In meinem anadalusischen Weinkeller, der zugegebenermaßen keine wirkliche Temperaturkonstanz garantiert, fand ich zwei Flaschen eines Weines, den ich vor einigen Jahren bei einem Weinhändler in Granada erstanden hatte. Es war ein 1968er Federico Paternina Gran Reserva, der als „Reserva Especial“ etikettiert war. Die erste Flasche war grauenvoll, die Farbe des Inhaltes war braun und der Duft, besser gesagt, der Gestank, glich dem eines Kuhstalls. Ohne zu probieren landete die Flüssigkeit im Ausguss. Enttäuscht öffnete ich die zweite Flasche, deren Korken schon brüchig zu werden begann. Zwar hatte die Farbe des insgesamt recht hellen Weins auch schon Brauntöne, aber am Rand des Glases schimmerten noch rote Ziegeltöne durch. Das Bukett entfaltete sich sofort: zarte Rauchnoten, feines Leder und eine Fülle von Bergkräutern. Am Gaumen fand sich die gleiche Aromatik, die Struktur war äusserst filigran mit feinen Oxydationsnoten im Hintergrund. Was für ein wundervoll zarter und komplexer Tropfen! Allerdings hielt die Freude nicht allzu lange denn bereits drei8ssig Minuten nach dem Öffnen begann sich die enorme aromatische Vielfalt langsam zu verflüchtigen und nach etwa einer Stunde war der Wein fast mausetot.
Der Jahrgang 1968 wurde als „sehr gut“ vom Kontrollrat der garantierten Herkunftsbezeichnung D.O.Ca. Rioja beurteilt. Trotzdem ist das Risiko mit solchen alten Flaschen sehr gross, dass man furchtbar enttäuscht wird – wie die erste Flasche gezeigt hat. Da sich jede Flasche, selbst unter ähnlichen Lagerkonditionen anders entwickelt, kann man mit gewisser Berechtigung auch auf viel Freude hoffen, wie die zweite Flasche belegt. Hätte ich allerdings die Flaschen in umgekehrter Reihenfolge geöffnet, lebte ich jetzt noch mit der Vorfreude auf einen weiteren Genuß, der dann nicht eingetreten wäre.
In der spanischen Weinkultur liegt das altern von Weinen in der Verantwortung der Kellerei. Dort konnten gute Jahrgänge bis zu zwanzig und mehr Jahre in großen und kleinen Gebinden reifen bevor sie verkauft wurden. Die Konsumenten waren es gewohnt Weine kurz nach ihrem Kauf auch zu trinken. Adäquate Lagermöglichkeiten hatten die wenigsten Weinfreunde und so entwickelte sich nie eine Jahrgangskultur wie etwas in Burgund oder Bordeaux. Dies hat sich zwar etwas geändert, da sich aber der Weinstil auch geändert hat, bleiben Weine wie der Paternina „Reserva Especial 1968“ unwiederbringliche Unikate.