Die vermeintliche Regionalität von Konsumgütern hat sich mittlerweile zu einem Verbraucherfetisch entwickelt und ist damit ein großes Thema in der Bevölkerung. „Der Schreiner im Nachbardorf macht Stühle auf denen noch die Urenkel sitzen werden, das frischeste Fleisch gibt es beim Metzger auf der Bahnhofstrasse, die Blumen aus ihrer eigenen Gärtnerei verkauft Luisa frisch geschnitten an ihrem Markt-Stand“. So oder ähnlich hören sich die Schwärmereien der Gesundheitsapostel und Genießer, Fleischliebhaber und Vegetarier oder auch der Naturschützer und Ökofreaks an, die sich wegen der angeblich höheren Qualität der Produkte für die Regionalität begeistern können. Aber es gibt, gerade bei Lebensmitteln, noch weitere Gründe, die für eine regionale und damit auch saisonale Ernährung sprechen. Mit immer schneller werdenden und zunehmend automatisierten Herstellungsverfahren wird nur noch Massenware hergestellt, die großen, supranationalen Konzerne erhalten häufig reichliche staatliche Subventionen, wodurch es die privaten Bauern häufig nicht mehr leicht haben im Wettbewerb Schritt zu halten und zu bestehen. Beim Kauf regionaler Lebensmittel bleibt das Geld in der Region und kann hier wieder reinvestiert werden. Auch der soziale Aspekt spielt eine Rolle: Menschen in der Nachbarschaft sollte man für Ihre ehrliche Arbeit, die man ja schließlich selbst mit den eigenen Augen sehen konnte, unterstützen und damit für den Fortbestand der jeweiligen Arbeitsplätze in der Region sorgen.
Angesichts der aufgezeigten Regionallogik haben es diejenigen Hedonisten pbesonders schwer, für die z. B. das Non-Plus-Ultra eines Nachtisches eine pakistanische Flugmango oder eine Passionsfrucht aus Paraguay ist, oder deren Fleischeslust nur durch argentinisches Rinderfilet gestillt werden kann. Der sog. CO₂-Fußabdruck all dieser und ähnlicher Gelüste ist aus den Gesichtspunkten des Klimaschutzes eigentlich nicht akzeptabel. Konsumgüter über den ganzen Globus zu transportieren müsste nicht sein, wenn die Genießer dieser Welt auf exotischen Nahrungsmittel-Luxus verzichten könnten. Es geht nicht mehr ausschließlich darum Geld zu sparen, sondern vorrangig um die Vermeidung weiterer Klimaschäden und damit den Erhalt unserer Umwelt als Lebensgrundlage. Jenseits aller Qualitäts- und Gaumenkitzel-Ideologien ist es ein Gebot der Stunde klimaschädigende Aktivitäten so weit wie möglich zu unterlassen. Komme niemand mit dem Argument, dass ich alleine in der Klimapolitik nichts ausrichten kann, sondern nur eine weltweite, konzertierte Aktion! In der Demokratie, der „Herrschaft des Volkes“ haben alle Bürger und Bürgerinnen die gleichen Rechte und Pflichten und müssen zwingend die Gesetze auf denen die Gesellschaft fußt, einhalten. Das gilt sowohl im juristischen als auch ganz besonders im ethischen Sinn.
Der Weinfreund ist in unserem Lande von den genannten Bürgerpflichten natürlich nicht ausgenommen. Er muss sich die Frage gefallen lassen, ob es noch vertretbar ist, Weine, nur um eines vermeintlichen Geschmacks- und Geruchskicks Willen, von anderen Kontinenten nach Europa schiffen zu lassen. Nach den im Online-Portal „statista“ veröffentlichten Daten wurden im Jahre 2021 aus Südafrika, Australien, den USA und Chile, als den vier Hauptexporteuren aus Übersee von Wein nach Deutschland, insgesamt über 1.800.000 Hektoliter Wein importiert. Das entspricht knapp der gesamten Menge der Weinimporte aus Frankreich, ist also keine Kleinigkeit. Wenn wir für Weine den regionalen Rahmen etwas größer fassen und ihn auf ganz Europa ausdehnen, möchte ich behaupten, dass wir heute in keinem der Übersee-Länder einen genießerischen Mehrwert gegenüber europäischen Weinen erhalten. Daraus folgt, dass wir ohne nennenswerte Einbußen bei unserer Freude am Wein, auf die fernen Anbaugebiete gut verzichten könnten um unseren CO₂-Abdruck zu reduzieren. Dadurch hätte auch der Tourismus in die weit entfernten Weinländer eine zusätzliche Motivation, nämlich dort die guten lokalen Weine genießen zu können.
Mir sind keine genauen Zahlen der CO₂–Emission pro Flasche eines „Überseeweins“ bekannt, in jedem Fall dürften sie aber deutlich über den Werten der im Herstellungsland verkauften Flaschen liegen. Eine Studie aus Spanien kommt zu dem Ergebnis, dass der Kohlendioxyd-Ausstoß pro 0,75 l-Flasche eines spanischen Weißweins bei etwa 1,3 kg liegt (zit. nach Thomas Götz, Vino&Alma Weinmagazin, undatiert). Betrachtet man die Prokopf-CO₂-Emission im Jahr 2021 in Deutschland von 8.900 kg (nach „statista“) mögen die Mengen für eine einzige Flasche Wein gering erscheinen. Dazu kommt noch, dass das tägliche Austrinken einer ganzen Flasche pro Person in unseren Breitengraden eher selten vorkommen mag, so dass der reale Weinanteil des CO₂-Fußabdruckes eines Weintrinkers vermutlich weit unter 1 kg Kohlendioxyd pro Tag liegt. Können wir die Einschränkung des Konsums von Übersee-Weinen aus Gründen des Klimaschutzes also vergessen? Ich möchte Nein sagen, denn bekanntlich haben kleine Blumen kleine Blätter, d. h. die Vermeidung des kumulativen Effektes kann natürlich einen, zugegebenermaßen kleinen, Teil zum Klimaschutz beitragen. Gerade weil der Zusammenhang von Klima und Weinqualität so ins Auge bzw. auf die Geschmacksnerven springt, sollte das Bewusstsein des Weintrinkers durch Einbeziehen der eigenen Verantwortung für den Verlauf des Klimawandels ein wichtiger Aspekt bei seinem Verhalten im Alltag sein.
Bleiben Sie stets neugierig …und genußvoll durstig!