Die Jahreszeiten werden gelegentlich zur Beschreibung des Weincharakters benutzt. Wir reden vom Sommerwein und meinen damit einen jungen, fruchtigen, gut gekühlt zu trinkenden Tropfen, der die Leichtigkeit des Sommers in unserer Seele widerspiegelt. Manchmal werden diese Weine sogar noch nach dem bevorzugten Ort ihres Genusses benannt und dann sprechen wir z.B. vom „Terassenwein“ oder auch vom „Gartenwein“. Gibt es auch Winterweine oder gar „Kaminweine“ und „Couchweine“? Ja selbstverständlich und ich möchte sie im Folgenden ein wenig beschreiben. Zur Einstimmung in das Thema soll ein Gedicht-Klassiker dienen:
Luise Hensel (1798–1876) war eine romantische Dichterin und Freundin u. a. von Clemens von Brentano. Mit ihrem Gedicht „Herbst-Seufzer“ hat sie mit einer schönen und schlichten Sprache die Stimmung eines grauen Dezembertages eingefangen:
Die Vöglein weg geflogen,
Die letzten Blumen schon verblüht,
Der Himmel grau umzogen,
Der Sonne Licht verglüht;
O Sommer, schöner Sommer,
Dass so dein Zauber flieht!
Der Nordwind hat entführet
Wohl all den lichten, bunten Schein
Und was er nur berühret,
Das nickt und schlummert ein.
O Winter, öder Winter,
Wie traurig wirst du sein!
In den Versen sind wir im frühen Winter am Beginn einer Jahreszeit in der eher depressive und düstere Stimmungen vorherrschen und in der wir uns in eine warme Ecke des Hauses verkriechen möchten. In der Dämmerung des früh vergehenden Tages holen wir uns dann eine Flasche Rotwein aus dem Keller, öffnen Sie und lassen uns vom strahlenden Rubin oder dunklen Purpur im Glas erfreuen. Die von Frau Hensel beklagte Flucht des Sommerzaubers machen wir rückgängig, wenn wir uns am Bukett berauschen in dem der Sonne Licht nicht verglüht, sondern präsent ist, wie an einem hellen Sommertag. Nach dem ersten Schluck spüren wir eine wohlige Wärme in uns aufsteigen und der Geschmack von Schokolade, Zigarren und edlen Hölzern vermischt sich mit der Frucht von Backpflaumen und Waldbeeren, die von einem Hauch Weihnachtsgewürz umwoben sind. Langsam entrücken wir in eine bessere Welt. Wir haben einen Winterwein im Glas! In diesem Fall war es der rote „Loma de los Felipes 2014″. Während Sommerweine in ihrer überwiegenden Zahl Weissweine sind, sind Winterweine meist – aber nicht immer – Rotweine.
Einen guten roten Tropfen vor dem flackernden Kaminfeuer zu trinken ist ein landläufiges, romantisches Klischee des Weinhandels der versucht aus der Winterdepression der Weingenießer Kapital zu schlagen. Aber etwas Grundsätzliches scheinen Kamin und Wein dennoch zu teilen: ihre enge Beziehung zum Holz. Wie der Kamin den angenehmen Duft von Rauch und Holz im Raum verbreitet, hinterlässt der Winterwein am Gaumen die würzigen Holzfass-Noten und das kann sowohl bei Weiß- als auch bei Rotwein sein. Tatsächlich kann auch ein Wein vom Typ des barrique-vergorenen, weißen Burgunders (Chardonnay) ein ganz vorzüglicher Winterwein sein (auch vor dem prasselnden Kamin). Ein Winterwein hat Feuer und Biss und selbst ein weisser sollte daher niemals eiskalt getrunken werden, denn auch er lebt von seinen üppigen Aromen, die sich bei niedrigen Temperaturen nicht entfalten können.
Jetzt ist die Zeit für Winterweine und wer dazu eine erbauliche Lektüre sucht, dem seien Volkmann-Leanders phantasievolle Kunstmärchen „Träumereien an Französischen Kaminen“ empfohlen (Reclams Universal-Bibliothek, EUR 4,00). Richard von Volkmann war ein sehr berühmter Chirurg im ausgehenden 19. Jahrhundert, der unter dem Pseudonym Richard Leander auch literarisch aktiv war. Vieles von ihm, z. B. die melancholischen“Träumereien“, ist sehr lesenswert!