Ein 1971 geborenes Kellerkind von der Mosel  Im Keller vergessen: 1971er Kinheimer Hubertuslay von der Mosel
Gut gereifte Weine begeistern mich, aber es muss ja nicht immer Spanien sein! Seit der Auflösung des Weinkellers meines Vaters vor etwa 30 Jahren ruhen bei mir gut temperiert zwischen älteren Gran Reservas aus der Rioja auch ein paar verstaubte Flaschen eines Moselweins des Jahrgangs 1971 („Kinheimer Hubertuslay Spätlese“ vom Weingut Alwin Römer. Über das Gut konnte ich übrigens nichts mehr in Erfahrung bringen, außer dass es in Kinheim heute noch eine Weinhandlung gleichen Namens gibt). Ich hatte die Flaschen im Keller völlig vergessen und wenn ich sie bei der Suche nach einem guten Tropfen für den Abend gelegentlich mal wahrnahm, verwarf ich sofort die Idee eine davon zu öffnen, denn ich war mir sicher, dass da nach so langer Zeit nichts Genussvolles mehr drin sein konnte. Dann erfuhr ich vor kurzem, dass der 71er in unseren Gefilden einer der besten Jahrgänge des 20. Jahrhunderts gewesen sein sollte und es dauerte keine Woche bis eine geöffnete Flasche neben einem bauchigen Burgunderglas vor mir stand.
Ich habe die leuchtend goldgelbe Flüssigkeit in das Glas gefüllt und sofort nahm ich den betörenden Duft von zartem Petrol, feinem Amontillado und getrockneten Orangenschalen wahr. Beim Schwenken im Glas entwichen noch andere Aromen: Trockenfrüchte, insbesondere Aprikosen, Noten von Mirabellen und Litschies. Am Gaumen entfaltete sich eine ausgeprägte Mineralität auf dem Hintergrund einer harmonisch mit Restsüße ausbalancierten Säure. Der Wein war quicklebendig, wirkte fast noch jugendlich frisch und hatte dennoch enormen Schmelz. Über den Alkoholgehalt gab es keine Angaben, er dürfte sich aber sehr in Grenzen gehalten haben. Im Abgang fanden sich feine, elegante Bitternoten. Ich konnte es nicht glauben, dass dieses Geruchs- und Gaumenjuwel seit über drei Jahrzehnten ungewürdigt in meinem Keller lag! Übrigens war eine zweite Flasche etwas anders: kaum Sherry- und Petrolnoten etwas mehr Restsüße und ein wenig langweilig gegenüber der ersten Flasche.
In den Tagen der Weinlese dieses großartigen Gewächses, regierte Willy Brandt bei uns in Deutschland und Salvador Allende in Chile, Erich Honecker war in der DDR gerade an die Macht gekommen und Agatha Christie wurde in den Adelsstand erhoben. Es war auch das Gründungsjahr von Greenpeace und ich selbst trank in jenen Tagen noch vorwiegend Bier. Was für ein beglückendes Gefühl einen so sinnlichen Zeitzeugen eines längst vergangenen Jahrzehnts über die Geschmacksnerven gleiten lassen zu dürfen! Zurück bleibt eine sehr persönliche Erkenntnis: Alter kann schön sein und dazu noch saugut schmecken!
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Etwas über uns … Im Blog "Spaniens Weinwelten" hat der Journalist und Weinkritiker Thomas Götz unter dem Titel „Los Barrancos – der Wein, der Vogel und die schönen Künste“ unser „Vogel-Projekt“ sachkundig beschrieben und kommentiert.
Und hier "Spanischer Biowein, Buchlesung und Kaminfeuer auf Langeoog“ finden Sie zusätzliche Informationen über unsere Aktivitäten.
Kreativität und Wein
In meinem „önosophischen Blog“ widme ich mich im weitesten Sinne kulturellen Themen und dies, obwohl der aus dem Griechischen abgeleitete Begriff „Önosophie“ eigentlich nur die „Weisheit vom Wein“ bedeutet. Wie der Wein selbst können auch die Gedanken eines Weingeniessers gelegentlich in ein breiteres zivilisatorisches Umfeld geraten und Bereiche wie die Musik, die Philosophie, die bildende Kunst, die Literatur und auch die Gesellschaftspolitik umfassen. Dieses Spektrum versuchen die unterschiedlichen Thematiken meiner Beiträge auszudrücken, wobei mir der Wein gelegentlich schöpferisch zu Hilfe kommt.
Wein trinken und genießen ist etwas Emotionales, und im Wein kann der Künstler Inspiration finden. Keiner hat dies schöner und treffender ausgedrückt als Shakespeare in seinem "König Heinrich der Vierte" (2. Teil, 4. Aufzug, 3. Szene) , wo er den lebensfrohen Falstaff in der Übersetzung der beiden Schlegels ausrufen lässt:
(Der Wein) „steigt Euch in das Gehirn, zerteilt da alle albernen und rohen Dünste, die es umgeben, macht es sinnig, schnell und erfinderisch, voll von behenden, feurigen und ergötzlichen Bildern; wenn diese dann der Stimme, der Zunge, überliefert werden, was ihre Geburt ist, so wird vortrefflicher Witz daraus".
Vortrefflicher Witz können natürlich auch die schönen Farben und Formen des Malers oder Bildhauers bzw. die spannenden Klänge des Musikers sein. „Vortrefflichen Witz“ hat auch Antonio Machado, Spaniens bedeutendster Lyriker des 20. Jahrhunderts mit einem wunderschönen, schnörkellosen Gedicht zustande gebracht (meine holprige Übersetzung bitte ich zu entschuldigen):
Un vino risueño me dijo el camino
Yo escucho los áureos consejos del vino
Que el vino es a veces escala de ensueño.
Abril y la noche y el vino risueño
Cantaron en coro su salmo de amor
Ein lächelnder Wein wies mir den Weg
Ich vernahm seine goldenen Ratschläge
Denn der Wein ist manchmal eine Stufe zu den Träumen.
Der April, die Nacht und der lächelnde Wein
Sangen gemeinsam ihren Psalm der Liebe
Ich hoffe, dass Sie Freude an meinem Blog und an unserer kleinen und exklusiven Auswahl spanischer Weine haben.
Peter Hilgard
Wir meinen, Wein ist eine Kultur des moderaten Genusses
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