Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand an einem Bäckerladen vorbeigeht, aus dem die Düfte frisch gebackenen Brotes strömen, ohne dass er oder sie Appetit und Lust auf eine noch warme Scheibe des gerade aus dem Ofen gekommenen Laibes empfindet. Außerdem bin ich mir sicher, dass genau dieses sinnliche Erlebnis in vielen Zivilisationen über alle fünf Kontinente unserer Erde verteilt, vorkommt. Entsprechend der weiten geografischen Verbreitung des Brotes, geht seine Geschichte zurück in Zeiten, die seit mehr als sieben Jahrtausenden vergangen sind. Die ältesten Backöfen fanden Archäologen im Land der Pharaonen, dem Alten Ägypten. Dort gab es auch bereits die ersten Großbäckereien, die die tausende von Arbeitern an den Pyramiden mit Brot versorgen mussten. Der Wein kam im 4. Jahrtausend v. Chr. nach Ägypten, also kurz vor der Zeit des Pyramidenbaus. In anderen Teilen der Welt mussten die Menschen erst sesshaft werden, damit sie das Korn (und den Wein) überhaupt anbauen und pflegen konnten. Bei der überragenden Rolle des Brotes als Nahrungsmittel für den Menschen ist es nicht verwunderlich, dass ihm im Laufe seiner Geschichte viele mythologische Inhalte zugewiesen wurden. Brot wird oft mit Leben gleichgesetzt, es verkörpert sowohl das Physische als auch das Seelische in uns Menschen. Folglich war der Gebrauch von Brot für etwas anderes als die Nahrung des Menschen ein enormer Frevel. Ich erinnere mich noch gut daran, dass auf dem Dorf meiner Jugend in jeder Bauern-Familie vor dem Anschnitt eines Brotes mit dem Messer ein Kreuz auf den Laib gezeichnet wurde um es zu segnen,
In den Ländern, in denen sich aufgrund der meteorologischen Gegebenheiten eine Weinkultur entwickeln konnte, hat sich um den Wein eine dem Brot vergleichbare Mythologie entwickelt, allerdings mit etwas anderen Schwerpunkten. Während Brot, wie erwähnt, auch den menschlichen Geist verkörpert, der Dank gleichzeitiger Geschicklichkeit, Fleiß und Können im Ackerbau zur Fertigung dieses wertvollen und schmackhaften Nahrungsmittel geführt hat, repräsentiert der Wein die Freude, die Ekstase, die Sinnlichkeit und den Rausch. Auch der Wein ist ein Produkt intelligenten Ackerbaus und selbst in Gegenden wo er nicht wächst ist seine Frucht, die Traube, zum vielschichtigen Symbol geworden. Meist hat es mit Liebe, Fruchtbarkeit, Jugend oder Freundschaft zu tun. Im Christentum fanden Brot und Wein als Symbole Eingang in die Eucharistie-Feier und und im sog. „Vaterunser“ heißt es „unser tägliches Brot gib uns heute“: die Gläubigen bitten ihren Gott um geistige und leibliche Nahrung.
Die „göttliche Partnerschaft“ von Brot und Wein ist weit mehr als eine transzendentale Angelegenheit, sie ist auch ein immenser kulinarischer Genuss. Der historische Einfluss der Araber und der spanischen Mauren im gesamten Mittelmeerraum bewirkte, dass in diesen Gegenden vornehmlich aus Weizenmehl gebackenes „Weißbrot“ konsumiert wurde – und noch heute wird. Durch einen Zufall entdeckte man im Pharaonen-Land, dass Brot aus vergessenem und zwischenzeitlich gärendem Teig gegenüber dem damals üblichen Fladenbrot nicht nur lockerer sondern auch geschmackvoller geworden war. Die Kunst Hefen als Treibmittel in den Teig zu geben hat hier ihren Ursprung. Die Backhefen gehören, genau wie die Gärhefen des Weins oder Biers, zur Familie der saccharomyces cerevisiae. Ebenfalls historisch bedingt ist die große Brot-Vielfalt in Deutschland: die Kleinstaaterei, die es bis ins 19. Jahrhundert gab, hat – wie bei der Religion – auch mit den verschiedensten Getreidevorlieben der jeweiligen Fürsten den regionalen Ackerbau sehr nachhaltig beeinflusst.
Glück für uns Nachfahren, denn wir haben heute eine weltweit wohl einzigartige Auswahl an Brottypen und -stilen zur Verfügung! Neben gesäuerten und ungesäuerten Broten gibt es unterschiedliche Getreidesorten wie Roggen, Weizen, Dinkel und das Ur-Getreide namens Khorasan-Weizen. Unterschiedliche Arten das Mehl zu mahlen, z.B. grob oder fein oder gar als Vollkorn, beeinflussen Aussehen und Geschmack des Brotes. Verschiedene Beimischungen wie Kümmel, Koriander, Gewürzmischungen, Kürbis- bzw. Sonnenblumenkerne, Nüsse und Trockenfrüchte erweitern das Spektrum der deutschen Brotvarianten und machen die Möglichkeiten des Genusses schier unübersehbar.
Analog zum Wein hat sich in den letzten Jahren im deutschsprachigen Raum tatsächlich das Berufsbild des/der „Brot-Sommeliers/-Sommelière“ herausgebildet. Es gibt mittlerweile Restaurant-Angestellte, die Gäste bei der Brotwahl beraten und aufgrund ihrer spezifischen Kenntnisse Vorschläge für die Zusammenstellung von bestimmten Broten mit entsprechenden Weinen machen. Obwohl dies auf den ersten Blick vielleicht übertrieben erscheint kann diese Tätigkeit eine neue gastrosophische Dimension erschließen, wie ich selbst bei einem Besuch des wunderbaren „Steirerecks“ im Wiener Stadtpark erfahren durfte. Analog zur Kombination bestimmter Speisen mit Wein können gewisse Brotaromen sehr gut oder gar nicht zu den Weinaromen passen und eine üppige Auswahl verschiedenartigster Brote, wie sie im genannten Restaurant angeboten wird, kann durchaus zu einer geschmacklichen Herausforderung werden und einen kompetenten Berater benötigen. Auf Einzelheiten welches Brot zu welchem Wein passt möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, Vorschläge dazu findet man nämlich ausrechend in der Gourmet-Presse bzw. im Internet.
Bleiben Sie immer neugierig… und durstig!