Das Mysterium Feuer in der Weinbeschreibung


Für Körper und Seele: Feuer und Wein

Feurig ist ein Adjektiv, welches auf manche Weine zu passen scheint, denn es gehört zu den häufigsten Rotweinbeschreibungen in deutscher Sprache. Kein Wunder, dass es in allen spezifischen Weinlexika erwähnt ist und regelmässig mit Eigenschaften wie Alkoholreichtum, Fülle, Kraft, Körperreichtum, Macht, Wuchtigkeit, Schwere, Reife und rubinroter Farbe, belegt wird. Das ist erstaunlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Feuer als das wildeste und destruktivste der antiken, vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde gilt. Die griechische Mythologie lässt einen der Titane, nämlich Prometheus, das Feuer von den Göttern rauben und es den Menschen bringen. Dafür hat ihn der Göttervater Zeus hart bestraft: er ließ ihn an einen Felsen des Kaukasus-Gebirges fesseln und machte ihn zur Beute des Adlers. Irgendwann befreite Herakles den Titanen und Zeus versöhnte sich wieder mit ihm. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Mythos um das gestohlene Feuer und den grausam bestraften Prometheus in unserem abendländischen Kulturkreis zum fest etablierten Motiv in der Literatur, in der Musik und in den bildenden Künsten. Entsprechend der fundamentalen Bedeutung des Feuers für den Menschen wurde dieses im Laufe der Zeit in allen Kulturen der Welt mit enormer Symbolkraft ausgestattet.

Vollständig aufzuzählen wofür das Feuer stehen kann würde den Rahmen dieses kleinen Essays deutlich sprengen, alle symbolischen Inhalte lassen sich jedoch einer der beiden gegensätzlichen Eigenschaften des Feuers zuordnen, nämlich der Verwandlung und der Vernichtung. Das Feuer verwandelt Kälte in Wärme, Dunkelheit in Licht, ungenießbare in genießbare Speisen, aber das Feuer hat auch zerstörende Kräfte indem es Brand, Vernichtung und Tod bringt. Entsprechend ist das Feuer auch ein Hinweis auf die geistig-spirituelle Dimension und den lebendigen, leidenschaftlichen und sexuellen Aspekt in der Psyche des Menschen. Die negative Facette des Feuers repräsentiert die Hölle als Aufenthaltsort für die Seelen der irdischen Übeltäter. Das Erlöschen der Flamme ist wie das Aufgeben des Lebenslichtes, was den Tod bedeutet. Unsere Sprache drückt die beschriebene Bivalenz des Feuers mit der Redeweise „Spiel mit dem Feuer“ aus, was bdedeutet, dass eine Aktion gut oder schlecht ausgehen kann und daher sollte man lieber die Finger davon lassen! Andererseits weist „Feuer für etwas gefangen haben“ ganz eindeutig darauf hin, dass ich etwas sehr gerne mag. „Feuer im Leib oder in den Augen“ zu haben ist schon eine Aussage mit stark erotischem Inhalt .

Im Bereich der Erotik und der dazugehörenden Symbolik kennt sich keiner besser aus als Sigmund Freud (1856 – 1939) . In seiner großartigen Abhandlung „Das Unbehagen in der Kultur“ ging er auch auf die sexuelle Bedeutung des Feuers, bzw. der Flamme, ein. Als Einführung in diese Thematik beschreibt er die Leistung des vermutlich prähistorischen Mannes das Feuer durch seinen Harnstrahl zu löschen und dadurch zu kontrollieren. Durch diesen Akt hätte er eine kindliche Lust befriedigt. Diese intellektuell waghalsige Vorstellung nimmt auch an, dass der Urmensch in der züngelnden Flamme ein phallisches Symbol sah. Im homosexuellen Wettkampf mit den  Stammesgenossen konnte derjenige das Feuer nach seinem Löschen wegtragen und nutzbar machen, der auf die Lust verzichtete, also seine sexuelle Erregung dämpfte. Folglich hatte der Triebverzicht das Feuer gezähmt, was einer außergewöhnlichen kulturellen Leistung gleichkommt. Demgegenüber ist die „Feuertaufe“ nur eine Metapher für das Feuer einer Feuerwaffe (Gewehr oder Kanone), welche von einem jungen Soldaten erstmals benutzt wird. Heute, in Zeiten der Geringschätzung militärischer Traditionen, würden wir die Feuertaufe vermutlich durch den Begriff „Bewährungsprobe“ ersetzen.

Wenn ich von der Weinsprache, wie sie in den einschlägigen Nachschlagewerken definiert wird, einmal absehe und mir die allgemeine Bedeutung des Begriffs „feurig“ betrachte, finde ich zahllose, Wesensmerkmale mit denen man „feurig“ beschreiben kann: z. B.  heißblütig, leidenschaftlich, emotional erregt, tempramentvoll, rasant und schwungvoll. Ehrlich gesagt, diese Zuschreibungen erscheinen mir alle viel passender für einen „feurigen Wein“, als die eingangs zitierten, trocken-sachlichen Eigenschaftswörter. Auch passen sie gleichermaßen sowohl für Weiß- als auch für Rotweine. Ein Wein kann die Sinne erregen wie eine heißblütige Liebhaberin oder ein heißblütiger Liebhaber. Ein Wein kann auch temprament- und schwungvoll wie ein Wiener Walzer sein. Wein kann in hohem Maße erotisch daherkommen und höchst sinnliche Begierden erwecken. Wenn man ein Glas eines großartigen Weins vor sich hat, hat man meist schon den ersten, wichtigen Schritt in die mystische Sagenwelt vollzogen, denn man beginnt sich ersthaft zu fragen ob es nicht der Wein sein könnte, den Prometheus von den Göttern, zu denen auch Dionysos – der Weingott – gehörte, gestohlen hat um ihn uns Menschen zu bringen? Aus Sicht der Götter wäre dann die harte Strafe für den Diebstahl natürlich ebenfalls gerechtfertigt, denn für die Seele ist der Wein ein ebenso wichtiges Element wie das Feuer in der physischen Welt des Menschen.

Bleiben Sie stets neugierig …und durstig!

Empfehlen Sie uns weiter - würde uns freuen!

Diskussion geschlossen.