Apropos Greta Thunberg

Ausschnitt aus dem 1830 von Eugène Delacroix gemalten Bild „Die Freiheit führt das Volk“ (die sog. „Jeanne d´Arc“)

„Wie könnt ihr es wagen, meine Träume und meine Kindheit zu stehlen mit euren leeren Worten?“ Diese, mit Tränen in den Augen gestellte Frage eines 16-jährigen Mädchens an die versammelten Politiker bei den Vereinten Nationen hat die Welt aufgerüttelt. Viele, die vor ihren häuslichen Bildschirmen Zeuge dieser Szene wurden, haben aber spontan sehr aggressiv reagiert und einen „shitstorm“ gegen Greta Thunberg in den sozialen Medien losgelassen. Dagegen waren viele andere, und dazu zähle ich mich selbst auch, tief berührt und konnten der jungen Frau irgendwie beipflichten. Alleine die Tatsache, dass sie vor diesem Gremium gesprochen hat, d.h. dass man sie eingeladen hatte dies zu tun, verdient schon großen Respekt; übrigens nicht nur vor Greta Thunberg sondern auch vor den Vereinten Nationen und ihrem Generalsekretär! Jetzt ist Greta endgültig zu einer Ikone der „Klima“-Bewegung geworden, ja vielleicht ist sie sogar die Jeanne d´Arc des 21. Jahrhunderts? Doch die Frage bleibt im Raum: warum gibt es diesen immensen Hass auf dieses Mädchen, welches nur in emotionale Worte („Wutrede“) gefasst hat, was fast alle heute denken und von ihren Politikern fordern? Ich kann mir vorstellen, dass es die bodenlose Angst vor einer Wahrheit ist, die man nicht hören will, weil man mit ihr nicht mehr so leben könnte wie bisher und etwas sehr Liebgewonnenes aufgeben müsste. Die schwedische Schülerin hat den kapitalistischen Gesellschaften dieser Welt einen Spiegel vorgehalten in dem sie auf das vom Klimawandel verursachte Leid und den drohenden Zusammenbruch ganzer Öko-Systeme hingewiesen hat. Dem gegenüber scheinen, laut Greta Thunberg, die Politiker nur über Geld und ewiges wirtschaftliches Wachstum zu reden, ohne sich auch nur das Geringste, um die damit in direktem Zusammenhang stehenden Klimaveränderungen zu scheren.

Trotz aller tiefen Sympathie für Greta und ihre mittlerweile weltweit aktive Bewegung „Fridays for Future“, bleibt  ihr Appell  in meinen Ohren irgendwie merkwürdig gehaltlos. Sie und ihre jungen Genossinnen und Genossen berufen sich auf die Wissenschaft, die die Klimaveränderungen erforscht und dokumentiert hat. Auf der Grundlage von Messdaten werden von Forschern  Klimaprognosen erstellt, die häufig von Laien wie Aktivisten oder Politiker, dann in deren Weltbild als unumstößliche „wissenschaftliche Erkenntnis“ eingeordnet werden. Dabei hat gerade diese Gruppe von Menschen überhaupt nicht das tatsächliche Wissen für eine wirkliche Einsicht sondern sie versuchen lediglich die Thesen der Zukunftsforscher  für sich selbst verständnisgerecht zu interpretieren. Das mündet logischerweise nicht in wirklicher Reflexion sondern in einem puren Glaubensbekenntnis. Während in der Wissenschaft die ständige intellektuelle Möglichkeit der Widerlegung einer These die  Wissenschaftlichkeit geradezu ausmacht, wird sie im Glauben, vehement abgelehnt bzw.. bekämpft. Genau das passiert gerade im öffentlichen Diskurs über den Klimawandel. Wer sich nicht mit fliegenden Fahnen den Klima-Aktivisten anschließt ist ein „Klimaleugner“ und wird in der Ecke von Lobbyisten für Kohlekraftwerke oder  die Automobilindustrie bzw. in die geistige Nähe des gegenwärtigen amerikanischen Präsidenten gestellt. Das ist in hohem Maße unredlich und vergiftet das gesellschaftliche Zusammenleben. Mir gefällt das nicht.

Selbst wenn die meisten der Umwelt-Prognosen der Vergangenheit nicht in den prophezeiten Dimensionen mit entsprechenden Konsequenzen eingetreten sind (siehe z.B. das Waldsterben, die weltweite Wasserverknappung, die Überbevölkerung, Dürreperioden, Artensterben, Smog-Katastrophen u.s.w.), ist es sicher der einzig gangbare Weg für die Bewohner dieser Welt möglichst viele Faktoren, die unser Überleben erschweren, und die wir beeinflussen können, aus unserer Umgebung zu eliminieren, das kann nur die Lebensqualität von uns und den nachfolgenden Generationen verbessern. Die Zukunft entwickelt sich nicht geradlinig aus der Gegenwart, sie geht häufig unvorhersehbare Umwege und gerade deswegen müssen wir alle Möglichkeiten, die sich uns bieten, nutzen, die dem Erhalt der Micro- und Macrodiversität der Lebensformen auf unserem Planeten dienen. Für diese politische Erkenntnis sind wir auch Greta Thunberg und ihren jungen weiblichen und männlichen Mitstreitern von „Fridays for Future“ zu Dank verpflichtet. Allerdings, Plakate und Straßenpräsenz  können nur ein klitzekleiner Anstoß für gesellschaftliche Veränderungen sein!

Bleiben Sie stets neugierig… und durstig!

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2 comments to Apropos Greta Thunberg

  • Udo Gutzeit

    Sehr geehrter Herr Dr. Hilgard,

    auch ich habe diesen „shitstorm“ zunächst erstaunt und dann befremdet wahrgenommen. Autos mit großen Aufklebern im Heck: „F… you Greta“!

    Es gibt dafür nach meiner Überzeugung nur eine vernünftige Erklärung. Das „kleine“ Mädchen jagt vielen Erwachsenen große Angst ein; das wiederum liegt vermutlich am schlechten Gewissen dieser Menschen. Offensichtlich hat Greta also viele Menschen erreicht, auf die eine oder andere Weise. Vielleicht setzt später ja noch ein weiteres Nachdenken auch bei diesen Menschen ein. Meinen Respekt hat sie allemal.
    Freundliche Grüße,
    Udo Gutzeit

    • phil

      Ich habe mich sehr gefreut zu lesen, dass ich mit meiner Meinung nicht alleine bin. Danke für den feedback!