Kritische Sicht auf Champagner & Co.

Lasst den Korken knallen!

Lasst den Korken knallen!

Was ich schon immer von mir geben wollte, aber mich nie getraut habe laut zu sagen: ich mag den Champagner nicht! Das ruft bei fast allen Weinfreunden Unverständnis hervor, welches sich gelegentlich bis zur Empörung steigert. Dabei gibt viele Gründe, die dafür sprechen könnten, dass ich recht habe und die fangen schon mit seiner Geschichte an: Den Mönch Dom Perignon der den Champagner angeblich erfunden und dabei ausgerufen haben soll, er trinke gerade Sterne, gab es nie in dieser Rolle. Er ist, wie so vieles in unserer Vergangenheit, eine Geschichtsklitterung, die das im 18. Jahrhundert  erwachende PR-Bewusstsein der Champagnerhersteller frei erfunden hatte um ihrem Produkt eine historische Dimension zu geben. Die Wirklichkeit ist sicher viel banaler und ich stelle sie mir so vor: ein Weinbauer in der Champagne hatte einst das Glück, dass ihm eine seiner abgefüllten Weinflaschen im Keller nicht explodierte. Er öffnete sie und fand darin gelöste Kohlensäure von der Nachgärung. Dass er unsauber gearbeitet haben könnte, kam ihm nicht in den Sinn und seine Frau, die es nicht abwarten konnte den neuen Wein zu verkosten, fand das trübe Gebräu mit den Bläschen von der Flaschengärung sehr attraktiv, zumal noch genügend Restsüße zurückgeblieben war. Da hatte der Vorfahre der Witwe Klicko (frei nach Wilhelm Busch!) eine zündende Idee…

Er legte den Grundstock für einen der größten, über ein Jahrhundert dauernden Werbefeldzug der rapide wachsenden Champagner-Industrie. Weil zunächst viel Handarbeit für seine Herstellung erforderlich war, kostete eine Flasche Champagner richtig Geld. Das gefiel den Fürsten und königlichen Hoheiten in ganz Europa und sie begannen – begünstigt von der politischen Situation nach dem Wiener Kongress – allenthalben Champagner zu schlürfen. Dieses Verhalten führte direkt in die Zeit der sog. „Belle Epoque“, in der Genuß und Lebenslust vorherrschender Zeitgeist war. Die cleveren Werber machten sich  daran Künstler wie Henri Toulouse-Lautrec oder Alfons Mucha einzuspannen, die ihnen attraktive Plakate entwarfen. Nur die Erfindung von Coca-Cola im Jahre 1886 hat eine ähnlich dauerhaft aggressive und erfolgreiche Werbekampagne ausgelöst.

Aus soziologischer Sicht waren Frauen Jahrhunderte vom Weingenuss mehr oder weniger ausgeschlossen – Wein war Männersache. Das änderte sich drastisch mit dem Aufkommenm des Champagner. Frauen, wie die Witwen Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin oder Louise Pommery, waren die gefeierten Herrinen über bedeutende Champagner-Imperien und wurden zum Symbol der Frau als Prickelwein-Konsumentin. Die Gleichberechtigung beim Genuss nutzten die Marketingstrategen in Reims und Epernay um ihrem Produkt einen verfänglich erotischen Anstrich zu geben. Zum  Rendevous sollte Champagner auf dem Tisch stehen, denn er schmeckte ja beiden, regte beide gleichermaßen an und verschaffte ihnen in diesem Augenblick die Illusion eines aristrokatischen Savoir-Vivre.

Was hatten die Champagner-Häuser mit den großen Namen tatsächlich zu bieten? Nach dem im 18. Jahrhundert berühmten „Sillery“, aus Spät- und Grauburgunder-Trauben gekeltert, sind keine nennenswerte Stillweine mehr aus der Champagne gekommen. Dennoch, vor Ort kann man sie, aus kleinen Produktionen stammend, noch immer verkosten. Ehrlich gesagt, sie haben mir überhaupt nicht zugesagt, sie waren unharmonisch und sauer! Man höre und staune, diese für sich genommen so schwer genießbaren Weine bilden die Grundlage für den Champagner! Rings um sie wurde ein komplexes Regelwerk aufgebaut, das Herkunft und Name des Prickelgetränkes in der Welt schützen soll. Damit überhaupt etwas den Gaumen Befriedigendes bei dem, mit der „methode champenoise“ malträtierten, Wein herauskommt, hat man die „dosage“ erfunden. Jenen Zusatz von Zucker, Cognac bzw. anderen Ingredienzen um den Geschmack auf Vordermann zu bringen. Solche Prickler werden dann, wenn sie keine Überdosis Zucker enthalten, „brut“ genannt. Kaum jemand ahnt, dass dieser Begriff die gleichen sprachlichen Wurzeln hat wie das Wort „brutal“. Damit ist viel gesagt. Brutal sind auch die Herstellungsmethoden: Was früher einmal eine echte Manufaktur war, ist heute zu einer industriellen, vollautomatisierten Getränkeherstellungs- und Abfüllfabrik verkommen, die hunderttausende Flaschen „edles Getränk mit großer Gewinnmarge“ im Jahr ausstößt. Coca-Cola lässt nochmals grüßen!

Der kommerzielle Erfolg der Champagner hat in vielen europäischen Weinländern die Konkurrenz auf den Plan gerufen. In Italien war es der „Asti Spumante“, in Spanien der „Cava“ und in Deutschland der „Sekt“. die alle dem französischen Vorbild erfolgreich nachgeeifert haben. Zwar hat man ihre Grundweine meist aus anderen Rebsorten hergestellt und damit ein gewisses Alleinstellungsmerkmal erreicht, aber auch das hat sich im vergangenen Jahrzehnt geändert. Pinot Noir und Chardonnay gedeihen heute auch in den katalanischen Cava-Rebgärten in der Nähe der Mittelmeerküste. Weder in den Cava- Betrieben Kataloniens noch in den französischen Champagnerfabriken hat man mir jemals gestattet eine Flasche aus der Produktion vor der Dosage-Zugabe zu probieren. Jetzt weiß ich warum und bitte alle Freunde der großen Prickler um Nachsicht für meine tiefe Skepsis diesem Getränk gegenüber!

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