Über Sinn und Unsinn der sog. „Aromatherapie“ (vom griech. aroma = würziges Kraut, Gewürz) ist viel geschrieben und gesagt worden seit im Jahr 1910 der französische Chemiker René- Maurice Gattefossé die heilende Wirkung des Duftes von Lavendelöl entdeckte und den Begriff prägte. Heute ist die Aromatherapie eine Sparte der alternativen Medizin bzw. im weitesten Sinne auch der Pflanzenheilkunde (Phytotherapie). Allerdings setzt sie ein gerüttelt Maß an Vorstellungskraft voraus, denn die zur Anwendung kommenden Düfte sollen die Seele und den Geist der Pflanze widerspiegeln und dadurch eine beruhigende, harmonisierende und anregende Wirkung ausüben (Voraussetzung dafür wäre m. M. ein Duftextrakt aus echten Pflanzen und kein synthetisches Öl!). So weit so gut: wohltuende Düfte verursachen tatsächlich bei den meisten Menschen ein seelisches und körperliches Wohlbefinden. Das haben schon die Römer gewusst und duftende Öle für das Ambiente in ihren Behausungen benutzt.
Patrick Süskind trug mit seinem Bestseller „Das Parfüm“ wesentlich zur Renaissance der Aromatherapie (auch Osmotherapie – von osmé: griech.= Duft), bei. Nicht nur Esoteriker verdampfen in ihren Wohnräumen ätherische Öle, auch in Massage-Salons, bei Heilern und Heilpraktikern sowie in der Krankengymnastik werden Duftöle in großem Maßstab angewandt. Die heutige Aromatherapie bedient sich rund achtzig unterschiedlicher Duftöle, die in umfangreichen Publikationen aufgelistet und jeweils bestimmten medizinischen Problemen bzw. Krankheitszuständen zugeordnet sind. Dass die Therapieempfehlungen nicht wissenschaftlicher Erkenntnis entspringen, wird dadurch evident, dass unterschiedliche Publikationen einem gegebenen Aroma gelegentlich auch ganz verschiedene Wirkungen zuordnen. Klinische Studien gibt es, man möchte fast sagen: selbstverständlich, nicht.
Es empfiehlt sich in jedem Fall sich nicht auf den alleinigen Effekt der Aromen in der Behandlung von Krankheitszuständen zu verlassen sondern sie, wenn überhaupt, nur als unterstützende Maßnahmen zu verwenden. Ich habe mir die Listen der Aromen der Osmotherapie angesehen und mir ist aufgefallen, dass sehr viele davon auch Weinaromen sind. Nach Keller (Erich Keller: Duft und Gemüt. Erlebnis Aromatherapie: Wie Düfte auf unsere Gefühle wirken. Fischer-Verlag, Münsingen-Bern, 1993) sind Düfte wie Vanille, Zedernholz, Zimt, Wacholder, Bergamotte, Minze, Eisenkraut, Orangenschale, Sandelholz, Akazie u. v. m. für die Behandlung emotional-seelischer Krankheitszustände geeignet. Gerade diese Gerüche lassen sich häufig auch in Rotweinen identifizieren.
Gibt es über diese Schiene einen Zusammenhang zwischen der antidepressiven Wirkung des Weins und seinen Duftkomponenten? Ein faszinierender Gedanke, zumal wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Aromen für die Osmotherapie heute synthetisch hergestellt werden – also seelenlos sind, der Wein aber über ganz natürliche Düfte verfügt! Das Schnüffeln am richtig gefüllten Glas gehört schließlich zu den ganz großen Momenten beim Weingenuss. Hat es auch therapeutische Wirkungen?