Café español, Spanien, dein Kaffee!

Die klassische GAGGIA, wie sie auch in vielen spanischen Café-Bars anzutreffen ist (Foto: Gaggia S.p.A., Milano)

„Por favor, un café solo!”. Diese Worte lösen beim Barista seine sofortige Hinwendung zur großen, chromglänzenden GAGGIA-Kaffeemaschine aus. Was kurz danach vor einem auf dem Tresen steht ist aber kein Espresso sondern die spanische Variante davon, eben der café solo: mehr Flüssigkeit, weniger „Crema“ und geschmacklich deutlich milder und weicher. Spanischer Kaffee schmeckt anders als der Maschinenkaffee in unseren Breitengraden. Forscht man nach den Gründen für diese Unterschiede landet man bei der Prozedur des Kaffeeröstens, also jenes Vorganges, der aus einer rohen Kaffeebohne durch deren mehr oder weniger starkes Erhitzen am Ende einen helleren oder einen dunkleren Kaffee hervorbringt. In Spanien wird zusätzlich noch das sog. „Torrefacto“-Verfahren angewandt. Dabei wird während der Röstung Zucker beigefügt, die Kaffeebohnen werden also regelrecht karamellisiert. Dieser Torrefacto-Kaffee wird dann mit Kaffee aus konventioneller Röstung gemischt und als „mezcla“ (Mischung) in einem marktüblichen Verhältnis von etwa 20 % Torrefacto- und 80% normalgerösteten Bohnen in den Verkehr gebracht. Fast immer werden Arabica-Bohnen mit Anteilen von Robusta für spanischen Kaffee verwandt. Durch das „Torrefacto“-Verfahren (span.: torrefacto = geröstet) wird die Säure im Kaffee geschmacklich deutlich reduziert und die Bittertöne werden weitgehend neutralisiert. Ein zusätzlicher Vorteil der Karamellisierung der Kaffeebohnen ist deren längere Haltbarkeit und die Bewahrung der Kaffeearomen durch die „Versieglung“ der Kaffeebohnenoberfläche durch die Karamellschicht – im warmen, mediterranen Klima nicht ganz unbedeutend!

Kaffee gehört zweifelsohne zur iberischen Lebensart. Für viele Spanier besteht das Frühstück ja häufig nur aus Kaffee, wobei  der Zusatz von unterschiedlichen Mengen von Milch am Morgen beinahe obligatorisch zu sein scheint. Viele spanische Kaffeegenießer behaupten im Brustton der Überzeugung, dass gerade der Torrefactokaffee seine ganzen Aromen erst in der Gegenwart von Milch entfaltet. Wenn man am Vormittag in einer Cafeteria an der Bar steht und den Kaffebestellungen um einen herum aufmerksam zuhört, erfährt man hautnah die ganze Komplexität und Variationsbreite spanischer Geschmacksvorlieben. Der oder die eine möchte gerne einen Schuss kalte Milch zur Abkühlung in den heißen Kaffee, andere möchten ihn weniger stark mit einer geringeren Menge gemahlenen Kaffees im Sieb der Maschine. Der Dritte zieht seinen Kaffee “en vaso” – im Glas zubereitet, der kleinen, weißen Steinguttasse vor. Trotz der schier unendlich vielen Kaffegestaltungsmöglichkeiten, die der Barista zubereiten kann und die an einer Tafel auf der gegenüberliegenden Wand über der GAGGIA zu lesen sind, tobt sich der Individualismus der Spanier bei der Kaffeebestellung aus. Jeder Wunsch des Kunden wird ernstgenommen und wenn irgendwie möglich auch umgesetzt. Der Fantasie bei der Zubereitung von Kaffee scheint in diesem Land keine Grenzen gesetzt! Selbst in Krisenzeiten wusste man sich zu helfen: der Kaffeesatz wurde angebraten und nochmals aufgegossen, café de recuelo, hieß dieses Gebräu dann.

Der Kaffee wurde im 9. Jahrhundert in Äthiopien entdeckt und von dort gelangte er wohl mit Sklavenhändlern in den Jemen. Rund um die Hafenstadt Mokka entstanden dort im 14. und 15. Jahrhundert die ersten Kaffeplantagen. Auf den etablierten Handelswegen der Mauren gelangten die ersten Kaffebohnen aus dem Jemen ins untergehende Königreich Granada. Aus den arabischen Wörtern „Kahwe“ oder „Qahwa“ wurde der Begriff  „Café“ bzw. „Kaffee“ mit all seinen europäischen Sprachvarianten. Die Iberische Halbinsel war also vermutlich der erste Ort in Europa wo Kaffee getrunken wurde, während der Rest des Kontinents noch zwei Jahrhunderte darauf warten musste, bis die Venezianer den Handel mit Kaffeebohnen aus Arabien nach Europa in großem Stil initierten.

Eine typische Liste der verfügbaren Kaffezubereitungen in einem Caféhaus in der andalusischen Stadt Málaga könnte etwa folgendermaßen aussehen:

CAFÉS

Americano
Belmonte
Bombón
con hielo
con leche
Cortado
Café descafeinado (de máquina)
Café descafeinado (de sobre)
Cappuccino
Carajillo
Doble
Largo
Leche manchada
Leche y leche
Nube
Solo
Sombra
Vienés

Eine Beschreibung jeder einzelnen dieser 18 Zubereitungen würde den Rahmen dieses  kleinen Essays sprengen. Wer tiefergehendes Interesse hat, sei auf eine Übersicht im Internet hingewiesen, in der die jeweiligen Begriffe erklärt sind. Ein paar nicht selbsterklärende Positionen möchte ich trotzdem erwähnen: Der bereits genannte „Café solo“ entspricht dem Espresso und mit einem Schuss Milch versetzt heißt er „Cortado“„Cafe con hielo“ ist nicht etwa Eiskaffee sondern ein Café solo wird in ein Glas über Eiswürfel gegossen und wenn er die gewünschte Kälte erreicht hat, getrunken. Eine „Leche manchada“ (auf deutsch: die befleckte Milch) ist eine heiße Tasse Milch mit einem kleinen Schuss Kaffee, so dass das Milchgetränk eine hellbeige Farbe annimmt. Der „Café americano“ schmeckt ähnlich dem deutschen Filterkaffee und ist aber nichts anderes als ein Café solo mit entsprechend viel Wasser zubereitet. Beim Café bombón“ wird stark gezuckerte Kondensmilch (z.B. „Milchmädchen“) mit Cafe solo gemischt. „Café descafeinado“ (Koffeinfreier) wird als Bohnenkaffe (de máquina) oder als Nescáfe (de sobre = im Umschlag) angeboten. Schließlich sei noch der „Carajillo“ erwähnt: dieser besteht aus  einem Café solo mit einem (oder mehreren) Schluck Brandy oder Anislikör. Die Liste könnte man noch weiter fortsetzen, aber ich glaube, es ist bereits deutlich geworden welche Bedeutung der Kaffee im täglichen Leben eines Spaniers oder einer Spanierin spielen kann.

Bleiben Sie stets neugierig …und genussbereit durstig!

 

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