Wenn man einer Erhebung der Universität Leipzig Glauben schenken will, muss man leider anerkennen, dass 27 % der Deutschen der Meinung sind, die Bundesrepublik würde durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet. Während Antisemitismus in unserem Land unerwartet nur von etwa 10 % der Befragten gutgeheißen wird, geht die Ablehnung von Sinti und Roma sowie Muslimen wesentlich weiter und wird von etwa der Hälfte der Befragten geteilt. Alleine diese paar Zahlen lassen bereits vermuten, dass es in unserem Land tatsächlich ein ernst zu nehmendes Problem mit der Diskriminierung von Mitmenschen gibt. Insbesondere Personen mit Migrationsgeschichte leiden häufiger als „Einheimische“ unter Behinderung der Verwirklichung ihrer Freiheiten und Chancen. Man denke nur an die Vergabe von Ausbildunggsplätzen an Jugendliche mit fremdländischen Namen; das gilt gleichermaßen beim Kontakt mit Vermietern bei der Wohnungssuche. Aber nicht nur Migranten und deren Nachkommen werden diskriminiert, die unterschiedlichen Löhne für gleiche Arbeit bei Männern und Frauen sprechen Bände! Auch Behinderte können ein Lied von der potentiellen Diskriminierung singen, immer noch ganz zu schweigen von Menschen mit von der Masse abweichender sexueller Orientierung.
Ein Fall für sich, weil im kollektiven Bewusstsein der Gesellschaft nur sehr spärlich repräsentiert, ist die Altersdiskriminierung. In manchen asiatischen Gesellschaften werden die „Alten“ mit erheblichen Respekt behandelt, denn es wird angenommen, dass sie über mehr Lebenserfahrung und geistige Fähigkeiten verfügen als der Rest der Bevölkerung und daher werden sie verehrt und spielen eine entsprechende Rolle in Familie und Öffentlichkeit. In unseren Breitengraden denkt die Gesellschaft bei „den Alten“ eher an Demenz und die Belastung der Rentenkassen. Vielfach ist Alter gar ein Ausschlusskriterium für bestimmte Jobs und wem jenseits der 50 gekündigt wird, der bleibt im Zweifel für den Rest seines Lebens arbeitslos. Die Gefährdung des Straßenverkehrs durch ältere Mitbürger ist pure Legende: wie die Unfallzahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, verursachen deutlich mehr junge als ältere Erwachsene Verkehrsunfälle. Bei jungen Menschen haben wir akzeptiert, dass sie die Fertigkeit bestimmte Tätigkeiten wie Auto zu fahren oder an die Wahlurne zu gehen, mangels Erfahrung noch nicht besitzen. Diese Diskriminierung ist sogar gesetzlich geregelt. Die spontanen sozialen Einschränkungen in höherem Alter muten in vielen Fällen aber absurd an, da ja die Täter von heute die potentiellen Opfer von morgen sind! Diskriminierungen wegen zu hohem Lebensalter sind weit verbreitet und schränken die Teilhabe an der Gesellschaft sowie die Selbstbestimmung des Opfers in sehr unterschiedlichem Maß ein. Die Anwendung von klischeehaften Verallgemeinerungen oder Vorurteilen können sehr verletzend sein, auch wenn sie versteckt geschehen. So ist der Jugendwahn im heutigen Produktmarketing und in den sozialen Medien ebenfalls eine tiefe Beleidigung älterer Menschen, da diese gefühlt damit gleichsam aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Zwar sind sie nur keine Zielgruppe für den jeweiligen Kommerz, wenn dies aber immer wieder innerhalb des sozialen Umfeldes eines Menschen passiert, ist für ihn die Botschaft klar: ich gehöre zum alten Eisen und werde nicht mehr benötigt. Dagegen stehen die strukturellen Diskriminierungen in Form von altersbegrenzenden Regeln. Der Zusammenhang zwischen höherem Alter und abnehmender Leistungsfähigkeit kann in manchen Fällen sogar medizinisch begründet werden. Man denke z. B. an die Aufnahme zur Bundeswehr, wo körperliche Leistung gefordert wird. Auch im Finanz- oder Versicherungswesen kann die Ablehnung von Bankkrediten bzw. die Erhöhung von Versicherungsbeiträgen im Alter gerechtfertigt sein.
Ein Kapitel für sich ist die Diskriminierung älterer Menschen im Alltagsleben durch die fortschreitende Digitalisierung. Nicht alle Ältere verfügen über die Vorbildung, die es ihnen gestatten würde sich im Dschungel des Umgangs mit Computern zurechtzufinden. Häufig scheitert es schon bei der neu entwickelten Sprache der Informationstechnik (IT). Es handelt sich dabei um sog. „disruptive Innovationen“, die neue Märkte wie das Internet oder das „online-shopping“ erschaffen haben, aber für ältere Menschen Barrieren darstellen, die als Konsequenz zur Exklusion aus dieser neuen Konsumwelt führen können. Gleiches gilt für den elektronischen Umgang mit Ämtern und Behörden. Das Ausfüllen eines digitalen Meldeformulars oder eines entsprechenden Passantrages ist für manche ältere Menschen ohne Hilfe überhaupt nicht mehr möglich. Große Teile der öffentlichen Organisation, Kommunikation und Unterhaltung werden heute zunehmend mittels der Informationstechnik realisiert. Eine volle Mitbeteiligung in unserer Gesellschaft ist daher nur noch unter Einschluss der digitalen Sphäre möglich und dies stellt ggf. ein erhebliches Problem für Ältere dar.
Ungleichbehandlungen wegen des Alters kommen leider häufiger vor als es uns und selbst den Opfern tatsächlich bewusst wird. Zwar besteht in Deutschland theoretisch ein gesetzlicher Anspruch auf Diskriminierungsfreiheit, verwirklicht ist davon noch längst nicht alles. „Ubi non accusator, ibi non iudex“. (Wo kein Kläger, da kein Richter) wussten schon die Römer und forderten damit auch die Alten in unserer Gesellschaft auf, die Stimme zu erheben und sich zu emanzipieren, was schließlich auch einen Schritt zur weiteren Humanisierung der Gesellschaft bedeuten würde!
Bleiben Sie stets neugierig …und genussbereit durstig!