Was ist eigentlich „mineralisch“ im Wein?

Manchmal habe ich das Gefühl als diene das Adjektiv „mineralisch“ lediglich zur Beschreibung eines komplexen Weinbuketts. Natürlich habe ich persönlich genaue Vorstellungen was mineralisch bedeuten könnte, aber des Öfteren scheinen andere Weinfreunde etwas völlig anderes unter diesem Begriff zu verstehen. Feuerstein, Kieselsteine, Erde, Kreide und vielleicht auch noch Salz, Jod und Tinte sind für mich Gerüche und Geschmäcker, die im Wein vorkommen und bei deren Wahrnehmung ich an etwas Mineralisches denke. Andere Verkoster sind deutlich großzügiger und subsumieren praktisch alles was nicht Frucht, Holz oder Tannin ist unter Mineralik. Dadurch wird aus einem eigentlich klaren Begriff etwas sehr Schwammiges und Unbestimmtes. Muss Wein nicht sogar mineralische Komponenten haben und ist daher die Beschreibung „mineralisch“ nicht immer irgendwie korrekt und letztlich auch unanfechtbar?

Eigentlich sollten wir Deutschen uns mit mineralhaltigen Getränken gut auskennen, denn in unserem Land wird sehr viel „Mineral“-Wasser konsumiert, über 100 Liter pro Einwohner sollen es jährlich sein. Zwar gibt es zwischen den verschiedenen Wässern deutliche Unterschiede im Geschmack aber, dass sie tatsächlich „mineralisch“ schmecken würden habe ich noch nicht gehört, im Gegenteil, viele Wässer werben mit ihrem „neutralen“ Geschmack, selbst wenn sie noch Mengen bis zu 2,5 g/l Mineralstoffe enthalten. Der Gehalt an Mineralstoffen im Traubenmost liegt durchschnittlich zwischen 3 und 5 g/l, also etwas höher. Während der Gärung fällt er allerdings wieder deutlich ab. Die Zusammensetzung und Konzentration der einzelnen Mineralien ist beim Mineralwasser und im Most sehr ähnlich (vorwiegend Kalium, Calcium, Magnesium und Natrium). Damit ist es, objektiv betrachtet, eher unwahrscheinlich, dass Mineralien wesentlich zum Geschmack des Weins beitragen. Im Bukett wird man die gelösten Salze der Mineralien sowieso nicht ausmachen können, diese riechen nämlich bei Normaltemperaturen nicht, wie das Beispiel Kochsalz für jeden in der Küche nachvollziehbar demonstriert. Im weitläufigen Sinn können viele natürlich vorkommende, anorganische (siehe unten) und oft kristalline Feststoffe als Minerale bezeichnet werden. Nur die genannten und kaum aromatischen Mineralien zählen als echte Nährstoffe, die auch die Rebe, wie jede Pflanze, zu ihrem Wachstum benötigt.

Es macht viel Sinn anzunehmen, dass der Boden auf dem der Rebstock steht, einen wichtigen Anteil an dem Charakter des späteren Weins hat. Die Vorstellung vom „Terroir“ beruht ja ganz entscheidend auf diesem Postulat. Es ist aber vielleicht ein wenig sehr vereinfachend gedacht wenn man Bodenduft im Bukett mit dem Boden, den die Wurzel des Rebstocks umgibt, sensorisch in Verbindung bringt. Es gibt sehr viele Aromastoffe im Wein, manche davon entstehen tatsächlich erst während der Vinifikation oder während des Ausbaus, die auch solche Böden-Düfte induzieren. Viele dieser Aromen suggerieren zwar etwas Mineralisches, sie stammen aber von den Polyphenolen in der Traubenschale ab und sind daher ihrer Natur nach organischen, und nicht mineralischen Ursprungs. In der Chemie wird ja zwischen organischen und anorganischen Stoffen unterschieden, wobei diese Einteilung ursprünglich eine Unterscheidung von chemischen Verbindungen natürlichen (organischen) und nicht natürlichen Ursprungs war.  Heute bezieht man die organische Chemie eher auf die Anwesenheit von Kohlenstoff, als „Lebensbaustein“, in einem Molekül, während sich die „anorganische Chemie“ vorwiegend mit Mineralien beschäftigt.  Letztlich ist aber die sog. Mineralik im Wein keine Domäne der anorganischen Chemie sondern eine sehr subjektive, und von ihrer Entstehung her, vielfältige Geschmacksempfindung des menschlichen Gaumens. Das sollten alle Weinliebhaber verstehen und so akzeptieren und mit dem Begriff  „mineralisch“ vielleicht etwas differenzierter umgehen..

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