Bei manchen Weinfreunden führt die Frage ob sie einen Wein reinsortig oder als Mischung verschiedener Rebsorten bevorzugen zu einem hochemotionalen Glaubensbekenntnis. Bei genauerem Zuhören kommt allerdings der Verdacht auf, dass sich die Gefühle mehr um die jeweilige Rebsorte ranken als um prinzipielle Vorlieben. Riesling- und Pinot Noir (Spätburgunder)-Freunde sind fast immer die stärksten Verteidiger der Sortenreinheit während Liebhaber der weißen Burgundersorten oder des Cabernet Sauvignons und Merlots eher für „Verschnitte“ zu haben sind. Sie nennen diese dann „Cuvées“, ein im Grunde unpassendes französisches Wort. Es kommt vom Substantiv „cuve“ was so viel wie Wanne, Tank, Fuder oder einfach nur Behälter bedeuten kann und vielleicht auf das Gefäß hindeutet in dem die Vermischung geschieht. Einen Verschnitt verschiedener Weine nennen die Franzosen „coupage“ oder „assemblage“. Tatsache ist allerdings, dass ausschliesslich bei der Champagner-Herstellung die Zusammenstellung der Grundweine für die Flaschengärung tatsächlich „cuvée“ genannt wird. Das Wort „Cuvée“ hat man offenbar in der deutschen Weinsprache dann verallgemeinert und synonym für den phonetisch und inhaltlich wenig attraktiven Begriff des „Verschnitts“ gebraucht.
In manchen, traditionsreichen Regionen ist die Cuvée oder Assemblage ein beinahe kultischer Schritt in der Entstehung eines Weins. Dabei geht es nicht nur um die Vermischung verschiedener Rebsorten sondern hauptsächlich um die Zusammenstellung eines Weins aus den verschiedenen Barriques mit der/den gleichen Rebsorte/n und dem gleichen Jahrgang. Da die Weine im kleinen Holzfass sehr unterschiedlich reifen können, gilt es die besten herauszufinden und miteinander zum „grand vin“ zu vermählen. Was dem kritischen Gaumen des Weinmachers nicht standhält muss anderweitiger Nutzung (z.B. der Herstellung von Zweitweinen) zugeführt werden. Der „maitre-de-chai“ muss natürlich auch die Rückversicherung der Unternehmensleitung einholen, denn es geht möglicherweise um viel Geld, wenn mehrere Barriques von einer hochpreisigen Assemblage ausgeschlossen werden.
Gerade in Deutschland hatte das Vermischen von unterschiedlichen Weinen („Verschnitt“) einen eher zweifelhaften Ruf. Wenn davon geredet wurde kreiste fast immer der erste Gedanke um die Vorstellung der minderen Qualität eines verschnittenen Weines. Durch Zugabe einfacher und billiger Weine wird mutmaßlich die Gewinnmarge der Kellerei erhöht oder ein Weinfehler vertuscht und der Konsument hat das Nachsehen. Erst im 20. Jahrhundert mit der Globalisierung der Weinwelt begriffen auch die deutschen Weinfreunde, dass sehr viele der größten Weine dieser Welt „Verschnitte“ bzw. Cuvées waren. Mit der zunehmenden Freude an internationaler Küche begann auch das allgemeine Verständnis für die Harmonie einer Speise, die durch sehr unterschiedliche Zutaten bzw. Gewürze verursacht wurde. Wie die großen Duftkreationen der namhaften Parfumeure durch das Zusammenwirken vieler Komponenten eine Einheit ergeben, die weit komplexer ist als jeder Duftstoff für sich alleine, ist es in der Küche und beim Rebsorten-Verschnitt. Neue, intensivere und vielschichtigere Geruchs- und Geschmacksnuancen können im Essen bzw. im Wein durch verschiedene Zutaten bzw. Coupagen entstehen und es ist die Kunst des Kochs bzw. des Weinmachers diese genussreich zusammenzustellen. Beispiele aus dem Bereich der Weine wurden an dieser Stelle schon sehr oft vorgestellt (siehe u.a. hier, hier, hier, hier und hier).
Könnte es etwa anders sein, als dass in Europa die Herstellung von Verschnitten bzw. Coupagen auch sehr strengen gesetzlichen Vorschriften unterliegt? Man darf nicht alles mischen, was man eigentlich könnte. Jahrgangsverschnitte dürfen nur bis zu einem Gehalt von maximal 15 % eines anderen als des deklarierten Jahrgangs enthalten, Ähnliches gilt für Weine unterschiedlicher Regionen und Qualitätsstufen. Immer liegt die Grenze bei 85 % des Originals, diese Zahl darf nicht unterschritten werden. Rot- und Weißweine dürfen in der Regel überhaupt nicht vermischt werden, es sei denn es existiert eine regionale Tradition dies zu tun (z.B. Schilcher, Schiller-Wein, Rotling etc.). Alle Rebsorten für eine Coupage müssen in der jeweiligen Region zugelassen sein. Ziel dieses europäischen Regelwerkes ist die Qualitätsverbesserung bzw. -sicherung: Verschnitte sollten immer besser sein als die jeweiligen Komponenten alleine, so war einst der Hintergedanke der Gesetzgeber. Dies ist auch der Grund für die Seltenheit von Verschnitten mit bestimmten Rebsorten. Der Riesling und der Spätburgunder gehören ebenso dazu wie der Sauvignon blanc und der Viognier. Diese Sorten haben so viel eigene Persönlichkeit, dass diese in Mischungen unterzugehen droht. Aber: jeder Weinfreund hat u.U. seine eigenen, persönlichen Lieblinge, die er oder sie lieber reinsortig genießen möchte.