
In den Medien: Verbote und Gebote zur Ernährung (Grafik: Pixabay mit Dank an OpenClipart-Vectors)
Selbst wenn man den täglichen Blätterwald nur sehr oberflächlich durchforstet, fällt einem die regelmäßige Behandlung von Ernährungsthemen auf. Ständig erscheinen neue Studien zum positiven oder negativen Effekt von Nahrungsmitteln auf unsere Gesundheit und damit auf unser Wohlbefinden. Die Intensität mit der diese Themen behandelt werden, lässt vermuten, dass hier ein großer Informationsbedarf in der Bevölkerung besteht. Essen und Trinken sind seit Menschengedenken biologische Notwendigkeiten für das menschliche Überleben. Ursprünglich hat der Mensch wohl gegessen und getrunken was die Natur unmittelbar zur Verfügung gestellt hat. Irgendwann in seiner kulturellen Entwicklung muss er festgestellt haben, dass man die Naturprodukte auch mit verschiedenen Methoden verfeinern konnte und so wurde die Gastrosophie geboren. Die Entdeckung des sinnlichen Genusses von festen und flüssigen Nahrungsmitteln wurde zu einem wichtigen Pfeiler des entstehenden Hedonismus und der damit einhergehenden, ganzheitlichen Philosophie, die in den Lehren des Epikurs gipfelte. Das griechische Wort „hedoné“ bedeutet Freude, Lust, Genuss sowie sinnliches Erleben und man kann wohl mit Recht behaupten, dass zu Epikurs Zeiten die Lust zu Essen und Trinken noch ganz mit der Natur und der entsprechenden Kultur verschmolzen war.
Erst die Aufklärung hat die geistigen Grundlagen für eine „Ernährungswissenschaft“ im heutigen Sinn geschaffen. Man hatte erkannt, dass alle Lebensvorgänge von der Aufnahme und Verstoffwechselung von Nährstoffen abhängig sind. Je tiefer die Erkenntnis der biochemischen Details der menschlichen Ernährung wurde, desto mehr wurden Essen und Trinken mit der Gesundheit zu einer Kausalitätskette stilisiert, an deren Ende das körperliche und seelische Glück bzw. dessen Gegenteil die Krankheit und das Leiden standen. Damit wurde die Gestaltung und die Qualität der Nahrungsaufnahme zu einem mitbestimmenden Faktor des individuellen Schicksals. Etwas pointiert ausgedrückt, die Ernährungskunde degradierte den Menschen zu einer biochemischen Verwertungsmaschine, in der Kohlenhydrate, Eiweiße, Fette, Wasser, Vitamine. Mineral- und Ballaststoffe ihren Platz zugewiesen bekamen. Diese Betrachtungsweise vergaß leider völlig, dass der Mensch nicht nur aus Leber, Bauchspeicheldrüse, Nieren, und anderen Organen besteht, sondern auch eine Psyche hat, die sozialen und kulturellen Einflüssen ausgesetzt ist, welche ihrerseits den individuellen Geschmack und die Genussempfindung bestimmen.
Alles was über die vom Menschen erkennbaren fünf „Urgeschmäcker“ süß, sauer, salzig, bitter und umami hinausgeht nennen wir „aquired taste“ (erworbenen Geschmack) und tatsächlich wird der größte Teil der Lust beim Essen und Trinken über diesen erworbenen Geschmack vermittelt. Dabei geht es nicht um die unendlich vielen Varianten der sinnlichen Wahrnehmung von Genuß- und Nahrungsmitteln sondern auch um die Akzeptanz von Trends in der Ernährung. Beispielhaft seien das sog. „Fast Food“ und die Fertiggerichte genannt. Eine weitere Richtung ist die Bevorzugung von sog. Bio-Produkten und die vegetarische oder vegane Richtung und – last but not least – die zahlreichen Diäten, die häufig nach ihren Erfindern benannt werden. Eine Vielzahl von Essgewohnheiten werden durch Lebensumstände wie Arbeit, Reisen oder Krankheit etc. bestimmt, andere dagegen durch weltanschauliche Überzeugungen bzw. den reinen Glauben.
In Summe stellt dies alles eine gewaltige Herausforderung für uns Menschen dar, denn wir spüren den Zwang unsere Essgewohnheiten auf eine der vielen Strömungen festzulegen, vermeintlich immer um unsere Gesundheit zu erhalten. Die Erkenntnisse der Ernährungswissenschaften haben unbestritten große Fortschritte bei der Qualität unseres Essens und Trinkens gebracht. Wie diese im Alltag allerdings umgesetzt werden, ist häufig von Ideologie und Glauben bestimmt. Orientierung sollten uns die Medien geben, die aber werden allzu oft vom Kommerz bestimmt. Lebensmittelkonzerne passen sich den Trends an und wollen damit gutes Geld verdienen indem sie die Verbraucher mit entsprechender Werbung zu manipulieren versuchen.
Eines der größten Probleme der Menschheit ist gegenwärtig ohne Zweifel der Klimawandel. Zu seiner Eindämmung können auch die Essgewohnheiten der Menschen beitragen. So kann die Herstellung von tierischen Lebensmitteln zu einem erheblichen Ausstoß von Treibhausgasen bei der Fleischproduktion führen. Man kann durch Umstellung der Ernährung versuchen den CO2-Fußabdruck zu verringern. Dies ist bereits ein Zukunftstrend, wer allerdings, wie manche politische Gruppen, nicht an den Klimawandel glaubt, wird auf diesen Zug auch nicht aufspringen. Nach heutigem Kenntnisstand ist der Homo sapiens weder ein reiner Fleischfresser (Karnivore) noch ein reiner Pflanzenfresser (Herbivore), sondern ein Allesfresser (Omnivore) und damit prädestiniert seine Ernährung auch den jeweiligen Bedürfnisen der Umwelt anzupassen.
Die Tages- und Wochenpresse sowie die sog. Sozialen Medien bedrängen uns in nie dagewesener Weise, unsere Essgewohnheiten ihren Ratschlägen und „wissenschaftlich bewiesenen“ Vorschriften anzupassen. Gesundheit, Lebensdauer und Umwelt stehen im Mittelpunkt dieser unterschiedlichen Beiträge. Ob man sie befolgen oder ignorieren sollte, ist eine sehr persönliche Entscheidung und ähnlich der Frage der negativen Wirkung des Alkoholkonsums auf die genannten Parameter. Man muss das Risiko des Genusses und der Lust gegen die abträgliche Konsequenz bestimmter Essens- und Trinkgewohnheiten abwägen und damit seinen individuellen Weg zu Glück und Freude bei der oralen Triebbefriedigung finden, so wie unsere Vorfahren es übrigens intuitiv schon immer gemacht haben!
Bleiben Sie stets neugierig …und genussvoll durstig!