Spaniens Umgang mit seiner jüngeren Geschichte

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Krieg ist keine Indianer-Romantik und erfordert Bewältigung von den Verlierern (Bild: Pixabay)

Zwei Anlässe haben mir in den letzten Monaten mal wieder ein Thema nahegebracht, mit dem ich mich vor Jahren schon einmal intensiv beschäftigt hatte: der Spanische Bürgerkrieg zwischen 1936 und 1939. In seinem großartigen Buch „Die Nacht der Erinnerungen“ ( La Noche de los Tiempos) beschreibt Antonio  Muñoz Molina den Irrsinn des Bürgerkrieges im Detail und als Leser ist man von den Gräuel, die Menschen des gleichen Volkes sich gegenseitig antun konnten, angewidert und man frägt zum x-ten Male wie so etwas in Europa passieren konnte..  Nach dem Krieg, regierten die Faschisten als Sieger das Land noch über 40 Jahre lang und verhinderten, vermutlich ganz bewusst aus eigener Scham, die Aufarbeitung und emotionale Verarbeitung der Kriegsgeschehnisse. Selbst die Wende (Transición) nach dem Tod des Diktators Francisco Franco hin zur Demokratie und dem Rechtsstaat hat zunächst keine Änderung der offiziellen Haltung gegenüber der jüngsten Vergangenheit gebracht. Heute forciert die sozialistische Minderheitsregierung die sog. „Memoria historica“, die Erinnerung an die Geschichte. Private, selbstfinanzierte Gruppen von Opfer-Nachkommen, Archäologen und Historikern kümmern sich um die Ausgrabungen von Massengräbern der Todgeschwiegenen. Der jüngste, ansonsten eher belanglose, Film von Pedro Almodóvar „Madre paralelas“ thematisiert ebenfalls die Erinnerung an die vergessenen, verschollenen Kriegsopfer mit bewährten, filmischen Mitteln.

Als das demokratisch gewählte Parlament im Herbst 2018 ein Gesetz verabschiedete, dem zu Folge der Leichnam des „Caudillos“ (Führers) von der faschistischen Bürgerkriegsgedenkstätte „Valle de los Caidos“ (Tal der Gefallenen) auf den Friedhof El Pardo-Mingorrubio, wo sich das Familiengrab der Francos befindet, umgebettet werden sollte, erhob sich ein lauter Protest der rechts gerichteten Kreise in der Bevölkerung. Trotz aller Verzögerungstaktik franquistischer Gruppen, kam es ein Jahr später, im Oktober 2019, zur Entfernung der sterblichen Überreste des Diktators aus der Gruft, die einst von ihm selbst zu Ehren der Kriegsopfer seiner Truppen errichtet wurde. Dieser Mann, der kein Opfer, sondern verantwortlicher Täter war, hatte kein Anrecht Seite an Seite mit den Gefallenen zu ruhen, das wurde von vielen Spaniern so empfunden und war schließlich das Motiv für die ganze, komplexe Aktion der „Umbettung“. Aber es war auch erstmals in Spanien eine politische Demonstration des Willens zur Aussöhnung mit der Vergangenheit, die damals immerhin schon 80 Jahre zurück lag.

Deutsche Hobby-Historiker pflegen bei dem Vergleich der zeitlichen Abläufe der  Vergangenheitsbewältigung in Deutschland und Spanien, den Finger zur Rüge für Spanien zu heben. Obwohl beide Länder unter sehr ähnlichen politischen Regimen gelitten haben, hat sich nur Deutschland frühzeitig bemüht mit seiner jüngsten Geschichte ins Reine zu kommen, während ein Großteil der Spanier diesen historischen Abschnitt lieber vergessen wollten. Hans-Christian Rößler hat dies vor Kurzem für die „Frankfurter Allgemeine“ nochmals verdeutlicht ( „Die Toten lassen Spanien nicht zur Ruhe kommen“,  FAZ-Net vom 14.10.2021). Ich bin mir ganz sicher, dass wir es in Deutschland nicht anders gemacht hätten, wären wir nicht zur Vergangenheitsbewältigung durch die Siegermächte des 2. Weltkrieges gezwungen worden. Schon kurz nach dem gewaltsamen Ende der Hitlerei haben die Todesurteile im Nürnberger Prozess uns, den Besiegten, gezeigt wie wir mit den politischen und inhumanen Verbrechern unter unseren einstigen Führern umzugehen hatten.  Im sog. „Eichmann-Prozess“ haben die Israelis 1961 mit der Verurteilung des Millionen-Mörders Deutschland einen weiteren juristischen Standard an die Hand gegeben. Ich erinnere mich allerdings sehr deutlich an die unendlich vielen Kommentare der damaligen „Älteren“ um mich herum, dass nun endlich mal Schluss sein müsse mit der ewigen Nazi-Beschäftigung, man könne dieses Thema kaum mehr ertragen! Das Wirtschaftswunder war eben genussreicher als die Gräueltaten der Nationalsozialisten. Die Spanier machten nach Franco, der mit 83 Jahren im Jahr 1975 einfach starb und ein politisches Vakuum hinterließ, eine ganz andere Erfahrung und es war sehr verständlich, dass man allgemein zur gleichen Feststellung kam wie die entfernten Nachbarn im Norden: jetzt müsse endlich auch Schluss sein mit dem Faschismus und dem Gerede darüber! Anders als wir Deutschen, konnten die selbstbestimmenden Spanier sich diesen Wunsch erfüllen. Allerdings hat sie die Geschichte, wie vorauszusehen war, auch eingeholt, aber die notwendige Auseinandersetzung wird heute wesentlich entspannter und sachlicher geführt als es nach Ende des Bügerkrieges möglich gewesen wäre.

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