Ein spritziger Wein zeichnet sich durch seine am Gaumen wahrnehmbare frische Säure aus. Das bewirken häufig nicht nur die üblichen Weinsäuren sondern auch die im Wein enthaltene Kohlensäure, d.h. dem Reaktionsprodukt des gasförmigen Kohlendioxyds (CO2) mit Wasser. CO2 entsteht im Prozess des Gärablaufes gleich zwei Mal: zunächst bei der alkoholischen und später ggf. bei der malolaktischen Gärung, dem biologischen Säureabbau. Sehr vereinfacht beschrieben besteht die erste Gärung in der Umwandlung des Zuckers der Trauben in Alkohol durch die Hefezellen (Saccharomyces cerevisiae). In dieser biochemischen Reaktion werden immer auch größere Mengen von Kohlendioxyd gebildet und so ist es nicht verwunderlich, dass jeder Wein dieses Gas in gelöster Form enthält. Der Gehalt an Kohlendioxyd beträgt normalerweise bis zwischen 0,5 und 2,0 g/l CO2. Mengen über 2,0 g/l bleiben bei normalen Umwelttemperaturen und Luftdruck nicht mehr in Lösung sondern entweichen als Gas, was dann das typische Prickeln kohlensäurehaltiger Getränke auf der Zunge bzw. am Gaumen verursacht. Nach Abschluss der alkoholischen Gärung kann es, bei entsprechenden physiko-chemischen Voraussetzungen und induziert durch sog. Milchsäurebakterien zu einer zweiten Gärung kommen, wobei die Äpfelsäure des jungen Weines in Milchsäure und wiederum Kohlendioxyd (CO2) umgewandelt wird. Da die entstandene Milchsäure wesentlich milder und weniger aggressiv ist wird dieser Prozess „biologischer Säureabbau“ (BSA) genannt. Auch das dabei entstandene Kohlendioxyd löst sich als zweite Kohlensäurequelle im Wein. Die Summe der Kohlensäure aus den beiden oben beschriebenen Gärprozessen wird nicht von der chemische Analyse des Gesamtsäuregehaltes im Wein erfasst und deswegen geben die Säurewerte nur ein annäherndes Bild vom geschmacklich tatsächlichen Säureempfinden beim Verkosten eines Weines.
Es gibt in der Weinkultur einige Weinarten bei denen die Kohlensäure ganz im Vordergrund des subjektiven Genusses steht: der Champagner und seine Spielarten Cava, Sekt, Asti – kurz Schaumweine aller Herkünfte, sind die Protagonisten dieser Richtung. Der flaschenvergorene sog. Pétillant Naturel, auch kurz „Pet Nat“ genannt, ist eine Art verkürzter Champagner für Bio-Freaks und gegenwärtiges Trendgetränk unter der vinophilen Jugend. Auch unter den kohlensäurehaltigen Kunstprodukten wie dem italienischen Prosecco frizzante oder dem Perlwein, in denen die Kohlensäure im Keller zugeführt wird, gab es enorme Markterfolge. Selbst bei den eigentlichen Freunden des Stillweins, also nicht prickelnder Weine, breitet sich immer mehr der Spaß am „moussierenden“ Wein aus. Zwar ist diese im Augenblick nur auf junge Weiße und Rosés beschränkt, aber viele Winzer beginnen immer intensiver darüber nachzudenken, wie sie dieses zunehmend häufiger werdende Kundenbedürfnis auch für Rotweine, nach Art des italienischen Lambrusco aus der Emilia-Romagna, kellertechnisch erfüllen können.
Als die Vinifikation in den Kellereien noch nicht so ganz auf der Höhe der heutigen Zeit war und die Weinmacher im Wesentlichen vom eigenen Vater bzw. Großvater ausgebildet wurden, war das Moussieren, d. h. die Schaumbildung (franz.: mousse = Schaum) bzw. das Perlen nach dem Öffnen der Flasche ein eindeutiger Hinweis auf einen gravierenden Qualitätsmangel. Diese Kohlensäure rührte nämlich von einer Nachgärung in der Flasche. Unsauberes Arbeiten führte noch vor der Abfüllung zur Kontamination des Weines mit Gärhefen oder Milchsäurebakterien, so dass eine Gärung in der Flasche unter entsprechenden Lagerverhältnissen auch noch lange nach der Abfüllung erneut beginnen konnte. Geschmack und Geruch derartig verdorbener Weine waren zum Genuss nicht mehr wirklich geeignet. Ganz anders ist es beim gewollten und geplanten Kohlensäuregehalt eines Weines.
Die Kohlensäure nach der Gärung zu erhalten ist nicht ganz einfach, denn es erfordert neben ständiger Kühlung auch möglichst wenig Bewegung des jungen Weins. Einfacher ist die Gärung in Drucktanks mit entsprechender Kühlung, nach ihrem französischen Erfinder „Charmat-Methode“ benannt. Alternativ kann die Einperlung des CO2 mittels einer „Fritte-Kerze“, einem kleinen Keramikteil welches das Gas nur sehr langsam und dosiert an den Wein abgibt, im normalen Gärtank erfolgen. Die Anwendung dieser Methode ist ohne großen Mehraufwand in jeder Kellerei möglich. Dagegen sind Drucktanks und kontinuierliche Begasungsgeräte aufwendig und teuer und werden aus diesem Grunde meist nur von großen Schaumweinherstellern benutzt. So attraktiv und erfrischend ein spürbarer Rest Kohlensäure im gekühlten Weiß- oder Roséwein sein kann, so gefährlich ist er auch für die Aromen und das Bukett des Weines. Die entsprechenden, ebenfalls flüchtigen Duft-Moleküle können sich an das entweichende Gas binden und sich damit der sensorischen Wahrnehmung durch den Genießer entziehen. Zurück bleibt ein unattraktiver, schaler Wein. Andererseits kann die Kohlensäure, wenn sie sich nicht verflüchtigt, genau wie andere Säuren im Wein, zu dessen Stabilität einen wichtigen Beitrag leisten.
Bleiben Sie neugierig und durstig!