Eduardo Chillida in Wiesbaden

Eduardo Chillida: Windkamm in San Sebastian

Seit dem optischen und akustischen Erbebnis  der „Windkämme“ an der Westseite der Bucht von San Sebastian vor etlichen Jahren habe ich mich total in die schlichte Formensprache des Eduardo Chillida verliebt. Jedem Verfolger der Nachrichten im deutschen Fernsehen muss außerdem die eindrückliche Tentakel-Skulptur namens „Berlin“ vor dem Bundeskanzleramt in unserer Hauptstadt bekannt sein. Auch sie ist von Chillida! Anlässlich einer Veranstaltung vor etwa 20 Jahren in Bad Homburg hatte ich die Gelegenheit dem 2002 verstorbenen Künstler die hagere Hand zu schütteln und ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Also war es für mich ein Muss zur Ausstellung „Eduardo Chillida – Architekt der Leere“ im Museum Wiesbaden zu gehen, wieder seine Nähe zu spüren und meine ganz persönlichen Eindrücke davon niederzuschreiben.

Ein Schwerpunkt dieser Schau lag auf dem graphischen Werk des Künstlers. Dem unvoreingenommenen Betrachter erscheinen die Grafiken Chillidas wie „Entwürfe“ für seine Skulpturen. Dem erwähnten Kunstwerk an San Sebastians Atlantikküte, dem „peine del viento“, ist in Wiesbaden ein ganzer Ausstellungsraum mit Grafiken und vielen kleinen Modellen der imposanten, rostigen „Greifer“, gewidmet. Die Wiesbadener Veranstalter haben Chillida einen „Architekt der Leere“ genannt. Zwar konnte ich die „Leere“ in seinen Grafiken nicht immer nachvollziehen, aber das immense Gefühl der Räumlichkeit, welches seine abstrakten Skulpturen in mir ausgelöst hat, hat mich wieder überwältigt. In allen Räumlichkeiten  gibt es, dort wo eben nichts ist, auch viel Leere, die man sehen und auch physisch empfinden kann. So gesehen setzt Leere immer Raum voraus, was beide Begriffe untrennbar von einander macht, denn Leere ohne Raum ist überhaupt nicht vorstellbar. Obwohl die Graphiken betont zweidimensional, meist in tiefem schwarz und leuchtendem weiß gehalten sind, besitzen auch sie eine erstaunliche Räumlichkeit, die dem Betrachter geradezu entgegen springt. Ich hatte manchmal das Gefühl als seien die Graphiken das Ergebnis eines vom Künstler erstellten mathematischen Masterplans. Beim intensiven Hinsehen wird aber schnell klar, dass dem nicht so ist und, dass sich hinter den abstrakten Formen jede Menge Emotionalität versteckt.

Eduardo Chillida: Diptychon

Chillidas Biographie bezeugt seine große Liebe zur Musik und insbesondere zu Johann Sebastian Bach, dem er auch eine Graphik-Mappe gewidmet hat. Der Rhythmus und die Ordnung in Chillidas Schaffen gleichen tatsächlich in vieler Hinsicht der Musik. Auch die Materialien mit denen der Bildhauer  umgeht, erinnern an Klänge: Alabaster, Eisen, Holz, Beton und Stein. Ich könnte mich an dieser Stelle in der Betrachtung von Raum und Zeit verlieren, zwei Begriffe von denen manche Philosophen behaupten sie seien inhaltlich identisch. Zeit ist bekanntlich auch die Grundlage der Musik und, so gesehen, wäre die Räumlichkeit der Kunst Chillidas eben auch Musik. Es muss nicht die konkrete Musik eines Komponisten sein, es können sich auch die Klänge der Natur im Werk des Künstlers verwirklichen – die „Windkämme“ in San Sebastian sind grandiose Beispiele dafür! Die Graphiken sind zwar eigenständige Kunstwerke aber thematisch und ästhetisch eng mit den Skulpturen verbunden, was auch auf der Gefühlsebene Ausdruck findet und vom Betrachter leicht wahr zu nehmen ist. Chillida berührt mich persönlich immer wieder durch die rhythmische Harmonie seiner Kunstwerke, es fällt schwer den Blick abzuwenden, sind ie ziehen mich optisch und akustisch aber lautlos in Bann. Ihnen wohnt eine Leichtigkeit und Finesse inne, die ich bei anderen abstrakten Skulpturen fast immer vermisse.

Ich glaube, dass es gerechtfertigt ist Eduardo Chillida  zu den ganz großen Künstlern des 20. Jahrhunderts zu zählen. Seine Werke finden sich über die ganze Welt verteilt: vor dem UNESCO-Gebäude in Paris, im Innenhof der Weltbank in Washington, vor dem Hauptsitz der Thyssen AG in Düsseldorf, an der Plaza de los Fueros im baskischen Vitoria-Gasteiz, an der Triana-Brücke in Sevilla, die erwähnten Skulpturen in San Sebastian und vor dem Kanzleramt in Berlin, sind nur einige Beispiele dafür, wie Chillida rund um den Globus verehrt wird. Dank sei den Kuratoren der Wiesbadener Ausstellung für ihr Engagement und ihr feines Gespür für die Geheimnisse des baskischen Künstlers Eduardo Chillida.

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