Jonathan Franzen: Vögel sind wichtig!

J. Franzens Buch in dem der Essay „Warum Vögel wichtig sind“ enthalten ist.

Über der nahen Wasseroberfläche trillert ein Schwarm von Bienenfressern und manche von ihnen schlagen mit den Flügeln das frische Nass auf, dass es wie ein Haufen Glasperlen funkelnd in die Höhe spritzt. Das Treiben ist so bunt und lustig wie die in der Sonne leuchtenden Farben der Vögel. Wenig später erscheinen die Schwalben und beginnen ihre luftige Ballett-Vorstellung. Wie zum Rhythmus des eingängigen a-moll-Walzers von Chopin tanzen sie in großen und kleinen Schleifen schwerelos fliegend durch den Himmel und stoßen jauchzende Freudenschreie aus. Auch ein zitronengelber Pirol ist an Ort und Stelle und singt immer wieder seine wohlklingende Koloratur. In solchen Augenblicken wird mir die ganze Schönheit der Vogelwelt bewusst und wie wunderbar es ist sich ihr öffnen zu können. Vögel gibt es überall auf der Welt, auf dem Land, in der Stadt, in Steppen und Wäldern und über dem Wasser der Meere. Wie lange noch? Die Veränderung des globalen Klimas und die massive Vermüllung und Schadstoffkontaminierung unsere Welt macht allen Lebewesen, die die Kontinente und Meere bevölkern, schwer zu schaffen. Lebensbedingungen und –räume werden eingeschränkt oder verschwinden gar ganz und der Mensch als Mitverursacher dieser Misere, lässt seinen Beitrag zur Behebung dieser Missstände in nicht zielführenden politischen Diskussionen verkommen.

Die Umweltbelange der Vogelwelt werden wohl von niemandem besser und verständnisvoller  verteidigt als vom amerikanischen Romancier und Essayist Jonathan Franzen. Er hat nicht nur Welt-Bestseller wie „Die Korrekturen“ und „Freiheit“ geschrieben sondern auch den Globus bereist um den Vögeln auf allen Kontinenten und Meeren nachzuspüren und die Veränderungen ihrer Lebensräume zu beschreiben und Missstände den Zeitgenossen bewusst zu machen. In „Das Ende vom Ende der Welt“ (Rowohlt Verlag, Hamburg, 2019) ist er in einem Essay mit dem Titel  „Warum Vögel wichtig sind“ auf die gegenseitigen Beziehungen von Mensch und Vogel eingegangen. Dabei ist er selbstverständlich auf die Rolle der Vögel im ökologischen Gleichgewicht der Natur zu sprechen gekommen. Dass sie Insekten-Schädlinge in Schach halten, Pflanzensamen verbreiten und  Blüten bestäuben sind nur einige Eigenschaften mit denen sie sich nützlich machen. Ein anderer Aspekt ist ihre Indikatorfunktion für die ökologische Gesundheit einer Region.

Neben der rein utilitaristischen Sicht auf die Bedeutung der Vögel für uns Menschen, gibt es auch die ethisch motivierte Betrachtungsweise. Vergessen wir doch nicht, dass Vögel schon lange bevor der Mensch die Bühne dieser Welt betrat, die Erde bevölkert haben. Manche von ihnen stammen sogar in direkter Linie noch von den Dinosauriern ab und wieder andere kommen zoologisch dem Jahrtausende alten Original ganz nahe. Die Vögel verbinden uns mit der langen und spannenden Geschichte unserer biologischen Herkunft und stellen eine einzigartige Beziehung des Menschen mit der Natur dar. Ja, Vögel besitzen Eigenschaften, über die wir Menschen teilweise auch verfügen: sie stehen auf zwei Beinen, reisen für ihr Leben gerne und sind musikalisch hochbegabt. In der Vielfalt ihrer Erscheinungsformen spiegeln sie auch die große Variabilität menschlicher Charaktere wider. Um eines haben wir die Vögel immer zu tiefst beneidet: ihre grenzenlose Freiheit!  Der Vogelkäfig ist konsequenterweise  zum universellen Symbol der Unterdrückung geworden. Aber die Freiheit der Vögel ist nur relativ, denn sie wird vom Menschen durch die kontinuierliche Zerstörung der Umwelt immer mehr eingeschränkt. Vögel selbst können keinen Umweltschutz betreiben, das liegt einzig und alleine in der Verantwortung des Menschen.

Franzen hält nichts von der überbordenden Rhetorik der Umwelt- und Klimaschützer, die begangene Fehler bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft wieder rückgängig machen wollen, denn er hat längst verstanden, dass dies in den Industrieländern die Aufgabe von Lebensstandards bedeutet wofür sich in keiner Gesellschaft eine Mehrheit finden lassen würde.  Statt globalem Klimaschutz, der sowieso für viele Lebewesen viel zu spät kommt, plädiert Franzen für einen angemessenen regionalen Naturschutz. Als leidenschaftlicher Vogelbeobachter und passionierter Freund der gefiederten Lebewesen kennt der Autor die erschreckenden Zahlen der  Massentötungen von Zugvögeln in manchen Mittelmeerländern, oder die Zerstörung der Meeresvogelwelt auf einigen entfernten Inseln durch den bewussten Import von Katzen. Vehement und mit sprachlicher Eleganz fordert er ein Ende dieser und anderer Missstände, die die Vogelwelt ernsthaft bedrohen. Konkrete Maßnahmen umzusetzen, statt langes Palaver über Kohlenstoffdioxyd-Emissionen und was man dagegen machen könnte, bedeutet nicht das Leugnen der von Menschen mitverursachten Klimaveränderungen, sondern fordert direkt umsetzbare Hilfe für eine bedrohte Tiergattung. Die Vögel sind, nach Franzen, neben uns Menschen, die anderen weltbeherrschenden Lebewesen und wir möchten mit ihnen  unbedingt weiter auf dieser Erde zusammenleben und sie bewundern dürfen. Mir scheint ein Kernsatz des genannten Essays zu sein: „Vögel dem Vergessen preiszugeben heißt zu missachten, wessen Kinder wir sind.“

Bleiben Sie stets neugierig… und durstig!       

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