Der Petrolton im Weißwein

    1. An der Tankstelle kann man Petrolgeruch vorfinden (Foto: Pixabay mit Dank an Paulbr75)

In einer Runde von Weinfreunden diskutierten wir einmal die möglichen Einflüsse der direkten Umgebung eines Rebgartens auf Duft und Geschmack des fertigen Weins. Eukalyptus-und Tannenwälder oder blühende Sommerwiesen und etliches mehr wurden als potentielle Aromalieferanten beprochen. Ein jüngerer Teilnehmer  berichtete von einem Weißwein, in dem man deutlich die Tankstelle, die sich angeblich neben der Kellerei befand, riechen und schmecken konnte. Beiĺm Nachfragen stellte sich heraus, dass es wohl ein Riesling mit einem Petrolton gewesen war, den er da beschrieb. Gut oder schlecht, genussvoll oder defekt? Das war jetzt die Frage, die zu klären war. Begriffe wie Alterston, Firn, Reifenote, Nuancen von Schiefer und etliche mehr wurden als Erklärung bemüht aber ob der Petrolton ein Fehler oder ein Qualitätsmerkmal ist, blieb bis zuletzt strittig. Ich selbst habe mich schon oft gefreut, wenn ich einen zarten Hauch von Kerosin am Gaumen verspürte, in seiner elegantesten Ausführung erinnert mich diese rauchige Note sogar an feines, mit Birkenteeröl behandeltes „Juchtenleder“. Duftstoffe dieser Art finden auch in der Parfümindustrie Anwendung, werden also ganz offensichtlich allgemein als angenehm empfunden. In meiner Wahrnehmung können sowohl moderate Petrol- als auch Juchten-Nuancen die Komplexität und Tiefe eines Weißweins deutlich erhöhen.

Die önologische Forschung hat mittlerweile herausgefunden, dass eine chemische Verbindung namens 1,16-Trimethyl-1,2 Dihydro-Naphtalin, kurz TDN bezeichnet, für den spezifischen Petrol-Duft verantwortlich ist. Wo kommt dieses TDN her? Auch dafür haben die Biochemiker eine Erklärung: TDN ist ein natürliches Abbauprodukt der sog. Carotinoide. Diese wiederum sind pflanzliche Farbstoffe, die in vielen Gemüse- und Obstsorten vorkommen. Ihr Farbton kann von, gelb über orange bis hin zu leuchtendem rot reichen. Klassisches Beispiel ist das Beta-Carotin, welches der Möhre ihren typischen Orangeton verleiht. Auch in weißen Trauben kommen Carotine vor und bestimmen die farbliche Zusammensetzung der „weißen“ Schale, die ja tatsächlich zwischen hellgelb und dunkelrosa variieren kann. Der Farbstoff der roten Trauben gehört dagegen zu einer anderen Gruppe natürlicher Pigmente: den Anthocyanen. Trotzdem enthalten auch rote Trauben Carotine, nämlich im Fruchtfleisch. In den Trauben befinden sich spezifische Zellen, die für die Pigmentproduktion zuständig sind, die sog. Chloroplasten. In den Weinblättern produzieren diese z. B. auch das Chlorophyll. Für den Menschen sind die Carotine wichtig, denn sie stellen die biochemische Vorstufe (Provitamin) des für den Sehvorgang essentiellen Vitamins A dar. Ihre Synthese in den Chloroplasten wird durch Sonneneinstrahlung aktiviert. Die Entstehung von TDC aus den Carotinen in größerem Ausmaß, erfolgt erst in der Flasche. Es benötigt also einige Zeit der Weinreifung und kann durch hohe Temperaturen während der Lagerung sowie durch Oxydation des Weins bei schlechter Korkqualität beschleunigt werden. Auch der Reifegrad des Lesegutes kann ein Faktor sein und daher trifft man den Petrolton häufiger in Spät- und Auslesen an.

Unter den weißen Rebsorten nimmt der Riesling mit Bezug auf den Gehalt von Carotinen eine Sonderstellung ein. Je nach Standort des Rebstockes, insbesondere seiner Exposition zum Sonnenlicht und dessen täglicher Dauer, kommt es erwartungsgemäß zur Bildung größerer Mengen Carotine, die dem Riesling dann ein goldenes Aussehen im Glas verleihen. Wer kennt nicht den alten Gassenhauer
„Wenn das Wasser im Rhein, gold’ner Wein wärJa dann möcht‘ ich so gern ein Fischlein sein…“?
Er bezieht sich auf den hohen Gehalt dieser goldgelben Pigmente im Riesling. Die natürliche Konsequenz dieser Tatsache ist dann ein höheres Risiko der Bildung von TDC in der Flasche. Rieslinge, aber selbstverständlich auch andere, säurebetonte Weißweine aus warmen, sonnenreichen Gegenden wie Südafrika, Kalifornien oder Australien enden häufig mit einem Petrolton im Glas, daher sind Maßnahmen wie der Sonnenschutz durch die eigenen Blätter mittels entsprechender Erziehungsmethoden der Reben (Blätterdach!) ein Muss in diesen Ländern. Während man in Deutschland häufig das Gegenteil tut, nämlich die Trauben komplett vom Laub befreit um bei dem relativ sonnenarmen Wetter die Reifung zu erleichtern. Vielleicht macht der Klimawandel dieses Vorgehen ja eines Tages unnötig!

Noch gibt es kaum Methoden der effektiven Verhinderung der TDC-Bildung, Man hat in den forschenden Weinbauschulen sehr viel experimentiert, aber alle bislang probierten Maßnahmen scheiterten an der durch die Manupulation verursachten Geschmackveränderung des Endproduktes.

Ist der Petrolton nun doch ein Zeichen des Alters? Nach allem was man bislang weiß, ist die Frage zu verneinen. Die einmal in einer Flasche gebildete TDC-Menge bleibt über Jahrzehnte gleich. Wenn man geschmacklich allerdings das Gefühl hat, dass sich der Petrolton durch längere Flaschenlagerung verstärkt, so mag es durchaus so sein, weil sich die meisten anderen Aromen durch die Alterung abschwächen und das Petrolgefühl dadurch stärker empfunden wird. Aus den hier dargelegten Fakten ergibt sich, meiner Meinung nach, eindeutig, dass das Vorhandensein eines Petrolton ein Weinfehler ist, den einige Weinfreunde bereit sind ein Stück weit zu tolerieren und gar zu lieben. Das ist auch gut so, denn wie immer gilt: „de gustibus non est disputandum“!

Bleiben Sie stets neugierig …und genußvoll durstig!

 

Empfehlen Sie uns weiter - würde uns freuen!

Diskussion geschlossen.