Erntedankfeste

Im Oktober und November wird vielerorts auf der Welt das s. g. “Erntedankfest” gefeiert. In Deutschland gibt es keine offiziell festgelegten Daten an denen gefeiert wird. In evangelischen Gemeinden ist es meist nach dem s. g. Michaelistag, dem 29. September, während Katholiken häufig erst nach dem 1. Sonntag im Oktober feiern. Jede Gemeinde ist frei ihr Erntedankfest individuell festzulegen, Die Kirchen schmücken ihr Inneres häufig mit den farbenfrohen, frischen Produkten des Landes. Erntedank ist aber nicht nur ein religiöses Fest, an dem Gott für eine gute und reichhaltige Ernte gedankt wird, sondern in vielen Gegenden auch ein durchaus weltliches Freudenfest.

In heidnischen Zeiten huldigte man den Feldgeistern und brachte ihnen Opfergaben aus der vergangenen Ernte dar, um sie für das nächste Jahr gnädig zu stimmen. Aber es wurde an diesem Tag auch immer gut gegessen und getrunken, wobei mystische Vorstellungen vom Verspeisen des Feldgeistes vielfach eine Rolle spielten. Durch diesen Akt sollte der Geist im Menschen weiterleben und ihn zur Feldarbeit anleiten. Mit üppigen Speisen und reichlich Trank, in Weinbaugebieten natürlich mit jungem Wein vom vergangenen Jahr, wurde auch immer den vielen Erntehelfern gedankt. Diese waren ja häufig Wanderarbeiter und verschwanden nach getaner Arbeit wieder aus dem Ort bis zur Wiederkehr im nächsten Jahr. In vielen europäischen Ländern wird Erntedank gefeiert, in Spanien allerdings nur in den wenigen Gemeinden, wo es eine Tradition dafür gibt. Eines der berühmtesten Erntedankfeste der iberischen Halbinsel ist die s. g. “Fiesta de Acción de Gracias” im Dorf namens Hormilla in der Rioja, in der Nähe von Najera; diese „fiesta“ wird eine ganze Woche von Ende August bis Anfang September gefeiert.

Nirgends auf der Welt kommt dem Danksagungsfest eine solche Bedeutung zu wie in den Vereinigten Staaten von Amerika. Der “Thanksgiving Day“ ist dort ein gesetzlicher Feiertag, und ein religiöser Charakter fehlt ihm völlig. Er wird auch deutlich später im Jahr als Erntedank in Europa gefeiert, nämlich jeweils am vierten Donnerstag im November. An diesem Tag wird auch an die Pilgrim Fathers (die s. g. Pilgerväter, jene ersten Siedler aus England, die 1620 mit der „Mayflower“ über den Atlantik gesegelt kamen) erinnert. Da das Fest immer auf einen Donnerstag fällt nehmen sich viele Amerikaner den darauf folgenden Freitag als Brückenferientag und feiern ein langes Wochenende. Thanksgiving ist der wichtigste Familienfeiertag des ganzen Jahres, an dem vorwiegend traditionelles, amerikanisches Essen, wie z .B. Truthahn, Süßkartoffeln und „pumkin pie“ (Kürbiskuchen), serviert wird.

Auch das im jüdischen Kulturkreis gefeierte „Laubhüttenfest“ (hebräisch: Sukkoth) birgt den Gedanken des Erntedanks in sich, obwohl es  ursprünglich viel spezifischer eine Bitte um Regen war. Das Fest wird Anfang Oktober, also zu Beginn der Regenzeit im Heiligen Land, sieben Tage lang nach einem festgelegten Zeremoniell gefeiert. Es ist ein fröhliches Fest mit gutem Essen und reichlich Wein

Eines der schönsten Bilder zur Weinlese ist Goyas „Herbst“ im Madrider Prado. Meinem Empfinden nach ist es ein ganz wunderbares Gemälde zum Erntedankfest. Vor dem Hintergrund einer in herbstliche Pastellfarben getauchten Landschaft gruppieren sich zwei hübschen Frauen, ein junger Mann und ein Kind. Die Hände der vier Menschen treffen sich im Zentrum des Bildes und umfassen eine rote, pralle Traube, die somit zum Brennpunkt des Bildes wird. Der etwas strenge, in gelb gehaltene Anzug des Mannes kontrastiert mit der luftigen Kleidung der beiden Mädchen, deren sozialer Rang ganz offensichtlich unterschiedlich ist. Möglicherweise handelt es sich um eine Landpartie einer vornehmen Familie aus der Stadt zur Weinlese. Während die junge Bäuerin mit ihrer anderen Hand einen Korb voll roter und weißer Weintrauben auf ihrem, mit einem zart-rosa Tuch bedeckten Kopf festhält, schweift der Blick der Städterin ins Tal, wo die Arbeiter in der Ferne mit der Weinlese beschäftigt sind. Der Dunst über dem Fluss steigt zu den Bergen empor und hüllt alles in ein diffus leuchtendes Hellblau und zartes, lichtes Rot. (Siehe auch diesen Blog:  „Symposien: Der Rausch, die Gesellschaft und die Kunst“.)

 

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