Die Compact Disk (CD) – ein alter Hut?

CDs im Regal können für einen Musikliebhaber große Erlebnisse bedeuten

Wegen ihres Umzuges in eine kleinere Wohnung hat uns eine Freundin ihre gesamte, in den letzten Jahrzehnten zusammengetragene Sammlung an CDs mit klassischer Musik überlassen. Voller Stolz und Freude haben wir dies immer wieder anderen Bekannten und Musik-Freaks erzählt und dafür meist furchtbare Häme geerntet. „Wie könnt ihr euch das antun? Heute holt man sich doch jedes beliebige Musikstück über einen Streaming-Dienst ins Wohnzimmer!“, so oder so ähnlich hieß es mehrheitlich. Stream heißt Strom und bezeichnet einen kontinuierlichen Datenstrom über ein Netzwerk, in das man sich mit oder ohne Kosten „einloggen“ und Musik hören kann. Man braucht weder Regale zum Aufbewahren der Tonträger noch Speicherplatz im Computer und hat Zugang zu unendlichem Musikspaß. Meine limitierte Erfahrung mit Spotify o. ä. Diensten hat mir gezeigt, dass diese tatsächlich unübertroffen sind, wenn es darum geht, sich rasch in ein exotisches, unbekanntes Stück Musik „einzuhören“. Beim akustischen Erleben der bekannten und im Gedächtnis gespeicherten Lieblingsmusik fehlt beim Streaming dann aber völlig die Vorfreude auf den Genuss, der entsteht, wenn man die CD aus ihrer steifen Plastik-Box holt, sie sorgfältig und mit Ehrfurcht in den „Player“ legt, ggf. das „booklet“ aus seiner Verankerung löst um sich über den Interpreten oder die Satzfolge des Stückes zu informieren und um schließlich den Knopf am Abspielgerät zu drücken und es losgeht. Manchmal regen sogar die Bilder auf dem „Cover“ der CD die Fantasie noch zusätzlich an und vermitteln bestimmte Eindrücke von der Musik auf der entsprechenden CD.

Ich sehe ein, dass der- oder diejenige, dessen oder deren musikalische Sehnsucht in der schieren Masse der Titel oder in der Vielfalt der Genres liegt, sich eher den Streaming-Diensten zuwenden wird, als in das kostenträchtige Unternehmen eines Kaufs von Tonträgern zu investieren. Dies hat naturgemäß zur Folge, dass der Umsatz dieser seit Jahren rückläufig ist. Im Musikgeschäft sind es allen voran die Compact Disks (CDs), die heute unter der Konkurrenz aus dem Internet leiden. Die alte Vinyl-Langspielplatte (LP) erlebt dagegen gerade ein Revival sondergleichen und die Diskussion, ob die LP oder die CD den besseren Ton erzeugt, trägt in ihrer Schärfe schon beinahe religiöse Züge. Angeblich werden durch die digitale Technik bestimmte Obertöne verschluckt und daher sei das Musikerlebnis einer CD anders und weniger authentisch. Wer das hören kann, sollte sich glücklich schätzen! Einhellig ist die Meinung aber darüber, dass die Audioqualität der Streamings nicht an eine gute CD herankommt. Bei allen Diskursen dieser Art sollte man sich aber bewusst sein, dass die Übersetzung von akustischem Reiz zu psychologischer Wahrnehmung von Mensch zu Mensch außerordentlich unterschiedlich differenziert sein kann. Die CD stellt in meinen Augen einen großen Fortschritt dar: durch die digitale Aufnahme- und Speichertechnik unterbrechen keine mechanischen oder Staubkorn-induzierten Kratzer bzw. Störgeräusche mehr die Freude an der Musik. Diese ist natürlich letztlich auch abhängig von der Qualität der jeweiligen Wiedergabeanlage. Eine kleine Besonderheit haben die CDs noch zusätzlich: man kann sie kopieren und damit andere Personen an der eigenen Musikbegeisterung teilhaben lassen.

Der letzte Punkt führt zu einem anderen Aspekt und den definiere ich mit dem Begriff „Besitz“. Psychologen sagen uns, dass der Drang zum Besitz tief in unserer menschlichen Natur verankert sei. Aus evolutionärer Sicht erkennt man dies auch bei zahlreichen Tierarten, die ein territoriales Verhalten zeigen und den Schutz ihrer Ressourcen, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, durchzusetzen versuchen. Ich kann mir gut vorstellen, dass meine große Zuneigung zu den Musik-CDs auch auf diesen Zusammenhängen fußt. Den Musikträger tatsächlich zu besitzen befreit von der latenten Angst, dass Streaming-Dienste ihren Betrieb einstellen, oder bestimmte Musikstücke aus ihrem Sortiment eliminieren könnten. Auch die Hardware des Computers kann, unabhängig vom „Player“, kaputtgehen und das Streaming unmöglich machen. Mit der physisch präsenten CD im Regal „habe“ ich meine Musik und kann jederzeit frei über sie verfügen. Es ist ein wenig wie mit Büchern: Sie im Computer gespeichert oder tatsächlich physisch greifbar zu haben sind für mich zwei Welten. Ein Buch kann ich in die Hand nehmen, darin herumblättern und an einer beliebigen Seite anfangen zu lesen, genau wie ich mir auf einer CD den Satz einer Sonate oder eines Stücks aus den anderen Stücken der Einspielung, ganz beliebig nach meiner Wahl vorspielen und so soft ich will wiederholen lassen kann.

Wie sehr die klassische CD aus der Zeit gefallen sein mag, kümmert mich, ehrlich gesagt,  wenig – zumindest so lange sie noch produziert wird und ich sie erwerben kann. Für mich stellt sie, wie seit Jahrzehnten, unverändert einen integralen Bestandteil unserer Musikkultur dar und ich weiß, dass ich ohne sie, trotz der vorhandenen Alternativen, sehr viel vermissen würde!

Bleiben Sie stets neugierig …und genussvoll durstig!

 

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