Butter im Wein?

Geliebt und verehrt: buttrige Nuancen im Weißwein.

Verehrer weißer Burgunder können beim Gedanken an die buttrigen Töne im Glas ins Schwärmen geraten. Es duftet nach frisch gebackenem Croissant unterlegt mit fruchtigen und kräutrigen Noten. In dem Strauß der komplexen Aromen stechen dezent Töne von Vanille und Buttercreme hervor. Eine symphonische Geruchs- und Geschmacksdichtung der ganz besonderen Art! Aber leider geht es auch ganz anders: manch ein Chardonnay stinkt unangenehm nach ranziger bzw. karamellisierter Butter, was als eindeutiger Weinfehler eingestuft werden muss. Hier gilt wieder die alte Regel der Pharmakologie „die Dosis bestimmt die Wirkung“. Im Falle des Butter-Aromas reden wir aus Sicht der Chemiker vom sog. „Diacetyl“. Diese relativ einfache chemische Substanz, ein sog. Di-Keton, ist ein Stoffwechselprodukt, welches während der durch Saccharomyces cerevisiae oder in noch viel höherem Maße durch Milchsäurebakterien induzierten Gärung entsteht und für den Geschmack nach den typischen gerösteten Buttertönen verantwortlich ist und zwar sowohl in Weiß- als auch in Rotweinen. Eine gewisse Konzentration von Diacetyl im Wein kann sogar stilprägend für ihn sein, denn es kann ihm rundere und vollmundigere Nuancen hinzufügen. Die Schwelle der Wahrnehmung von Diacetyl am Gaumen liegt bei einem Weißwein bei etwa 0,2 mg /l. Bei Rotweinen können die Werte über 10fach höher  bei 3 mg/l liegen; auf jeden Fall werden Werte von 5 mg/l und darüber als unangenehm und fehlerhaft empfunden. Übrigens ist exakt die gleiche Substanz auch für das „echte“ Aroma in der Molkereibutter verantwortlich!

Wie bereits erwähnt entsteht Diacetyl regelmäßig  sowohl bei der alkoholischen Gärung als auch beim sog. Biologischen Säureabbau, der malolaktischen Gärung,  also bei den Grundprozessen der Weinerzeugung. Warum nicht alle Weine nach Butter schmecken, liegt an der Tatsache, dass es einen Mechanismus gibt, durch den diese Substanz im Wein auch wieder abgebaut werden kann. Die önologische Forschung hat herausgefunden, dass dies die normalen Weinhefen (Saccharomyces ce­revisiae) selbst bewirken können. Die kellertechnische Konsequenz aus dieser Erkenntnis kann sein, dass man den Wein nach der Gärung entweder auf der Hefe liegen lässt und diese ggf. periodisch aufrührt um die Intensität des buttrigen Geschmacks zu kontrollieren. Auf diese Art gelingt es sogar junge Rieslinge mit biologischem Säureabbau zu erzeugen, ohne unangenehme laktischen Noten als Kontrapunkt zur Riesling-Frucht zu haben. Voraussetzung für diese Technik ist allerdings, dass die Hefen noch voll lebensfähig sind, was bedeutet, dass man die erste Schwefelung nach der Gärung erst nach dem Diacetyl-Abbau durchführen darf. Damit eng zusammen hängt auch, dass die Zeitspanne zwischen der alkoholischen und Initierung der malolaktischen Gärung eine wichtige Rolle für den Diacyl-Abbau spielt. Am effektivsten läuft die Reduzierung des Butteraromastoffes ab, wenn die beiden Gärungen simultan geschehen, was spontan allerdings extrem selten passieren würde. Dies kann nur durch die Zugabe entsprechender Bakterienkulturen erreicht werden.

Im Weißwein kann das Diacetyl ein ganz wesentlicher Bestandteil der Aromatik sein, demgegenüber spielt es bei der Rotweinbereitung nur eine untergeordnete Rolle. Dies liegt hauptsächlich daran, dass sehr häufig andere und intensivere  Aromen die Butternoten überlagern. Die meist längere Reifung der Rotweine mit den sich daraus ergebenden komplexen Tertiäraromen, einschließlich der eventuellen Holznoten vom Aufenthalt in Barriques überlagern im Allgemeinen die eher zarten Butternuancen. Trotzdem spürt man einen Effekt: einiges vom gelegentlich charmanten Schmelz eines Rotweins kann durch die Gegenwart von Diacetyl bedingt sein.

Diacetyl wird in großem Stil in der Lebensmittelverarbeitung zur Aromatisierung bestimmter Produkte mit Buttergeschmack verwandt. In den Labors und Produktionsstätten einer chemischen Firma, die Diacetyl herstellte, sowie in einer „Popcorn“- Fabrik, die ihrem Puffmais die geschmackliche Illusion von Zugabe frischer Butter geben wollte,  trat vor etwa einem Jahrzehnt bei Mitarbeitern  eine seltene Form von Lungenerkrankung  („Bronchiolitis obliterans“) auf. Mittlerweile steht ein kausaler Zusammenhang von Diacetylbelastung am Arbeitsplatz und der sog. „Popcorn Workers Lung“ außer Frage und es konnten verbindliche Grenzwerte festgelegt werden unterhalb derer keine Gesundheitsschädigung auftritt. Die Konzentrationen im Wein liegen ganz erheblich unter diesen Werten. Außerdem benötigt das potentiell toxischen Molekül Diacetyl den direkten Kontakt mit den kleinsten Luftröhren-Verzweigungen in der Lunge, dass dies aber beim Weingenuss passiert ist sehr schwer vorstellbar. Also können die Freunde eines Barrique-vergorenen Chardonnay weiterhin ohne Reue die wunderbar buttrigen Töne im Wein geniessen!

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