Was passt zum emotional unterkühlten Fischgericht wohl besser als ein kühler Weißwein? Wie der Fisch zum Fleisch steht der Weißwein im Kontrast zum Rotwein. Nicht nur die Farbe unterscheidet die beiden konträren Pole, auch ihr Charakter. Während Rotwein in der Nase meist schwer und füllig daherkommt, sind die Düfte des Weißen eher elegant und tänzerisch. Am Gaumen präsentieren sich Weißweine meist zart und spielerisch während Rotweine nicht selten den Geschmacksinn überwältigen. Beim Weißwein reagieren unsere Sinne auf die feinen Inhaltsstoffe des Fruchtfleisches, der Rotwein hingegen ist komplexer, in ihm finden sich die löslichen Bestandteile der Traubenschalen. Ausserdem reift der Rotwein viel häufiger in Holzfässern, die ihren intensiven Geruch und Geschmack sowie Tannine an den Wein weitergeben. Daraus folgt, daß Rotwein als Partner zum Essen etwas kräftigeres und aromatischeres verlangt und das wird meist nicht Fisch sein. Die alte kulinarische Gewohnheit, Zitrone zu Fisch zu servieren zeigt, dass dieser problemlos ein wenig Säure verträgt, die seinen Geschmack hervorhebt und die der Weißwein liefern kann. Adstringierende Tannine sind wesentliche Inhaltsstoffe vieler Rotweine und gerade diese vertragen sich geschmacklich ausgesprochen schlecht mit dem tranigen Fett von Fischen. Weißweine enthalten keine Tannine, da diese aus den Beerenschalen stammen, die bei der Weißweinvinifikation ja bereits frühzeitig entfernt werden.
Trotzdem ist das Dogma „Fisch mit Weisswein“ schon längst nicht mehr universell gültig. Marcel Proust beschreibt in seinem Klassiker „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ (À la recherche du temps perdu) ein großbürgerliches Mahl um die Wende zum 20. Jahrhundert bei dem zu einer Barbe mit „Sauce blanche“ ein „ganz aussergewöhnlicher Léoville“, also ein Rotwein aus dem Medoc, gereicht wurde. Beherzte Köche haben den Rotwein für die Fischküche schon längst wiederentdeckt, allerdings muß man diese Kunst beherrschen um nicht geschmacklichen Schiffbruch zu erleiden.
Ein Gang durch die Markthallen spanischer Städte lässt sofort erkennen, daß dem Fisch dort als Nahrungsmittel einen ganz anderen Stellenwert zukommt als in unseren Breitengraden. Die Vielfalt der angebotenen Fische und Meeresfrüchte ist meist verwirrend und kein Taschenwörterbuch vermag die unendlich vielen Namen der Wassertiere zu übersetzen. Anders als ihre Nachbarn jenseits der Pyrenäen, gestalten die Spanier ihre Fischküche eher einfach. Voraussetzung dafür sind ganz frische Produkte, die entweder durch Anbraten auf der „plancha“, dem ubiquitären „Brateisen“, oder durch Kochen, Dünsten, Backen und Grillen gegart werden. Petersilie, Knoblauch und Lorbeer sind die Standardgewürze der Fischküche, dazu kommen noch Olivenöl, Salz – und auch Weißwein. Das Ergebnis der Anwendung dieser wenigen Zutaten kann göttlich sein und manch „eingefleischter“ Geniesser ist durch den kulinarischen Minimalismus spanischer Fischzubereitungen zum Fischfreund geworden.
Unter den spanischen Weißweinen findet man alle Arten, die dem Geschmack der Fischküche entsprechen. Vom aromatischen, charaktervollen Godello, blütenduftigen Rueda und dem barrique-vergorenen Chardonnay ist fast jede Geschmacksrichtung vertreten. Man sollte auch nicht vergessen, daß es in Andalusien einen Wein gibt, der die perfekte Ergänzung vieler Fischgerichte, und vorallem von Meeresfrüchten, ist: der Fino- bzw. Manzanilla-Sherry. Auch ein trocken-fruchtiger Cava aus Katalonien ist ein beliebtes Begleitgetränk zum Fisch.