Unter dem Begriff „Bordelaiser Brühe“ versteht man weder eine Suppen-Spezialität von der Garonne noch einen in der Kellerei verunglückten Bordeaux-Wein. Es handelt sich vielmehr um ein altbewährtes Pflanzenschutzmittel bestehend aus Kupfervitriol, Kalk und Wasser welches in der Landwirtschaft beim Wein- und beim Obstbau seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Anwendung findet. Der „falsche Mehltau“ ist eine Pilzkrankheit der Reben, die entweder einen muffig-schimmeligen Geschmack im Wein erzeugen und oder auch zu erheblichen Einbußen der Erntemenge führen kann. Diese Rebkrankheit reagiert sehr empfindlich auf die Bordelaiser Brühe. Während es für den konventionellen Rebbau einige „chemischer Keulen“ gibt, die zuverlässig den gefürchteten Pilz in Schach halten, ist im ökologischen Rebbau nur die Bordelaiser Brühe, bzw. das Kupfervitriol (Kupfersulfat) zugelassen. Das soll sich aber jetzt nach dem Willen der EU-Kommission ändern!
Dass Kupfer als Fungizid (Mittel zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten) überhaupt zugelassen ist, ist vielen Toxikologen und Umweltschützern ein Dorn im Auge. Das Schwermetall reichert sich nämlich im Boden an und kann verheerende Wirkungen auf die Fauna dort haben. Die biologisch wichtigen Regenwürmer, „die unterirdischen Helfer der Winzer“, sterben durch das Kupfersulfat und stehen dann weder für den Abbau von Giften noch für die Belüftung des Bodens zur weiteren Verfügung. Das Problem ist außerdem, dass sich Kupfer in der Erde stark anreichert und über sehr lange Zeit dort verbleibt. Nach heutigen toxikologischen Gesichtspunkten wäre die „Bordelaiser Brühe“ überhaupt nicht mehr zulassungsfähig, d. h. sie dürfte gar nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Aufgrund der langen Historie und des heutigen Wissens, dass auch wesentlich geringere Mengen als früher angewandt wurden, sehr wirksam sein können, hat man, auch mangels einer Alternative, die leuchtend blaue Bordelaiser Brühe im Öko-Weinbau offiziell erlaubt. Dagegen rührt sich jetzt ernsthafter Widerstand.
Dazu muss man wissen, dass im konventionellen Weinbau eine chemisch synthetisierte und, wie viele Studien gezeigt haben, weitgehend untoxische Substanz, das Kaliumphosphonat, außerordentlich effektiv den falschen Mehltau bekämpfen kann. Es handelt sich um eine anorganische chemische Verbindung, nämlich um ein Salz der Phosphonsäure. Dieses war bis 2013 auch für den ökologischen Rebbau zugelassen, wurde dann aber von der EU daraus verbannt. Das war für die Öko-Winzer seinerzeit eine mittlere Katastrophe, denn sie wurden nun abhängig vom einzigen noch verfügbaren und sicher nicht unschädlichen Fungizid, dem Kupfersulfat. Viele Skeptiker sahen schon damals das Ende des ökologischen Rebbaus gekommen, insbesondere natürlich in den klimatisch feuchten Ländern, in denen der falsche Mehltau je nach gefallener Regenmenge, für die Winzer in manchen Jahren existenzbedrohende Ausmaße annehmen konnte. Ein ähnliches Szenario baut sich jetzt wieder auf: sollte nämlich Kupfersulfat auf die europäische Abschussliste gesetzt werden könnte es vielfach das Ende der Öko-Weine bedeuten, da dann dem verheerenden Mehltau-Erreger, einem Eipilz namens Plasmopara viticola das Feld überlassen würde und kein wirksames Fungizid mehr zur Verfügung stünde. Dies offenbart das ganze Dilemma des ökologischen Weinbaus. Wäre es jetzt nicht an der Zeit, dass man endlich den Boden der Ideologie verlässt und sich mehr an der tatsächlichen Schädlichkeit von Pflanzenschutzmitteln orientiert als an deren Herkunft aus der Natur oder dem Laboratorium?