Paprika: über Spanien durch die ganze Welt nach Ungarn

Aus Bolivien (?) für die Welt: süße und scharfe Paprika

Der Begriff „Nachtschattengewächse“, zu denen so beliebte Nahrungsmittel wie die Tomate, die Kartoffel, die Aubergine und die Paprika gehören, regt die Phantasie an. Die Herkunft des erstaunlichen Namens dieser Pflanzenfamilie ist nicht eindeutig geklärt. Er lässt aber vermuten, dass Aberglaube und Magie bei der Namensgebung eine Rolle gespielt haben könnten. Schon im Mittelalter war nämlich der „schwarze Nachtschatten“ (mittelhochdeutsch: nahtschade), der fast überall auf der Welt auf Brachland wächst, ein begehrtes Genuss- und Heilmittel. Das darin enthaltene Solanin, ein Alkaloid, konnte allerdings beim Verzehr der Blätter oder der tiefblauen Beeren erhebliche Magenbeschwerden verursachen und sogar von Todesfällen wurde berichtet. Aber insbesondere die in jenen Tagen besonders gefürchtete, magische Kraft der Hexen konnte durch die Einnahme von schwarzem Nachtschatten gebrochen werden! Wenn danach die Nebenwirkungen der Behandlung überwiegten waren es, im Glauben der Betroffenen, noch die Reste des erfolgreich kupierten Hexenzaubers.

In Lateinamerika gehören einige Nachtschattengewächse bzw. deren Früchte zur Jahrtausende alten Genusskultur, die im Rest der Welt völlig unbekannt war. Eine dieser Früchte hat eine ganz besonders glänzende Karriere hinter sich, denn sie hat, als Folge ihrer Übersiedlung  nach Spanien im Reisegepäck von Christoph Columbus, die Küchen auf dem gesamten Erdball im Sturm erobert: die Paprika. Um zu verstehen warum die Geschichte gerade der scharfen Variante dieses Gewächses so eine Erfolgsstory wurde, muss man wissen, dass Schärfe im Essen ein natürliches, bei vielen Menschen vermutlich genetisch bedingtes Bedürfnis ist. Scharfes Essen ist einfach besser verdaulich, der Geschmack von verdorbenen Lebensmitteln wird durch Schärfe übertönt und schließlich üben scharfe Gewürze auch eine gewisse konservierende Wirkung auf das Essen aus. Schon die Römer haben sich Pfeffer aus Indien in großen Mengen bringen lassen, aber mit dem Untergang ihres Reiches ging in unseren Breitengraden auch die Kunst des scharf Würzens verloren.

Erst am Beginn der Neuzeit wurde der teure, immer noch aus Asien entlang der „Gewürzstraße“ importierte Pfeffer erneut der Scharfmacher Nummer Eins. Allerdings konnten sich nur wohlhabende Bürger oder der begüterte Adel an der teuer importierten Schärfe erfreuen.  Da war die Entdeckung der Paprika, die es auch in verschiedenen scharfen bis sehr scharfen (spanischer Pfeffer) Varianten gab, ein Geschenk des Himmels, denn sie waren relativ anspruchslos und gediehen in allen warmen Ländern Europas. Ihre leichte Verfügbarkeit führte zunächst zu einer strikten Ablehnung der Paprika in der höheren Gesellschaft, ihre Schärfe  galt als zu grob und als gewöhnlich.  Nach Asien kam die Paprika entlang der „Seidenstraße“ und insbesondere die Inder haben sie sofort begeistert aufgenommen und in ihre Küche fest integriert.

Im Schlepptau der scharfen Gewürz-Paprikasorten eroberten auch die „Süßen“ als Gemüse die Kochtöpfe in allen fünf Kontinenten. Die Türken haben sie auf ihren Handelswegen von Indien wieder mit nach Europa genommen und bei der Eroberung Ungarns im Jahr 1526 auch dort eingeführt. Es war wohl Liebe auf den ersten Bissen, denn seither ist die Paprika geradezu zum Synonym ungarischer Küche geworden. Praktisch gleichzeitig entdeckten auch die Spanier die von Columbus mitgebrachte Frucht endgültig für sich. Hier wie dort verbreiteten sich zunächst tatsächlich die süßen roten Sorten: sie wurden in der Sonne getrocknet, fein gemahlen und als Paprika-Pulver zum Würzen und Färben von Speisen benutzt. Dem gegenüber wurden die kleinschotigen „Scharfen“ zunächst nur als Zierpflanze kultiviert. Die unter den magyarischen Köchen beiderlei Geschlechts beliebteste Paprika ist die „Spitzpaprika“, sie heißen in ihrer Heimat auch „fehér paprika“ (weißer Paprika). Sie hat ein ganz charakteristisches Duftspektrum, an das sich jeder Genießer, der es einmal in der Nase verspürt hat, ein Leben lang erinnert. Unter den roten sind die Favoriten die süßen und sehr aromatischen Tomatenpaprika mit ihrem dicken und festen Fleisch und ohne Schärfe. Aus ihnen entsteht auch Paprikamark, das ursprünglich in der türkischen Küche entwickelte „Pritamin“.

Auch die Spanier kennen eine Art von milder Tomatenpaprika, die sie „pimiento“ nennen. Aus ihnen wird der  „pimenton dulce“, das süße Paprikapulver, hergestellt. Diese pimientos sind nicht mit den roten Gemüsepaprika zu verwechseln, die deutlich größer sind und sich auch in unseren Breitengraden großer Beliebtheit erfreuen. Daneben gibt es noch die grünen Bratpaprika, die u. a. unter dem Namen  „pimientos de Padrón“ bekannt wurden; ihren Ursprung haben sie im galicischen Dorf Padrón. In Olivenöl gebraten und mit „flor de  sal“ aus den Salzgärten der iberischen Atlantikküste bestreut, sind sie eine vegetarische Delikatesse sondergleichen. Aus den Verbreitungswegen der spanischen und der ungarischen Paprika wird deutlich, dass es sich um zwei von einander unabhängig entwickelte Küchenkulturen der Paprika handelt.

Abschließend möchte ich noch einen Kollegen erwähnen, der sich vor mehr als hundert Jahren außerordentlich verdient um die Paprika gemacht hat, indem er die Schärfe der jeweiligen Sorten zu quantifizieren versuchte. Wilbur Scoville war Pharmakologe bei der 1866 im amerikanischen Detroit gegründeten Pharmafirma „Parke, Davis and Company“.  Dieses Unternehmen hatte das erste pharmazeutische Laboratorium der Welt und in diesem entwickelte 1912 Scoville  die noch heute benutzte „Scoville-Skala“ zur Beschreibung des Schärfegrades von Paprikaschoten. Details über die zugrunde liegende Methodik erfahren Sie über diesen link. Vergessen Sie bitte nicht, dass Speisen mit Scoville-Werten um oder über 1200 am angenehmsten mit einem kühlen fruchtigen Weißwein (gerne mit etwas Restsüsse) genossen werden können!

Bleiben Sie stets neugierig und… durstig!

 

 

 

 

 

 

Empfehlen Sie uns weiter - würde uns freuen!

Diskussion geschlossen.