Manchmal sind die Beschreibungen des Geruchs und Geschmacks eines Weines ein wenig daneben nämlich, wenn z.B. von „Sattelschweiss“, „Katzenpisse“, Fuselöl“ oder „Ginster“ geredet wird. Olfaktorische Wahrnehmungen dieser Art haben nur sehr wenige Menschen je bewusst erlebt und daher sind sie als sensorische Beschreibung von Wein völlig ungeeignet, weil eben kaum nachvollziehbar. Glücklicherweise gibt es noch ausreichend Weinfreunde, die nicht auf ausgefallene Duft- oder Geschmackserlebnisse zurückgreifen müssen um die sinnliche Welt des Weins akkurat zu beschreiben. Unter den Attributen, mit denen sowohl Rot- wie Weißweine öfter belegt werden fällt mir immer wieder das Wort „balsamisch“ auf. Was bedeutet das? Balsam ist eine Abscheidung der sog. Balsambäume und besteht aus einem Gemisch von Harzen und ätherischen Ölen mit einem angenehmen, charakteristischen Geruch, der im weitesten Sinne an Kampher, Menthol und Pfefferminz mit einem Schuss von Vanillin erinnert. Wir kennen die Redewendung „Balsam für die Seele“, was bedeutet, dass etwas, herzerfrischend, beflügelnd und gleichzeitig lindernd und sehr angenehm ist. Damit ist auch schon ein Teil des Geschmackserlebnisses „Balsam“ im Wein beschrieben. Ehrlicherweise muss aber erwähnt werden, dass auch dieses Erlebnis am Gaumen eine Geschmacksfrage ist und von manchen Weinliebhabern eher abgelehnt wird.
Balsamische Noten im Wein sind eigentlich ein Konglomerat von Düften und Geschmäckern. Sie können aus Aromen von Eiche, Eukalyptus, Kiefern, Menthol, Minze, Myrrhe, Sandelholz, Tannen, Wachholder, Weihrauch, Zedern und gelegentlich sogar Nuancen von Kerosin zusammengesetzt sein. Die große Vielfalt der potentiellen balsamischen Würzstoffe weist auf die Komplexität dieser ganzen Aromatik hin, die natürlich nur bei einer ausgewogenen Balance als angenehm und hochklassig betrachtet wird. Das Herausstechen bzw. die Überbetonung eines Aromas wird häufig als unharmonisch und geradezu als störend wahrgenommen. Störend sind „balsamische Töne“ insbesondere dann, wenn sie im Rahmen der Infektion mit Essigbakterien als „flüchtige Säure“ entstehen. Dies ist dann ein Weinfehler und meist die Vorstufe des „Sauerwerdens“ (Essigbildung!) eines Weins. Aber Vorsicht! Dies hat nichts mit dem süß-sauren „Balsamessig“ zutun. Dieser „Aceto balsamico“ ist eine Delikatesse aus der italienischen Region um Modena, Sie besteht aus hochwertigem Essig und gekochtem Traubensaft.
Normalerweise ist ein subtiles Zusammenspiel vieler Faktoren verantwortlich für das „Balsamische“ im Wein: Neben der Rebsorte, bzw. den -sorten in einer Cuvée, der Gärung, dem Ausbau in Holz oder Edelstahlbehältern spielt auch die Alterung des Weins im Tank bzw. in der Flasche eine Rolle bei der Ausbildung balsamischer Nuancen. Unter den Rebsorten sind es der weiße Chardonnay und die roten Cabernet Sauvignon, Merlot, Nebbiolo und Tempranillo, die bei der Entstehung der Balsam-Charakteristik an vorderster Front stehen. Es ist ausserdem festgestellt worden, dass die Sonnenexposition der Rebstöcke einen profunden Einfluss auf die Ausbildung balsamischer Töne im Wein haben sioll. Ob in der Nähe von Rebanlagen wachsende Pflanzen oder Bäume mit ätherischen Ölen in den Blättern ihren Duft auf die Nachbarreben übertragen können, wird zwar vielfach behauptet, bleibt aber dennoch fraglich. Um die Aromatik in voller Intensität in den Wein zu bekommen bedarf es zusätzlich einer langsamen und behutsamen Gärführung und ggf. der Verwendung bestimmter Hefesorten, die die Konzentration von Geschmacksbestandteilen erhöhen können. Ein Kernpunkt der Aromenentwicklung ist der Ausbau im Holzgebinde. Dabei spielt das Alter des jeweiligen Holzgefäßes, seine Größe und die Beschaffenheit des Holzes eine wichtige Rolle. Je jünger und je kleiner das Fass, desto stärker die Aromenbildung. Als ideale Größe haben sich 225 – 300 l-Fässer, sog. Barriques, erwiesen. Die Flaschenreifung harmonisiert den Geschmack indem sie die Ecken und Kanten des Aromas mit der Zeit abschleift. Eine besondere Variante einer balsamischen Note ist der sog. Petrolton, der vorwiegend bei Weißweinen, und dort insbesondere beim Riesling, während der Flaschenreifgung auftritt. Eine Sonderform des Petroltons ist der Juchten (Leder)-Ton, den man häufig bei alten, gut gereiften Rioja-Weinen antrifft.
Man kann also mit Recht und Fug davon reden, dass die balsamischen Töne zu den Tertiäraromen eines Weins gehören. Diese sind jene Geschmäcker und Düfte, die sich während des Prozesses der Weinreifung im großen Fuder oder im kleinen Fass oder in der Flasche spontan bilden. Häufig werden sie auch, nicht ganz korrekt, „Altersnoten“ genannt. Bei der Entstehung von balsamischen Komponenten sollte kein Sauerstoff vorhanden sein, d.h. der Wein muss reduktiv ausgebaut werden, dagegen spielt bei den klassischen Altersnoten die Oxydation eine wesentliche Rolle. Ein Oxydationston würde die feinen balsamischen Geschmackserlebnisse völlig ruinieren und sollte, wenn der Weinmacher auf balsamische Töne als Tertiäraromen spekuliert, vermieden werden. Ebenso kann langes Offenstehen der geöffneten Flasche, langes Verweilen im Decanter oder im Weinglas, die begehrten Aromen durch Oxydation zum Verschwinden bringen. Ein „balsamischer“ Wein ist meist hochwertig und fast immer ein ganz besonderes, sinnliches Erlebnis in der Nase und am Gaumen. Balsamische Noten entstehen nur, wenn bei der Vinifikation sorgfältig gearbeitet wird und der Winzer entsprechende Erfahrung hat.
Bleiben Sie stets neugierig …und genußbereit durstig!