Weinbilder als sensorische Charakterisierung des Weins?

Farbe und Gehör sind in unserer Sprache eng verquickt: wir sprechen von Farbklängen oder Farbtönen und benutzen akustische Begriffe zur Beschreibung von Farben: z.B. schrill, leise, laut. Wenn wir Farben hören können warum dann nicht auch Farben riechen oder schmecken? Die Werbeindustrie hat einen ganzen Zweig ihrer Forschung dieser Thematik gewidmet und wir wissen längst, dass z. B. ein knalliges Rot kräftige, würzige Süße mit einer leicht scharfen Nuance vermittelt während leuchtendes Grün auf frische, saftige Säure, mit kühlen und bitter-herben Empfindungen hinweist. Daneben gibt es eine ganze Palette von Zwischentönen mit jeweilseigenen Farb- sensorischen Nuancen. Die Werbung nutzt diese Erkenntnisse bereits sehr erfolgreich. Wir schmecken natürlich die Farben nicht richtig sondern assozieren lediglich mit ihnen bestimmte Düfte und Geschmäcker, so wie wir es auch mit der Musik machen können.
In einem kürzlich erschienenen Buch von Martin Darting (Das sensorische Weinbild. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart 2013) behauptet der Autor, dass Farben das optimale Medium zur Beschreibung von Düften und auch von Wein seien. An vielen selbst gemalten Beispielen, die er „Weinbilder“ nennt, versucht er seine Thesen zu verifizieren und der unvoreingenommene Leser kann dies streckenweise sogar gut nachvollziehen. Im Gegensatz zur Sprache, die ja Beschreibungen von Empfindungen nur aneinanderreihen kann, also diese in zeitlicher Abfolge darstellt, ist das Bild, genau wie der Geschmack und Geruch „holistisch“, was bedeutet, dass alle Eindrücke gemeinsam und gleichzeitig ausgelöst werden und im jeweiligen Sinnesorgan einen ganzheitlichen Eindruck hinterlassen. Die von unseren Sinnen wahrgenommenen Eindrücke sind immer holistisch. Darting behauptet, dass eine richtige Farbkombination, den Geschmack und Duft eines Weines sehr exakt wiedergeben kann. „Gefällt jemandem das (Wein-)Bild, schmeckt auch der Wein dazu“ ist sein Umkehrschluss.

Mir fehlt in Dartings Beschreibung des Weins mittels sog. Weinbilder die „Struktur des Weins“ als bildliches Element, diese spielt ja für den Genuss eine ganz entscheidende Rolle. Der Autor streift dieses Thema nur flüchtig indem er vom „hapitschen“ Verlauf der Empfindung am Gaumen spricht. Unter haptisch versteht man eigentlich „mit dem Tastsinn erfassbar“, im übertragenen Sinne wohl die sich am Gaumen zeigende („greifbare“) Struktur eines Weines. Sie wird von der Säure, den Tanninen, der Süße, den Extraktstoffen, der Mineralik und dem Alkohol, also auch alles Farben, bestimmt und ist ein ganz wesentliches Kriterium der Qualität eines Weines. Für ihre Darstellung ergeben sich aber keine einfachen Regeln wie für Geschmack und Duft. Die Struktur ist die Kunst im Wein und große Maler wie Tizian, Velázquez, Honthorst, Goya u.v.m. haben ihr Genie für sie hingegeben.

Als Beispiel für die Struktur eines Weins möge das großartige Bild „Bacchus und die Zecher“ von Velazques dienen. Selbst wenn der Zecher in der Mitte keine weingefüllte Schale in der Hand hielte, wüssten wir, dass die Kumpane Rotwein trinken. Die warmen Brauntöne weisen auf das Fassholz und die Tannine, das goldgelb der Jacke bezeugt eine gewisse Süße und eine harmonische Struktur des Weins;  die rosafarbene Decke um die Knie des Bacchus mit ihrem zarten Blaustich bringt die Mineralität zum Ausdruck. Säure ist nur sehr spärlich im Wein vorhanden, wie wir an dem fast völligen Fehlen von Grüntönen erkennen. (Siehe auch „die farbige Seele des Weins„). Für mich ist dieses Bild eines der ausdrucksstärksten „Weinbilder“ überhaupt, sowohl was die Darstellung als auch die Farbgebung betrifft.

 

 

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