San Sebastian, die Stadt im äußersten Nordosten Spaniens ist dem Heiligen Sebastian gewidmet. Auch ihr baskischer Name Donostia soll sich auf ihn beziehen: Don ist in dieser Sprache der Heilige, der aus Ostia kam. Tatsächlich hatte der Märtyrer die letzte Zeit seines Lebens in Rom verbracht, dessen Hafenstadt bekanntlich Ostia war. Aus heutiger Sicht ist die wichtigste Jahreszahl in der Stadtgeschichte 1813. In diesem Jahr ergaben sich die französischen Besatzer nach den napoleonischen Befreiungskriegen, nicht ohne die Stadt bis auf die Grundmauern abgebrannt zu haben. So grauenvoll dies auch war, der Wiederaufbau, der danach kam, vorwiegend in der Regierungszeit von Maria Christina von Österreich, der Witwe von König Alfons XII. und Mutter von Alfons XIII, war die Voraussetzung für die heutige großzügige Architektur dieser außerordentlich kosmopolitischen Stadt an der „concha“ (Meeresbucht in Muschelform).
Die Tapas-Kultur in San Sebastian wird in den unzähligen Bars mit den sog. „pinchos“ zelebriert. Dies sind belegte Brötchen oder Spieße im Miniformat zu denen man den baskischen „txakoli“ trinkt. Dies ist ein junger, grüner Wein aus einer autochthonen, weißen Rebsorte (Hondarribi Zuri) mit unterschiedlichem Gehalt an natürlicher Kohlensäure. Er kann von ausgesprochen sauer bis herb-fruchtig schmecken und verfügt häufig über relativ wenig Alkohol, was ihn zu einem exzellenten Durstlöscher macht. Entsprechend seinen baskischen Anbaugebieten ist er ein Getariako Txakolina, Bizkaiko Txakolina oder Arabako Txakolina.
Die Gastronomie San Sebastians ist höchster internationaler Standard: Namen wie Elena und Juan Mari Arzak, Martin Berasategui und Pedro Subijana sind zum Synonym für spanische Haute Cuisine geworden. Bei Arzak und im Akelare haben wir grandios und höchst innovativ gegessen und durften den Chefs persönlich die Hände schütteln. Im Akelare habe ich übrigens eine sehr interessante weiße Cuvée von René Barbier bestehend aus Garnacha Blanca, Viognier, Roussanne und weiss gekeltertem Pinot Noir getrunken: den „Nelin 2012“ aus der Kellerei Clos Mogador im Priorat. Er hatte sehr komplexe und intensive Aromen, eine gewaltige, voluminöse Struktur (15 Vol.-% Alkohol!) auf dem Hintergrund feiner Säure. Er passte perfekt zu einem wunderbaren Gericht aus Karden, jenem altmodischen, artischockenähnlichen Gemüse spanischer Stilleben-Meister des 17. Jahrhunderts.
Der ästhetische Höhepunkt San Sebastians war für mich fraglos die „Windkämme“ von Eduardo Chillida. Mir ist es schlichtweg unmöglich das Szenario an der äußersten Spitze im Osten der concha (Strandpromenade) in adäquate Worte zu fassen. Die Skulpturen klingen wie ein hochdramatisches Musikstück, das hier zur Aufführung kommt. Drei eiserne, vom Rost blutende Greifer sind in je einem Felsen verankert und trotzen den sich unter ihnen brechenden Wellen. Als wollten sie dem wilden Chaos des tobenden Wassers Gestalt geben ragen sie als Ruhepole in den Wind der durch ihre Klammern heult. Ich war nur einige Minuten dort, aber diese kurze Zeit hat meine Sichtweise auf die Küstenlandschaft grundlegend verändert. Schließlich bin ich ein großer Verehrer der Formensprache Chillidas. Seine, den Windkämmen nicht unähnlichen stählernen Tentakel namens „Berlin“ vor dem Bundeskanzleramt bringen ja beinahe jeden Abend in den Fernsehnachrichten ein wenig Freude und Schönheit auf den sonst meist tristen Bildschirm des Abendprogramms.