Schokolade zum Wein: Fakten und Fiktionen

Die Kakao-Frucht. Von Francisco Manuel Blanco (O.S.A.) – Flora de Filipinas […] Gran edicion […] [Atlas II].[Atlas II].[1], Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3311924

Immer wieder habe ich gehört, dass Wein und Schokolade am Gaumen ein sehr harmonisches Paar seien, es käme nur auf die passende Kombination der beiden an. Trotz kultureller Wurzeln, die unterschiedlicher nicht sein können, sollen Wein und Schokolade geschmacklich ein wunderbares Gespann abgeben? Beide, Wein und Schokolade, hinterlassen jeweils intensive und sehr komplexe Sinneseindrücke, die sich nicht immer unbedingt ergänzen, sondern gelegentlich sogar konträr gegeneinander stehen. Ich denke da z.B. an die Bitternoten dunkler Schokolade, die die Finesse eines lange gereiften Rotweins völlig erschlagen können und dem Attribut der Schokolade „glücklich“ zu machen nicht gerecht werden. Der Kakaoanteil spielt selbstverständlich eine große Rolle für den Charakter der Schokolade: viel davon bedeutet geringere Süße und mehr geschmackliche „power“. Dabei spielt für Fachverkoster offenbar die Kakaosorte eine entscheidende Rolle: besonders hoch im Kurs stehen Sorten wie Arriba, Criollo, Nacional oder Trinitario.

Die Namen verraten, dass sie aus dem hispanischen, in dem Fall lateinamerikanischen,  Kulturkreis stammen. In Mittelamerika, dem Land der Azteken und  Mayas, entdeckten die spanischen „Conquistadores“ die „Xocolatl“, ein bitter-scharfes Kakaogetränk. Bei ihrer Rückkehr in die Heimat war dann tatsächlich auch der Kakao im Reisegepäck der Eroberer und Hernán Cortés, einst  raubeiniger Generalgouverneur von Neuspanien,  gilt als der erste europäische Importeur von Kakao-Bohnen aus Mexico.  Doch seine Landsleute mochten das bittere, exotische Getränk nicht und es dauerte, bis man auf die Idee kam Rohrzucker zuzusetzen und so mit großem Erfolg den ersten süßen Kakao im heutigen Sinne zu servieren. Die industriell gefertigte, feste Schokolade, wie wir sie als Tafel kennen, ist ein Produkt des 19. Jahrhunderts. Damit begann auch ihre „Demokratisierung“, denn sie verwandelte sich, vor allem als Milchschokolade, vom Luxusgut zur erschwinglichen Nascherei für Jedermann.

Die Kakaopflanze namens „theobroma cacao“ stammt vermutlich aus der Amazonas-Region und hat sich von dort bis nach Mittelamerika ausgebreitet. Ihre erste Kultivierung durch die Mayas auf der Halbinsel Yucatan muss am Beginn des 7. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung statt gefunden haben. Der kommerzielle Erfolg der Schokolade war die Ursache dafür, dass der Kakaobaum mittlerweile in seinem klimatischen Wachstumsbereich zwischen dem 23. nördlichen und dem 23.  südlichen Breitengrad rings um die Welt gepflanzt wird. Neben der Sorgfalt bei der späteren technischen Verarbeitung spielt die Sorte der Pflanze für die Produktqualität eine dominierende Rolle. Für die einfache, preiswerte Schokolade, d.h. für den Massenkonsum, dient der Forastero-Baum. Er ist ertragsstark, relativ resistent gegen Schädlinge und Klimaschwankungen, folglich ist er in allen geographischen Anbauregionen die vorherrschende Sorte.  Er verfügt meist über einen sehr intensiven Kakaogeschmack ohne viele Begleitaromen, kann aber deutlich bitter oder gar säuerlich sein. Hochwertiger als der Forastero-Kakao sind die erwähnten Sorten Arriba, Criollo, oder Trinitario. Heute befindet sich der weltweit größte Produzent von über 1,5 Mio Tonnen Kakaobohnen/Jahr (40 % der Weltproduktion!) in dem afrikanischen Land Elfenbeinküste.

Die reife Kakaofrucht hat, je nach Sorte eine gelbe, gelbrote oder rot- bis rostbraune Farbe. Die gurkenförmigen, ca 20 cm langen und bis 10 cm dicken ledrig-holzigen Früchte enthalten bis zu 50 bohnenförmige Samen, die Kakaobohnen. Diese sind in ein helles süßliches Fruchtmus, die Pulpa, eingebettet. Bevor sie als Kakaopulver für die Schokoladenherstellung verwendet werden können, müssen die Samen bzw. die Pulpa fermentiert und getrocknet werden. Bei der Gärung entstehen, ähnlich wie beim Wein, eine Vielzahl von Aromen, die den späteren Charakter des Kakaos bestimmen. Nach diesem Schritt werden die Kakaosamen, geröstet, die Schalen entfernt und schließlich gemahlen. Die Geschmacksanalyse von hochwertigem Kakaopulver hat über 700 unterschiedliche Aromastoffe identifiziert, beim Wein sind es rund 950. Alleine diese Angaben lassen die enorme Vielfalt sowohl der geschmacklichen Vereinbarkeit als auch deren Inkompatibilität erahnen.

Trotz aller oberflächlichen Ähnlichkeiten zwischen Schokolade und Wein und der Tatsache, dass mancher Rotwein tatsächlich im Geschmack „Schokoladennoten“ aufweist, kann ich keine generelle Begeisterung für die Kombination beider empfinden. Ich esse sehr gerne Schokolade und ihre feinen Produkte, wie ich auch gerne Wein genieße. Der Besuch einer guten Chocolaterie oder Confiserie ist sinnlich so stimulierend wie ein gut sortierter Weinhandel! Allerdings muss die gleichzeitige Kombination der Produkte nicht unbedingt sein. Ich finde es nicht nur intellektuell nachvollziehbar, dass ein sog. „vin doux naturel“ (aufgespriteter Süßwein) von Typ des Banyls, des Madeira, des Ports oder des süßen Sherry zu bitterer Schokolade mit einem sehr hohen Kakaoanteil einen interessanten Überraschungseffekt auslöst, für  den man sich sensorisch durchaus begeistern kann. Säurereiche Weiß- oder Rotweine gehen dagegen überhaupt nicht mit Schokolade, denn es bleibt fast immer ein herbes, unangenehm stumpfes  Gefühl am Gaumen zurück. Aber, wie wir alle zur Genüge wissen: über Geschmack lässt sich trefflich streiten! Wer sich intensiver mit dem Thema „Schokolade und Wein“ beschäftigen möchte, dem seien die klugen Beiträge von Eberhard Schell zum Einstieg empfohlen.

Bleiben Sie stets neugierig… und durstig!

 

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