Die Wiedergeburt des Mazuelo (Carignan)

Synonyme: Carignan/Mazuelo/Carignano/Cariñena/Samsó/Uva di Spagna (aus der „Ampélographie Viala et Vermorel“, Wickimedia)

Die Meinungen zur Rebsorte mit dem Namen „Mazuelo“ gehen, je nachdem wen man frägt, sehr auseinander. Ein Winzer in der Rioja wird vermutlich auf die schäbigen 2 % der Rebfläche seiner Region hinweisen, die noch mit dieser Sorte bepflanzt sind. In Katalonien wird man bei manchem Weinmacher Begeisterungsstürme entfachen, wenn man den „Samsó“, eines der vielen Synonyme für den Mazuelo, erwähnt. Im Rest Spaniens wird man hochnäsig von der „Cariñena“, einer weiteren Namensvariante, behaupten, dass sie ganz ordentlich für Cuvées sei, sonst aber zu wenig tauge. Jenseits der Pyrenäen in der französischen Weinregion Languedoc-Roussilion wird man hören, dass der „Carignan“, das nächste Synonym für die gleiche Sorte, auf der ganzen Welt beliebt und zu den weitverbreitetsten Rebsorten überhaupt gehöre. Nach kurzer Recherche musste ich feststellen, dass in dieser Behauptung viel Wahrheit liegt. Zwar sanken die globalen Anbauzahlen der Carignan durch Rodung in den letzten Jahren ganz erheblich, aber 2018 waren es noch über 80.000 ha , etwas weniger als der gesamte, weltweite Pinot Noir -Bestand.

Bei der Frage nach der Herkunft des Mazuelo scheiden sich erneut die Geister, diesmal die der Ampleographen.  Wegen der Namensgleichheit des Synonyms „Cariñena“ mit der gleichnamigen Stadt in Aragonien wurde diese als Ursprungsort postuliert. Das gleiche gilt für den unbedeuteten  Flecken namens Mazuela in der Provinz Burgos. Beide Erklärungen kann man getrost verwerfen. Plausibler ist die Herkunft aus Südfrankreich wo die Carignan noch Mitte des 20. Jahrhunderts mit einer Anbaufläche von 167.000 ha die weltweit wichtigste Rebsorte zu sein schien. Weder das französische Städtchen Carignan  im Département Ardennes noch die Gemeinde Carignan-de-Bordeaux haben irgendetwas mit der Rebsorte zu tun!  Neuere Studien glauben Anhaltspunkte dafür zu haben, dass die Sorte aus Sardinien stammt und von dort von den Phöniziern aufgegabelt und nach Katalonien gebracht wurde. Wenn man das Glück hatte schon einmal einen sardischen „Terre Brune Carignano del Sulcis“ getrunken zu haben, wird man dieser Herkunftstheorie gerne Glauben schenken.  Führt man alle Evidenzen zusammen und versucht eine Schlussfolgerung daraus zu ziehen, hat es den Anschein, als sei die Carignan tatsächlich am ehesten spanischen Ursprungs, was man in Italien, wo das Synonym „Uva di Spagna“ existiert, offenbar schon immer wusste! Unter den vielen Versuchen die Carignan zu kreuzen ist als einziger die Verbindung mit dem Cabernet Sauvignon zum, in Kalifornien berühmt gewordenen, Ruby Cabernet erwähnenswert.

Einer der Gründe für die weltweite Beliebtheit der Cariñena-Rebe, die sich heute noch – allerdings auch dort wieder mit abnehmender Tendenz – in Kalifornien, Südamerika, Australien sowie in Algerien und in Süd-Afrika findet, ist ihre Ertragsstärke und Unempfindlichkeit gegenüber klimatischen Einflüssen. Sie war von Anbeginn eine Massentraube, die meist für den Gebrauch in Cuvées kultiviert wurde. Hinzu kam der relativ hohe Farbstoff- und Tanningehalt, viel Säure sowie das wenig finessenreiche Aromenspektrum der Beeren als Motivation den Carignan mit aromatischeren Rebsorten zu mischen. Erst die Erkenntnis der modernen Önologie, dass Ertragsbegrenzung und hohes Rebalter eine wesentliche Quelle der Qualitätsverbesserung der Moste darstellen, hat die Carignan aus der stiefmütterlichen Betrachtungsweise der Winzer geholt und ihr Schattendasein beendet. Erwähnenswert ist noch die Tatsache, dass sich aus der roten Carignan zwei spontane, weiße Mutanten entwickelt haben, die besonders in Südfrankreich eine gewisse Bedeutung für das lokale Weinmachen bekommen haben: die Rede ist von der Carignan Gris und der aus ihr entstandenen Carignan Blanc. In anderen Ländern existieren diese weißen Varianten nicht.

Wer unter den modernen Weinmachern ein Händchen für diese Rebsorte entwickelt hat, ist in der Lage sortenreine Carignans  auf Flaschen zu ziehen, die in jeder Hinsicht überraschend sind. Aufgrund ihrer Extrakte, Säure und ihrer Tannine haben diese Kreszenzen erhebliches Reifungspotential sowohl im Barrique als auch in der Flasche. Die eher verhaltene Frucht der Traube erinnert fast immer an Waldbeeren, Sauerkirschen und – bei sehr reifem Lesegut – an frische oder getrocknete Pflaumen. Barriqueausbau kann balsamische Noten sowie den Duft und Geschmack mediterraner Hölzer, wie z.B. Zedern, zum sensorischen Spektrum beitragen. Die Farbe eines Carignans ist immer tiefdunkel (schwarz-violett). Der Prototyp eines authentischen Cariñena-Weins ist der „Mans de Samsó“ aus der Region Montsant von der kleinen Familienkellerei Vinyes d´en Gabriel. Dieser Wein ist in seiner sensorischen Komplexität etwas für Fortgeschrittene, die ausgeprägtes Terroir schätzen. Es lohnt sich in den katalanischen Weinbaugebieten „Empordá“, „Priorat“, „Tarragona“ und „Monsant“ auf Entdeckungsreise nach reinsortigen Cariñenas zu gehen. Auch in der eher traditionell gesinnten Rioja werden neuerdings reinsortige Mazuelo-Weine gekeltert, wie der „Mazuelo Reserva“ der zum Sherry-Giganten Gonzales Byass gehörenden Bodegas Beronia, der Valserrano Mazuelo der Viñedos y Bodegas de la Marquesa oder der aufregend besondere „Primer Rosé“ von Marqués de Murrieta.

Die Geschichte der Carignan bestätigt die Erkenntnisse, die man aus dem Werdegang des roten Garnacha und roten Monastrell gewonnen hat: Unwissen und Nachlässigkeit haben diese Rebsorten in der Vergangenheit als Massenware mit zweifelhafter Qualität abgestempelt. Erst die gezielte Arbeit im Rebgarten hat vor einigen Jahren das ganze Qualitätspotential dieser Sorten offenbart und heute gelten der Grenache, der Carignan und der Mourvedre (franz. Synonym für Monastrell) sortenrein als mediterrane Klassiker, die auch wunderbare Weine in einer gemeinsamen Cuvée ergeben.

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