines spezifischen Enzyms, welches den Abbau von Alkohol im Blut von Säugetieren bewirkt, die sog. Alkoholdehydrogenase (ADH), ist ein weiterer Hinweis auf die biologische Bedeutung des Alkohols bei Mensch und Tier. Ob das Rauschverlangen tatsächlich ein zusätzlicher Beweis für die Deszendenztheorie (Abstammungslehre) à la Charles Darwin ist, ist zumindest diskussionswürdig.
Kürzlich wurde im ZDF eine Nachricht verbreitet (am 31.03.2019 in der Sendung „Wissen / Terra Xpress“), die mich aufhorchen ließ, weil sie den hier diskutierten Tatbestand alkoholisierter Tiere weiter beleuchtet: Eine Katze war versehentlich in einen Weinkeller eingesperrt worden. Sie überlebte die sieben Wochen bis man sie schließlich fand, indem sie Weinflaschen vom Regal schob bis sie zu Boden fielen. Dann schleckte sie die Flüssigkeit auf und entkam so dem sonst sicheren Verdursten. Als man sie befreite, hatte sie zwar eine Alkoholvergiftung, war aber nach ein paar Tagen wieder völlig fit. Ob sie den Wein unter den gegebenen Umständen wirklich genießen konnte ist mehr als fraglich!
Zweifelsfrei ist das Bedürfnis nach Alkoholrausch ein Phänomen unserer Biologie und wir sollten offen genug sein dazu zu stehen. Institutionen, die glauben hier regulierend eingreifen zu müssen, sollten wir eine klare Absage erteilen. Das Risiko Alkohol kann der Mensch sehr wohl in Eigenverantwortung abschätzen und auf sich nehmen.
Bleiben Sie stets neugierig und… durstig!