…“Wein auf Bier, das rat´ ich dir!“ Bereits zu Studentenzeiten bin ich mit dieser angeblichen Volksweisheit in enge Berührung gekommen. Nach einer durchfeierten Nacht in den Pfälzer Weinstuben sind wir meist in einer benachbarten Bierkneipe gelandet und noch heute gibt es für mich nach einer Weinprobe nichts Schöneres als ein kühles Bier. Es erfrischt, neutralisiert die Geschmacksnerven und bindet überschüssige Magensäure. Von speziellen Nebenwirkungen, die diese Kombination verursacht haben könnte, kann ich, trotz langer Erfahrung, absolut nichts berichten. In Spanien und anderen Weinländern gibt es diese Regel ja überhaupt nicht und eine wissenschaftliche Erklärung hat dieses nutzlose Gebot letztlich auch nicht.
Gelegentlich verschließen sich passionierte Weintrinker dem Biergenuss, denn sie meinen dem Bier hafte etwas Schwerfällig-dumpfes und Alltägliches an. Tatsächlich stellte auch der passionierte Weintrinker Goethe im Jahr 1768 fest: „Das schwere Merseburger Bier verdüsterte mein Gehirn.” Dagegen hat der Wein ihn immer angeregt. In einem kleinen Büchlein eines anonymen Autors aus dem Jahre 1784, das sich mit der Braukunst beschäftigt (siehe Titelseite links oben), habe ich u. a. folgendes gelesen: „Es ist auch die Trunkenheit von Bier nachtheiliger, schädlicher und langwährender, dann der Wein, sintemal sie viel gröber aufriechender Dämpfe machet, und zähe Schleim, die schwerlich und langsam verzehret werden.” Das klingt, weiß Gott, nicht wie eine Liebeserklärung an den trüben Gerstensaft!
Dabei hat Bier, wie der Wein, in unserer Kultur eine sehr lange Geschichte. Die Römer nannten das Gebräu aus Getreide „cervisia”, ein Name, der, leicht verballhornt, auf seinen göttlichen Ursprung hinweist: „Cereris vinum” (der Wein der Ceres). Ceres war die Schwester des Jupiter und Pluto und die Göttin des Ackerbaus. Noch heute lebt das Wort im spanischem „cerveza” (Bier) fort. Die industrielle Produktion unserer Tage hat dem Bier als Göttergetränk allerdings jede Exklusivität sowie jeden Zauber geraubt und es zur billigen Quelle von Alkohol für den Feierabendrausch gemacht.
Dem versuchen einige Bierbrauer jetzt entgegenzuwirken. „Craft-Biere“ nennen sie ihre Produkte auf neudeutsch. Das große Vorbild ist das englische „India Pale Ale“ oder IPA, ein sog. obergäriges Bier, das einst für die britischen Kolonialtruppen in Indien gebraut wurde. Damit es den langen Transport von England um das Kap der guten Hoffnung herum gut übersteht, hatte es einen höheren Alkohol- und Hopfengehalt, was seine Haltbarkeit deutlich verbesserte.
Nicht nur in den USA erleben diese Biere mit ihrer intensiven Aromatik von Hopfen, ihren attraktiven Bitternoten und exotischen Fruchtnuancen, zur Zeit eine Renaissance großen Stils. Micro-Breweries entstehen dort Land auf und Land ab um die ständig steigende Nachfrage zu bedienen. Auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben junge Braumeister den Trend aufgegriffen und fertigen sehr bemerkenswerte Biere, die auch dem eingefleischten Weinfreund nach einer Probe seiner Lieblinge gut schmecken könnten (siehe den informativen Artikel „India Pale Ale – Revolution im Brauhaus“ von Peter Eichhorn in manager magazin online vom 19.07.2013)!