Katzenmusik

Jean Ignace Isidore Gérard

Jean Ignace Isidore Gérard: Lithografie „Charivari“ (gemeinfrei)

Jean-Jacques Grandville (1803 – 1847) war ein französischer Zeichner und Grafiker, dessen Buchillustrationen in seinem Land zu den Klassikern zählen. Er hat u.v.a. den Don Quijote, La Fontaines Fabeln, Gullivers Reisen und Robinson Crusoe mit Bildern versehen, daneben war er auch ein begnadeter Karikaturist, wie seine hier abgebildete Lithografie mit dem Titel „Charivari“ unter Beweis stellt. Ein Charivari ist eigentlich eine Kette mit allen nur denkbaren Anhängern (von Münzen bis zu Zähnen wilder Tiere), die in Süddeutschland zu Trachten getragen wird. Das Wort kommt aus dem Französischen, wo es so viel wie „Lärm“ oder „Radau“ bedeutet, dies ist dann der etymologische Hintergrund zu einer weiteren deutschen Übersetzung, nämlich der „Katzenmusik“. Schauen wir uns das Bild etwas genauer an, erkennen wir eine Vielzahl von Musikinstrumenten, die von teilweise lustig maskierten Personen alle gleichzeitig gespielt werden. Dass es sich um eine Karikatur handelt, wird auch durch den nackten Hintern, der neben dem Horn offensichtlich ein weiteres Blasinstrument repräsentieren soll, dargestellt.

Im Deutschen bezeichnen wir dissonante und nicht wohltönende Musik als Katzenmusik. Die Assoziation sind dabei natürlich die häufig nachts schreienden oder jaulenden Katzen, die ihr Paarungsritual vollführen oder ihr Revier geräuschvoll verteidigen. Diese Laute haben schon manches Kind vor dem Einschlafen dermaßen erschreckt, dass es begann, sich selbst in das Katzenkonzert einzubringen und auch los geschrien hat. Neben der objektiven Katzenmusik, die von den meisten Menschen auch als solche erkannt wird, gibt es dafür noch Begriffe wie Kakophonie, Furore, Krach, Randale, Krawall, oder Rabatz. Darüber hinaus gibt es eine subjektive Katzenmusik, zu der auch allerseits akzeptierte Musik werden kann, wenn sie im falschen Moment oder am falschen Ort ertönt. Wer in seinem Zimmer am Schreibtisch sitzt, um eine Arbeit fertigzustellen und durch die Wand ertönt aus dem Nebenzimmer Beethovens Fünfte in großer Lautstärke, können genau diese Töne zur Katzenmusik werden, weil man sie in just diesem Moment überhaupt nicht hören will. Popmusik, etwa die Rolling Stones mit „I Can’t Get No Satisfaction“  kann außerordentlich schrill und abweisend klingen, wenn man im Schuhgeschäft gerade beim Anprobieren ist.

In diesem Zusammenhang fällt mir mein Besuch in einer kleinen kalifornischen Kellerei ein, wo über Lautsprecher Beethoven und Bach im Weinkeller, in denen die Barriques mit dem jungen Rotwein lagen, ertönten. Der Wein wird rund um die Uhr beschallt, erklärte mir vertrauensvoll der zuständige Önologe. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die abgespielten Stücke „Betriebsgeheimnis“ seien, „zu laut sollten sie allerdings nicht sein!“, gab er zu bedenken. Der Wein wird harmonischer und ausgeglichener durch die Musik während des Reifungsprozesses – so jedenfalls lautete seine Hypothese. Tatsächlich sind Schallwellen Schwingungen, die sich nicht nur in der Luft, sondern auch in Flüssigkeiten, wie Wein und im Holz der Fässer, ausbreiten können. So können sie helfen, die Hefen in der Schwebe zu halten und somit wie eine Art “bâtonage” auf den reifenden Wein wirken. Die Wirkung von Musik auf biologische Systeme ist seit langem bekannt. Ein eklatantes Beispiel ist die Beschallung von Milchkühen zur Steigerung der Milchproduktion. Dabei kommt es auf die „richtige“ Musik an. Ein Favorit der Kühe scheint übrigens Beethovens „Pastorale“ zu sein. Während man bei den Gärhefen davon ausgehen kann, dass sie kein Gehör haben, ist das bei Kühen natürlich anders. Musik ist ein sehr intensives emotionales Kommunikationsmittel und als solches findet sie in der Humanmedizin ja auch gelegentlich Anwendung (Musiktherapie). Vermutlich gilt das auch in einem bestimmten Umfang für Tiere. Was sich da allerdings auf molekularer Ebene tut, ist völlig unbekannt und Gegenstand der Forschung. Über eine Winzerin im Piemont habe ich in einer seriösen Zeitung gelesen, dass sie ihre Rebgärten über mehrere Lautsprecher mit Musik von Wolfgang Amadeus Mozart beschallen lässt. Die so mit klassischer Musik konfrontierten Weintrauben reifen deutlich früher als die Trauben in der Stille der Natur. Außerdem werden Tiere, die die Trauben eigentlich gerne fressen, ferngehalten. Man kann sich vorstellen, wie Hasen, Füchse, Wildschweine und Rehe unter den Lautsprechern liegen und die Musik genießen und darüber das Traubenfressen vergessen!

Ob es sich bei den beschriebenen Effekten der Musik um den klassischen Fall der selbsterfüllenden Prophezeiung, bei der sich eine intensive Erwartungshaltung realisiert oder gar um hehre Wissenschaft handelt, ist noch nicht endgültig entschieden. Zurück zur Katzenmusik: in einer bereits 2019 veröffentlichen Studie* konnte tatsächlich gezeigt werden, dass klassische Musik einen beruhigenden Effekt auf Katzen ausübt, Stress und Angst reduzieren kann und dadurch messbar den Blutdruck der zuhörenden Katzen senkt. Die Schlussfolgerung über Katzenmusik ist also, dass es sie wirklich gibt, für die Katzen als positives und für den Menschen als negatives akustisches Erlebnis.

*Effects of music on behavior and physiological stress response of domestic cats in a veterinary clinic. A. Hampton, A. Ford, R. E. Cox, C. Liu und R. Koh, J. Feline Med Surg, 2019

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