Der sog. „pH-Wert“ spielt in der Önologie eine nicht unbedeutende Rolle. Er drückt die Stärke eines sauren oder basischen Milieus u.a. im Most, im Wein selbst und im Boden des Rebgartens aus. „Die Säure im Wein ist wie das Salz in der Suppe“ war einmal ein Titel in diesem blog und tatsächlich wirken säurearme Weine am Gaumen schlapp und langweilig. Um den Säuregrad während der Vinifikation jederzeit überprüfen zu können ist eine einfache und schnelle Methode erforderlich, und genau dies liefert die Bestimmung des pH-Wertes. Um zu erfahren wie es funktioniert, kann man sich der gewünschten Information über den Namen nähern. Die Buchstaben p und H stehen für das lateinische „pondus Hydrogeni“ was so viel heißt wie „Gewicht des Wasserstoffs“, in der Sprache der Chemiker ist damit „die Konzentration der Wasserstoff-Ionen“, die auch als „Protonen“ bezeichnet werden, gemeint. Eine wässrige Lösung, die viele Protonen enthält ist immer sauer und entsprechend steht die Bezeichnung basisch bzw. alkalisch für eine Lösung mit sehr wenigen Protonen. Säuren spalten in wässriger Lösung wie Wein Protonen ab, starke Säuren mehr als schwache. Die Konzentration von Wasserstoff-Ionen ist für den Säuregrad der Lösung verantwortlich.
Der pH-Wert ist die Maßeinheit dafür, die Skala reicht von 0 bis 14, wobei 7 neutral ist. Logisch wäre auf den ersten Blick, wenn viel Protonen einen hohen pH-Wert und wenige einen entsprechend niedrigen bedeuten würden; aber es ist genau umgekehrt: unter 7 ist es sauer und darüber alkalisch! Das hat mit der Berechnung es pH-Wertes zu tun: er ist nämlich der „negative dekadische Logarithmus der Protonen Konzentration“. Da man die im Grunde einfache Erklärung dieses mathematischen Kunstgriffes auch „googeln“ kann, erspare ich mir hier weitere und verwirrende Erklärungen dazu!
Den südeuropäischen Weinbauländern, wo säurearme Moste an der Tagesordnung sind, ist der pH-Wert ein wesentliches Kriterium für die Entscheidung ob im Keller mit Weinsäure angesäuert werden soll oder nicht. Ein pH-Wert von 4,0 also immer noch im sauren Bereich, stellt für Weißweine eine Art imaginäre Grenze dar, jenseits der man dort beginnt über die Zugabe von Säure nachzudenken. Bei Rotweinen liegt diese etwas höher. Aber, und jetzt kommt die große Einschränkung, Wein besteht nicht nur aus Säuren mit einer linearen Beziehung zum pH-Wert sondern enthält auch reichlich Kalium (370-1120 mg/l), was den pH-Wert erhöht. Deshalb ist der gemessene pH-Wert des Weins stets das Ergebnis der gegenläufigen Wirkung von Säuren und Kalium. Durch diese Tatsache verursacht, kann es passieren, dass ein säurearmer Wein einen ungewöhnlich niedrigen pH-Wert aufweist, wenn er wenig Kalium enthält. Umgekehrt kann ein säurereicher Wein einen sehr hohen pH-Wert zeigen, wenn er entsprechend viel Kalium enthält. Eine definitive Erkenntnis über den Säuregehalt eines Weins kann man daher auf der Basis des pH-Wertes im Zweifel gar nicht erhalten. Als grobe Orientierung mag es vielleicht ausreichen, ebenso wie für die Beurteilung der mikrobiologischen Stabilität, d.h. der Haltbarkeit eines Weines, die großteils abhängig vom ph-Wert ist. Wichtig ist auch zu wissen, dass der Kalium-Gehalt eines Weines abhängig von der Niederschlagsmenge im Vegetationszyklus der Rebe ist, denn Trockenheit kann zu vermindertem Kaliumgehalt in der Pflanze führen. Übrigens, auch die Menge der gelösten Kohlensäure im Wein bestimmt den pH-Wert mit, geht aber nicht in die Messung der titrierbaren Säure ein.
Wie immer in der Önologie, ist fast jeder Messwert ein multifaktorielles Ereignis mit ganz unterschiedlichen Einflüssen bei seinem Zustandekommen. So ist es auch beim pH-Wert des Mostes oder des Weines. Die Säure- bzw. Kaliumgehalte der Trauben sind sehr jahrgangs- bzw. witterungsabhängig. Das Gleiche gilt für die Rebsorten, denn der Kaliumgehalt wird u. a. auch genetisch geregelt und Sorten wie z.B. Riesling haben von Natur aus sehr niedrige Werte. Demgegenüber ist es bei Burgundersorten wiederum umgekehrt, und das zeigt sich auch sehr deutlich im Geschmack der späteren Weine. Auch kellertechnisch kann man Einfluss auf den ph-Wert nehmen, wie die völlig legale Säuerung von Weinen in Europs Süden zeigt.
Unter den Weinmachern wird die Relevanz des pH-Wertes für Charakter und Geschmack eines Weines kontrovers diskutiert. Obwohl er immer gemessen und dokumentiert wird, deklarieren viele Kellereien ihn überhaupt nicht und beschränken sich auf die Angabe der sog. titrierbaren Gesamtsäure in g/l. Damit möchten sie Missverständnisse von vornehinein ausschließen. Andere erkennen die Einschränkungen der Aussagefähigkeit des pH-Wertes zwar an, schwören aber auf seine Aussagefähigkeit, insbesondere im Zusammenhang mit dem Geschmackserlebnis am Gaumen, wo sich Reife und Stil eines Weines offenbaren. Ein kleines Taschen-pH-Messgerät ist bereits für unter 10,00 € zu erhalten und vielleicht sollte es zur persönlichen Ausstattung eines jeden Weinfreundes gehören, damit auch er Erfahrung über den pH seiner Lieblinge und seinen Bezug zum Geschmackserlebnis sammeln kann.
Bleiben Sie stets neugierig… und durstig!